Vidar hat geschrieben: ↑06 Apr 2020 19:55
Reinhard hat geschrieben: ↑06 Apr 2020 19:19
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Sollten sich diejenigen durchlesen, die gern mit "der Wirtschaft" argumentieren, die Maßnahmen aufzuweichen.
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Vielleicht mal folgende Überlegung:
Wollt ihr lieber ab Juli wieder einigermaßen sicher sein, dass ihr Covid-19 nicht kriegt und wieder euren normalen Geschäften nachgehen könnt? Außer wenn die Veranstaltungen mit über 50 Personen erfordern. Und ihr Mund-Nasen-Schutz tragen müsst, wenn ihr wo seid, wo andere Leute sind ...
Oder wollt ihr von Mai dieses Jahres bis Mai nächsten Jahres zwar alles tun dürfen, aber dabei immer mit der Gefahr leben, dass ihr es euch doch einfangt? Und wenn ihr krank werdet -- mit irgendwas(!) -- ihr dann Glück haben müsst, ob ihr gerade in einem Hotspot seid?
Wieso nur dieses schwarz/weiß, entweder/oder Denken? (...)
Ich habe gerade von denen den Eindruck, die auf möglichst schnelles Hochfahren drängen, ein Anhängen einer Schwarz-/Weiß-Sichtweise. Als ob es einen Drehknopf gibt, links steht "Gesundheit" und rechts steht "Wirtschaft" und die wollen es halt mehr nach rechts drehen.
Ich sehe das anders. Ich muss aber etwas ausholen für eine Erklärung ...
Gehen wir doch mal aus von einem eher ungünstigen Szenario: die Dunkelziffer ist gering und deshalb die Durchseuchung der Bevölkerung noch weit davon entfernt abgeschlossen zu sein; und gut wirksame Medikamente gibt es auch nicht; und ein gewisser Anteil der Kranken muss hospitalisiert werden. Covid-19 wird uns deshalb begleiten bis irgendwann Frühjahr 2021 ein Impfstoff verfügbar ist.
Es wird ein paar Maßnahmen, die wird man dann bei allen Vorgehensweisen beherzigen müssen. Großzügiger Einsatz von Seife und Desinfektionsmitteln. Abstandhalten, wo es geht. Viel Testen auf akute Krankheit und Quarantäne der entdeckten Kranken und ihrer Kontaktpersonen. Keine Großveranstaltungen, weil einem sonst die ganze Sache über den Kopf wächst, wenn die unentdeckten Infizierten noch meinen, sie können frei rumlaufen. Beispiele dafür haben ja mittlerweile einige: der Besuch einer Kirche in Südkorea, Skifahren und Après-Ski in Ischgl, Fußballspiel in Bergamo, rheinischer Karneval, Starkbierfest in Mitterteich ... Vermutlich gehört zu den brauchbaren und billigen Maßnahmen auch Maskentragen, oder Quarantänen bei Fernreisen. Muss man sehen.
Aber nach den Gemeinsamkeiten die Unterschiede:
A)
Die eine Variante wäre eben, man fährt alles wieder hoch und man darf überall hin und es gibt dauernd relativ viele Kranke. Täglich werden 20000 oder 30000 Leute krank, man kann es sich auch überall einfangen, weil immer irgendwo jemand unerkannt infiziert rumrennt, die Krankenhäuser sind überall recht voll mit Kranken, die Bestatter haben gute Konjunktur. Manchmal gibt es auch Hotspots, wo man es zeitweilig mit Überfüllung der Spitäler zu tun hat und sie dann über weitere Entfernung verteilt werden und in so einer Region gibt es dann auch schon mal öfter begrenzte Lockdowns.
So ... gehen wir doch mal davon aus. Theoretisch kann man überall hin, die Restaurants haben auf, man kann im Spezial-laden irgendwas kaufen, oder sich einen Handwerker kommen lassen für was-weiß-ich, Fliesenlegen oder so. Aber will man das dann? Da holt man sich nur die Krankheit oder steckt sich an. Das eigene Einkommen ist vielleicht auch nicht so sicher ... man weiß ja nicht, ob man demnächst mal wieder zuhause sein muss, weil man dummerweise in einer vorrübergehenden Sperrregion lebt. Oder Kontaktperson eines Kranken ist ... das könnte man ja auch öfter sein, während man hoffentlich nur einmal krank wird (zumindest für eine Weile solange man dann immun ist). Und Urlaube planen ist auch schlecht, weil man ja auch nicht weiß, wann die am Urlaubsort mal wieder gerade Krankheitswelle haben. Oder man selber. Sollte man sich einen neuen Job suchen, dann interessiert man sich weniger dafür, was die Firmen denn als Bezahlung anbieten, sondern wie gut die Krankenhäuser an dem jeweiligen Ort bisher ausgelastet waren. Und überhaupt ist es besser, sein Geld zusammenzuhalten. Vielleicht wird man ja demnächst wieder Klopapier und Nudeln hamstern müssen, wenn einen wieder die Welle trifft. Und überhaupt möchte man auch gar nicht krank werden, also: noch weniger als so schon, es ist ja auch eine schlechte Zeit, aus anderem Grund medizinische Hilfe zu benötigen.
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B)
Es gibt ein paar wenige Infektionsketten, die immer mal wieder zu einem Aufflackern führen, aber generell ist die Lage im Griff. Die Geschäfte haben auf, aber man muss strikt auf Abstände achten. Anstellen vor einem Laden ist Usus. Plätze in Restaurants sind so knapp, dass man zwei oder drei Wochen vorher reservieren muss, sein Ausgehen oder Feiern ist halt nicht so spontan machbar. Freibäder machen auch schon mal wegen Überfüllung zu. Klar ist es möglich, sich hin und wieder mal anzustecken, aber es ist so selten, dass man sich da nicht groß von irgendwas abhalten lässt. Man kann seinen Urlaub planen; oder wenn man seine Wohnung neu einrichten will. Tödliche Verläufe kommen natürlich auch vor, aber man rechnet halt nicht damit so als drohendes Szenario, weil man mal nicht aufgepasst hat.
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In welchem Szenario ist die Wirtschaft wohl aktiver?
Ich nehme an, bei Szenario B. In diesem Sinne denke ich, dass ein Schutz der Gesundheit auch ein Schutz der Wirtschaft ist. Vielleicht nicht unbedingt der Konzernwirtschaft, denen kann es egal sein, ob immer ein paar Prozent ihrer Arbeiter wegen dem einen oder anderen Grund ausfallen ... aber für die Wirtschaft als Gesamtes ist es wohl besser, einigermaßen Gleichmäßigkeit und Planbarkeit herzustellen und dazu braucht es nun mal eher kleine Infiziertenzahlen, die man mit Nachverfolgung der Infektionsketten und einem gewissen smart distancing klein hält.
Noch besser wäre natürlich, den Virus örtlich begrenzt auszurotten.
Ich weiß aber nicht, ob man das hinbringt.