Savor hat geschrieben:BartS hat geschrieben:Du erwartest also von Deinem Freund, dass er Zeiten für Dich frei hält und Dir seine Aufmerksamkeit schenkt, damit Du immer wieder aus akuter Unlust ihm absagen kannst? Ist Dir schon mal der Gedanke gekommen, dass er auch nur eine begrenzte Freizeit hat und auch nicht so leicht alles wegen Dir umstellen kann? Ich halte das schon für recht egoistisch, wenn Du das von ihm erwartest.
Wieso egoistisch? Das ganze ist doch beidseitig. Auch der Freund kann kurzfristig sagen, dass es ihm nicht passt.
Das ist ungefähr so, als wenn man seine Untreue dadurch abstreitet, weil der Partner kann ja genauso einen Seitensprung machen, wenn ihm danach ist. Viele Freundschaften beruhen auf Vertrauen und Verlässlichkeit. In dem Fall oben könnte die Person genauso sagen, wir treffen uns morgen oder auch nicht, je nachdem ob ich Lust darauf habe. Wo kann man der Person als Freund trauen oder sich auf ihn verlassen, wenn das immer wieder passiert?
Savor hat geschrieben:Mal angenommen ich sage zum Beispiel am Dienstag Abend zu meinem Freund, dass wir am Freitag Abend doch mal wieder ins XYZ gehen könnten und er stimmt mir zu. Jetzt ist Freitag Nachmittag und ich bin von der Woche und vom Arbeitstag ziemlich kaputt und ich habe eigentlich keine Lust mehr, abends los zuziehen.
Ein richtiger Freund versteht mich dann, wenn ich ihm sage, dass ich heute Abend keine Lust mehr habe und wir deshalb an einem anderen Tag was machen sollten.
Zunächst, ein richtiger Freund wägt erstmal ab, was schwerer wiegt, die eigene akute Unlust oder den Freund für den Abend zu versetzen. Und er bewertet das nicht rein nach seinem Vorteil, sondern versucht einen gewissen Ausgleich zu schaffen. Sein Anliegen gibt er eine ähnlich hohe Wertigkeit wie das Anliegen seines Freundes.
Ich will auch mal ein konkretes Beispiel nennen. Ich gehe regelmäßig mit meiner Tanzpartnerin in die Tanzschule. Wir sind dort einmal die Woche. Das findet immer nach der Arbeit statt. Es passiert schon mal, dass der eine oder andere an so einem Tag echt abgeschafft ist und Müdigkeit plagt. Der Punkt ist der, wenn ich keine Lust habe und nicht hingehe, dann fällt auch das Tanzen für meine Partnerin an dem Tag aus. Umgekehrt genauso, wenn sie nicht will, kann ich auch nicht tanzen. Deshalb überlegt man es sich mindestens zweimal, ob man die Sache einfach so absagt, weil eben nicht nur das eigene Vergnügen dranhängt. Natürlich sagen wir beide das Tanzen ab, wenn jemand krank ist, oder total übermüdet oder was in der Familie ist. Hingegen bei leichter Unlust und Müdigkeit würde keiner von uns absagen, einfach aus den oben genannten Gründen. Man entscheidet bei so einer Geschichte nicht mehr für eine Person, sondern für zwei. Das was ich mache, hat auch Auswirkung auf den anderen. Eigentlich eine Binsenweisheit bei einer Freundschaft, aber vielleicht ist das manchen eben nicht so wirklich bewusst.
Savor hat geschrieben:
Für mich wäre es kein richtiger Freund, wenn er erwarten und "verlangen" würde, dass wir uns trotzdem treffen "müssen", nur weil wir das doch am Dienstag ausgemacht haben.
Letztendlich müssen bei jeder Form von Partnerschaft (und dazu zähle ich auch Freundschaften) beide aushandeln, was für sie das
gemeinsame Maß ist. Wenn der eine kein Verständnis für das Tun des anderen hat, dann wird es schwer. Es kommt immer auf eine gute Mischung an. Aber wenn Treffen immer wieder wegen Kleinigkeiten abgesagt werden, dann muss man sich schon fragen, was das noch mit einer Freundschaft zu hat.
Savor hat geschrieben:Ich will mich mit einem Freund treffen, wenn beide auch wirklich in dem Augenblick LUST dazu haben und nicht deshalb, nur weil man das mal "so ausgemacht" hat und einer oder gar beide gar nicht so richtige Lust darauf haben.
Ich habe den Eindruck, dass Du wenig Bewusstsein für die Zeitplanungen anderer Menschen hast. In den meisten Fällen ist die eigene Freizeit begrenzt und man muss sie sich immer wieder erkämpfen, organisieren und Termine langfristig planen. Andere Personen haben Verpflichtungen, die sie nicht absagen können, wenn Du gerade Lust hast, sie zu treffen. Kann ja sein, dass Du selbst quasi jeden Abend frei hast und es Dir nix ausmacht, wenn ein Termin kurzfristig von Montag auf Dienstag verschoben wird. Ich kannte mal einen Frühpensionär. Er konnte nicht verstehen, dass von seinen Bekannten die volltags arbeiteten niemand Zeit hatte, sich um 15 Uhr mit ihm auf einen Kaffee zu treffen. Er konnte auch nicht verstehen, warum diese Bekannten auch mal 10 Minuten für sich brauchten, wenn sie gerade zu Hause angekommen sind und nicht sofort telefonieren wollten. Eine gewisse Empathiefähigkeit für die Freizeit- und Arbeitsgestaltung seiner Mitmenschen ist sicher nicht verkehrt, wenn das auch mit den Freundschaften klappen soll.
Savor hat geschrieben:Was sollte das denn für eine Freundschaft sein, wenn man sich zu dem Treffen quasi aus "Pflichtgefühl" hinschleppt, obwohl man lieber zu Hause bleiben würde?
Ich finde ehrlich gesagt schon, Freundschaft ist in dem Moment auch eine Form von Verpflichtung. Sonst ist es eher eine lose Bekanntschaft. Mal angenommen, Dir geht es gerade schlecht und Du möchtest mit Deinem Freund darüber reden und es Dir von der Seele reden. Als das Dein Freund hört, sagt er dann, ach nö, darauf habe ich jetzt keine richtige Lust. Geh mit Deinen Sorgen zu jemanden anderen und komm wieder, wenn es Dir besser geht. Wie würdest Du Dich dabei fühlen?
Savor hat geschrieben:
Wir haben wohl vollkommen konträre Vorstellungen von einer guten Freundschaft. Da würden wir beide vermutlich nur sehr wenig Schnittmenge finden.
Ich habe ehrlich gesagt noch nicht heraus gehört, was Du unter einer guten Freundschaft verstehst. Bisher höre ich nur etwas von einer maximalen Freiheit für die eigene Freizeitgestaltung ohne feste Zusagen gegenüber seinen Freunden.