Hanuta hat geschrieben: ↑08 Sep 2020 23:52
Ich muss mich mit dem Thema Modelleisenbahn nicht befassen, um einzuschätzen ob ich einen Menschen sympathisch finde oder nicht.
Nein, aber du mußt dich schon eine ganze Zeitlang aufmerksam mit der Modellbahnszene beschäftigen, um zu wissen, wie Modelleisenbahner ticken. Und glaube mir, ich tue das schon seit mehr als 30 Jahren.
Hanuta hat geschrieben: ↑08 Sep 2020 23:52
Jemand der andere schlechtredet und ihnen Amateurhaftigkeit vorwirft, während man selbst natürlich viel mehr Ahnung hat wird mit großer Sicherheit als unsympathisch wahrgenommen.
Zunächst einmal: Innerhalb der Modellbahnszene gibt es relativ wenige Angriffe einer Art von Modellbahner auf eine andere, wie du sie dir in deiner hanebüchenen Traumwelt vorstellst. Kritik wird trotzdem ausgesprochen. Und wer diese Kritik schon als persönlichen Angriff auffaßt, hat ganz einfach kein dickes Fell.
Hanuta hat geschrieben: ↑08 Sep 2020 23:52
Le Chiffre Zéro hat geschrieben: ↑08 Sep 2020 23:26
Beiden ist zwar gemein, daß sie nicht oberlehrerhaft daherkommen – dem „Märklinisten“ würde man das eh nicht abnehmen. Aber beim „Märklinisten“ nervt,
daß ihm das Vorbild ziemlich egal ist, zumindest über das hinaus, was er aus den Märklin-Katalogen gelernt hat, die seine einzige Fachliteratur sind.
Ja, aber wenn er das doch so gerne macht - was spricht denn dagegen?
Daß das mit
Modelleisenbahn herzlich wenig zu tun hat. Spielbahner, Spaßbahner und Märklinisten sind innerhalb der Szene tatsächlich Aussätzige. Und das sage nicht ich allein, das sagt auch der Großteil der Modellbahnszene – inklusive aller Fachzeitschriften, die nicht einem bestimmten Hersteller gehören.
Nehmen wir einmal die typische Märklinistenanlage. So dicht mit Gleisen bebaut, daß es schon unglaubwürdig ist. 360-mm-Radien im Sichtbereich, und sie werden von Schnellzügen mit langen Reisezugwagen befahren. Der Bahnhof ist Halt für Schnellzüge, TEEs, Hochgeschwindigkeitszüge usw., aber der längste Bahnsteig – natürlich immer noch plastikglänzend, weil nicht nachbehandelt – ist höchstens 1,20 m lang. Alles Rollmaterial ist von einem Hersteller – Märklin, deren Produkte in der Szene heute noch mehr als Spielzeuge denn als Modelle gelten, wobei das vor ein paar Jahrzehnten noch viel schlimmer war –, aber von dem fährt alles Mögliche und Unmögliche durcheinander. Signale gibt es nur, wenn analog gefahren wird, weil sie dann gebraucht werden, um Züge stromlos zu schalten.
Solche Anlagen werden in der Fachpresse, wenn überhaupt, nur in einer einzigen Zeitschrift gezeigt: dem Märklin Magazin. In allen anderen Publikationen – Eisenbahn-Kurier, Eisenbahn-Journal, Eisenbahn-Magazin, Modelleisenbahner, MIBA usw. – hätte so eine Anlage nicht den Hauch einer Chance.
Auch die typische LGB-Gartenanlage, wo Fahrzeuge der verschiedensten deutschen, österreichischen, schweizerischen und womöglich auch amerikanischen Schmalspurbahnen, reine Fantasiefahrzeuge und neuerdings sogar Fahrzeuge mit normalspurigen Vorbildern nicht nur auf derselben Anlage durcheinanderfahren, sondern im selben Zug (!), hat nur eine Chance in der LGB-Depesche.
Es macht dem Erbauer und Betreiber der Anlage zwar Spaß, aber Modellbahner, die jeden Monat Geld ausgeben für eine renommierte Fachzeitschrift, die sich der akkuraten Nachbildung des Vorbilds im Modell verschrieben hat, wollen so etwas nicht sehen. Würde die MIBA anfangen, solche Anlagen vorzustellen, würde sie ganze Heerscharen von Abonnenten verlieren.
Für diejenigen, die annehmen, ich hätte das alles erfunden, hier als Gegenbeweis
zwei Links zu einem Gartenbahnblog. (
Disclaimer: Ich bin kein Gartenbahner, ich habe nicht einmal einen Garten, also ist das auch nicht mein Blog. Im übrigen ist das Blog in der Rechtschreibung von 1996 geschrieben, derweil ich die von 1901 anwende. Noch ein Grund, warum das Blog nicht von mir sein kann.) Und für diejenigen, die aus Prinzip nie Links öffnen, hier die relevanten Teil des verlinkten Materials zitiert:
- [+] Langes doppeltes Zitat
Was ist ein …
… Schachtelbahner?
Nein, Schachtelbahner sind im Gartenbahnbereich keine Hobbyisten, die einige Kartons hintereinander auf die Gleise stellen und denken, es wäre ein Zug.
Schachtelbahner wird genannt, wer Fahrzeuge und Zubehör für seine Modellbahnanlage vornehmlich von seinem Hersteller seines Vertrauens erwirbt und direkt aus der Schachtel verwendet.
Selbst- und Umbauer sind in diesen Kreisen selten bis garnicht anzutreffen. Die höchste Zufriedenheit wird erreicht, wenn z.B. ein bestimmter Zug mit all seinen Fahrzeugvarianten eines Herstellers über die Gleise rauscht oder die Zugsteuerung mit ihren zahlreichen Komponenten aus dem Zubehörprogramm des Lieblingsproduzenten zusammengestellt wurde.
Eine andere Definition sieht in einem Schachtelbahner einen Fahrzeugsammler, der diese in Vitrinen und/oder in Schachteln aufbewahrt. Siehe hierzu auch den Vitrinenbahner weiter unten.
… Spielbahner?
Grundsätzlich spielen Modelleisenbahner im gesetzteren Alters nicht, denn diese Tätigkeit wird – so die Befürchtungen der Betroffenen – zu nahe an Playmobil- oder Lego- (also „echten“) Spiel-Bahnen gerückt.
Tatsächlich spielt ja jeder mit seiner Modelleisenbahn, die mehr oder weniger Modell ist: Bauen, Verbessern, Umbauen oder nur Fahren, nach oder ohne Plan – die Ausprägungen sind halt nur sehr unterschiedlich.
Das Fahrvergnügen eines Spielbahners kann aber noch gesteigert werden: Züge verschieder Maßstäbe werden nach Belieben gemischt, mitunter mit Science-Fiction-Figuren garniert (je nach Saison und vorherrschenden Filmthemen) und der Phantasie ist im Grunde keine Grenzen gesetzt.
Die Detailtreue zum Vorbild ist nicht so wichtig, wenn es dem Hersteller gelingt, mit blumigen Worten einige Fakten des Vorbilds mit phantasievollen Beschreibungen des Produkts und seine angebliche Authentizität in der Umsetzung zu verbinden.
Allein, es zählt das Gefühl, mit einem „Etwas“ zu spielen, was in der Realität irgendwo seine Entsprechung hat/haben könnte … oder so ungefähr zu mindest!
… Spaßbahner?
Ein Spaßbahner ist im Grunde ein Spielbahner, der aber die Betitelung als Spielbahner möglichst und weit von sich weist. Man könnte ihn auch als die militante Variante eines Spielbahners bezeichnen.
Wie der Spielbahner sind in Wirklichkeit alle Gartenbahner mehr oder weniger Spaßbahner, weil sie Spaß an ihrem Hobby haben. Aber in dieser Definition zeigt sich eine Variante, die ihren Ursprung im Karneval, der Fastnacht oder dem Fasching haben könnte:
Es gibt für den Spaßbahner nichts ernsteres als den Spaß!
Und immer wieder hervorgehoben werden muss, mit eindringlicher Betonung, …
… wie wichtig doch für alle der Spaß am Hobby ist!
Das scheint sich zunächst gegenseitig auszuschließen, aber der Spaßbahner ist ständig auf der Hut vor Anfeindungen, um in ernster Sorge um sein Hobby den Spaß notfalls auch mit Klauen und Zehen gegen „Andersgläubige“ zu verteidigen. Ärgste Gegner sind die von ihm so betitelten Nietenzähler und Pufferküsser (zu deren Definitionen komme ich später noch). Sie zählen alle Unstimmigkeiten an seinen Modellen auf und drohen, ihm den Spaß zu verleiden.
Er ist tolerant, auch andere Varianten des Hobbys zu beklatschen, und liebt faire und ausgeglichene Diskussionen, sofern sie seine Meinung untermauern und gegenteilige Meinungen möglichst nicht zu Wort kommen, zumindest aber nicht die Oberhand gewinnen.
Der Spaßbahner ist per se liberal – meint er – aber so in seinem Blümchen verziertes Selbstbild gefangen, dass bereits erwähnte Nietenzähler weitesgehend aus seiner Spaßbahn-Welt ausgesperrt bleiben. Nichts soll sein heiles Eiland durcheinanderbringen, denn was sein Weltbild betrifft, versteht er überhaupt keinen Spaß!
… Vitrinenbahner?
Die Loks des Vitrinenbahners sind maximal einmal zum Test gelaufen. Auch erhofft er sich einen gewissen Wert beim Wiederverkauf, der dann allerdings in der Regel nicht eintritt, weil beim Erreichen eines solchen Mehrwerts der Vitrinenbahner selbst schon das Zeitliche gesegnet hat.
Wie schon beim Schachtelbahner erwähnt, bleiben die Modelle teils in Vitrinen, teils in Schachteln verpackt, sehen vielleicht nie oder nur bestenfalls durch eine Klarsichtfolie kurz das Tageslicht und tragen zu dem für den Vitrinenbahner schönstem Gefühl bei, als Besessener etwas besitzen zu können.
Vitrinenbahner sind dennoch in der Lage, einzelne Stücke wieder abzugeben, wenn im Gegenzug ein anderes, wichtigeres für die Sammlung zu bekommen ist.
Wären Modellloks und -wagen Tiere, so würde man von einem Tierheim sprechen oder gar von einem Gefängnis. Gleichwohl wird der Versuch, die Fahrzeuge aus diesem Gefängnis gewaltsam zu befreien als Einbruchdiebstahl strafrechtlich verfolgt. So ungerecht kann die Welt also sein …
… Nietenzähler?
So sehen wir ihn vor uns, den verhärmten Bastler, der das Vorbild in- und auswendig kennt, der selten das Tageslicht sieht sondern nur seinen Bastelkeller, in dem die Modelle um- und überarbeitet werden, bis sie vom Vorbild nur noch im Maßstab zu unterscheiden sind. Er ist derjenige, der seinen Finger in die Wunden der Hersteller legt und ihnen zeigt, wo sie – auch nur geringfügig – geschlampt haben oder nachlässig waren.
Mag sein, dass ein Spaßbahner sich so einen Nietenzähler vorstellt, gleichwohl sieht seine Welt tatsächlich trauriger aus.
Der Nietenzähler kennt in der Tat die Vorbilder seiner Modelle und vergleicht diese zur eigenen Erbauung mit dem, was er am Vorbild sieht mit dem, was ihm der Hersteller versucht als Vorbild schmackhaft zu machen.
Das kann nicht gut gehen, denn was bei dem einen bei einem Mehr an Details überbordende Verzückung generiert, erzeugt beim anderen nur das Schreckgespenst der Kosten, die durch das Produkt niemals nicht wieder hereingeholt werden können – so jedenfalls die Begründung vieler Produzenten gegenüber der Modellbahnergemeinde.
Ärgster Feind des Nietenzählers ist der Spaßbahner, denn dieser sieht sich durch die Tätigkeit des Nietenzählers in seinem Hobby bedrängt, wenn nicht sogar gefährdet, sein Wichtigstes, den Glauben an sein Modell und seinen Hersteller und damit den Spaß zu verlieren.
Weshalb der Spaßbahner den Nietenzähler deshalb nicht einfach links liegen und gewähren lässt, bleibt allerdings allen Wissenschaftlern trotz zahlreicher Untersuchungen weiterhin ein Rätsel.
Gleichwohl stößt man in Foren jedoch auf ein besonderes Problem:
Jeder Forist ist aufgrund seiner DNA bemüßigt, alle sich dort bietenden Beiträge zu lesen, denn man könnte ja etwas verpassen, vielleicht sogar eine ausufernde Diskussion.
Daher muss der Spaßbahner auf die Produktschimpfereien der Nietenzähler stoßen. Gleichsam einem angeborenen aber mystischen Mechanismus folgend fühlt sich der Spaßbahner selbst und seine spaßige Welt in Gefahr – das ist bestimmt nicht lustig! – und es kommt zu den schon im ersten Teil angedeuteten Auseinandersetzungen und damit zum Martyrium des Nietenzählers: In die Ecke gedrängt und als solcher entlarvt, ist er einsam unter den Foristen und muss jederzeit bangen, aus den Foren ausgeschlossen zu werden, die für den Einsamen die letzte Ader zur Außenwelt bilden und die nun droht, durchtrennt zu werden. Für die verbliebenen Foristen heißt es bei Franz Joseph Degenhard so treffend:
Spiel nicht mit den Schmuddelkindern!
Also lebt der Nietenzähler zurückgezogen, seinen Trieb mühsam unterdrückend in der ständigen Angst, entdeckt zu werden.
… Pufferküsser?
Der Pufferküsser ist der Nerd unter den Eisenbahnfetischisten. Ob das Sammeln von Devotionalien, stundenlanges zuordnen von Bildern und Registrierung, welche Roststellen an welcher Lok in welchem Jahr wo, wie und womit oder vielleicht schrecklicherweise garnicht beseitigt wurden.
Natürlich weiss der Pufferküsser, welche Aufschriften, welches Zubehör und welche Umbauten wann an den Fahrzeugen erfolgten und wird damit zum Schrecken der Modellbahnhersteller. Dieser Sonderfall des Bahnhobbyisten kann jeder Designabteilung nachweisen, ob sie Vorbildfotos verschiedener Jahre vertauscht oder seitenverkehrt benutzt haben allein durch Handauflegen an der Pufferbohle.
Er ist bei den Schachtel-, Spaß- und Spielbahnern noch weniger beliebt als der Nietenzähler, nicht etwa, weil er über dieses enorme Wissen verfügt, sondern weil er dieses aufgrund seiner Gedächnisleistung binnen Sekundenbruchteilen reproduzieren kann.
Stelle man sich dem gegenüber doch den gewöhnlichen Schachtelbahner gesetzteren Altes vor, der von seinem Einkaufsraubzug zurückkehrt und nur die Hälfte seiner Modellbahnschachteln heranschleppen kann. Die andere Hälfte der Beute konnte er nicht abtransportieren und musste sie zurücklassen, fand er sein Auto doch nicht wieder. Dies arme Opfer seiner Vergesslichkeit war an diesem Tag mit dem ÖPNV aufgebrochen …
Zusammen bilden Nietenzähler und Pufferküsser das „Duo Infernal“ der Gartenbahnwelt.
Bevor es das World Wide Web gab, haben die „echten“ Modellbahner bei ihren Stammtischen die Spielbahner, Spaßbahner und Märklinisten ausgelacht. Die wiederum haben nichts davon mitbekommen, denn zu solchen Stammtischen gingen sie nicht. Fachzeitschriften lasen sie auch kaum außer dem Märklin Magazin. Alle anderen Zeitschriften ergingen sich vor allem in den 80er und 90er Jahren in regelrechten Märklin-Bashing, das nur wenige Ausnahmen hatte (z. B. württ. C, V 200¹) und zu einem erheblichen Teil tatsächlich gerechtfertigt war. (Das alles ungeachtet der Tatsache, daß der H0-Standardkupplungskopf nach NEM 360 eine Märklin-Konstruktion ist.)
Inzwischen gibt es das Web 2.0, aber immer noch keine getrennten vollwertigen Foren für die verschiedenen Arten von Modellbahnern. Irgendwann müssen sie doch alle in die großen allgemeinen Foren wie das Stummi-Forum oder den Modellbahnbereich von Drehscheibe Online. Und da schreibt jeder nach seiner Façon ungeachtet der ihn umgebenden „Glaubensrichtungen“. Der Nietenzähler greift den Spielbahner oder den Märklinisten zwar nicht an, nimmt auf diese Fraktionen aber auch keinerlei Rücksicht. Warum sollte er auch, hat er doch zum einen wirklich genug Leser und obendrein dieselbe Mentalität wie die Fachpresse.
Jedes neue Modell – zumindest jedes, das populär genug ist – wird penibel von den Argusaugen der Nietenzähler begutachtet und gnadenlos verrissen. Und Rezensenten sind meistens Nietenzähler oder zumindest nah dran. Dazu kommen dann Anleitung zum „Supern“ der Modelle, um Vorbildwidrigkeiten auszubügeln, die die Mehrzahl der Modellbahner nie bemerkt hätte; die Umbauten enden nicht selten darin, daß das ganze Modell neu lackiert und beschriftet wird, was auch deshalb sinnvoll ist, weil sich der Hersteller wieder nicht genau genug an RAL, TGL, Preußische Normalien o. ä. gehalten hat, je nachdem.
Dazwischen steht dann der Spielbahner und vor allem der Märklinist. Dem schwirrt der Kopf vor lauter penibler Erbsenzählerei. Erschwerend kommen noch immer wieder neue Herstellernamen hinzu, von denen er noch nie gehört hat – hat es doch lange genug gedauert, bis er sich daran gewöhnt hatte, daß Brawa inzwischen auch Rollmaterial über Kleinloks und Dienstfahrzeuge hinaus baut. Dann noch diese ganzen aufwendigen Umbauten mit Messingteilen und so weiter. Er findet ja, die Loks und Wagen sind so, wie sie aus der Schachtel kommen, schön – und zwar auch das Märklin- oder Piko-Modell, auch wenn die Forumsmehrheit es als „unrettbar mißlungen“ einstuft, während das Roco-Modell vom selben Vorbild zwar peinliche Fehler hat, die aber behebbar sind.
Schlaue Spielbahner wissen, wann sie die Klappe zu halten haben. Newbies und weniger schlaue Spielbahner meinen, ihr Spielbahnhobby gegen die Fraktion, die auf möglichst kompromißlose Vorbildtreue setzt, verteidigen zu müssen. Sie sehen die Kritik an den von ihnen bevorzugten einfacheren „Modellen“ gewisser Hersteller, vor allem von Märklin, als Angriff auf ihr Hobby und damit auf ihre Person, obwohl es gar keiner sein soll, denn der sähe ganz anders aus. Ihre Gegenkritik besteht dann in der Frage, ob und warum denn immer alles so supergenau sein muß. Sie verwandeln einen Thread mit einem Modell-Review oder einen über das „Supern“ eines Modells, das höchste Ansprüche nicht befriedigt, in eine Grundsatzdiskussion.
Diejenigen, die bei der Modellbahn die Betonung auf „Modell“ und den Fokus auf Originaltreue legen, reagieren dann nicht etwa mit einem emotionalen Ausbruch und einer verbalen Ad-hominem-Gegenattacke („IHR SCHEISS MÄRKLINISTEN SEID DOCH ALLE ZU DUMM ZUM KACKEN!“). Nein, sie bleiben sachlich und erklären noch einmal die Bedeutung des Wortteils „Modell“ in „Modelleisenbahn“.
In der darauffolgenden Diskussion gilt: Wer fachliche Kompetenz jemand an den Tag legt und auf den Modellaspekt Wert legt, bleibt sachlich und unemotional. Der Threadersteller und diejenigen, die wie er denken, rechtfertigt seine Kritik am Modell bzw. seinen Umbauaufwand. Die Spielbahner und Märklinisten spielen die beleidigten Leberwürste, stellen das Konzept der Originaltreue grundsätzlich in Frage, sagen, sie wollen einfach nur Spaß haben (off-topic) und fordern generell nur noch Modelle, die wieder so robust sind wie die Märklin-Druckgußkonstruktionen der 60er bzw. kritisieren an den Umbauten, daß sie zu Lasten der Robustheit gehen. Die Nietenzähler stellen an den Hersteller bzw. den Umbauer Anforderungen in der Detailtreue, die selbst Kleinserienhersteller von Messingmodellen in sehr viel größeren Baugrößen nicht zu erfüllen vermögen – im Falle der Hersteller aber ohne preislichen Aufschlag. Die Schachtelbahner wiederum haben einerseits nichts gegen detailliertere Modelle ab Werk, sofern diese nicht teurer werden, sind aber gegen Umbauten aller Art, weil die den Marktwert des Modells verringern.
Ein gutes Beispiel sind Lokomotivlaternen. Für den Spielbahner bzw. Märklinisten müssen sie unbedingt beleuchtet sein. Daß sie durch den Lichtleiter ziemlich klobig ausfallen und/oder ohne Spalt direkt gegen die Rauchkammertür bzw. Tenderrückwand gebaut sind, ist ihnen egal, denn wie das Vorbild an der Stelle genau aussieht, interessiert sie nicht. Hauptsache, es leuchtet schön, wenn sie im Zimmer das Licht ausmachen. Für den Nietenzähler müssen sämtliche Laternen auch in der Tiefe auf den Zehntelmillimeter exakt maßstäblich tief sein, ebenso der Abstand zur Rauchkammertür oder Tenderrückwand. Daß sie dann nicht leuchten, ist für den Nietenzähler nachrangig, zumal viele Nietenzähler ihre bis zum Gehtnichtmehr gesuperten und gealterten Modelle sowieso nicht fahren lassen. Der Nietenzähler hätte bei elektrischen Laternen am liebsten sogar die Kabel zu den Laternen maßstäblich hauchdünn nachgebildet – und zwar am liebsten auch bei Großserienmodellen ab Werk. Die zahlenmäßig riesige Fraktion knapp unterhalb der Nietenzähler träumt derweil von maßstäblichen, aber beleuchteten Laternen, idealerweise inklusive Lichtwechsel weiß/rot, denn eine vorbildgerechte Signalisierung von Spitze und Schluß muß sein.
Hanuta hat geschrieben: ↑08 Sep 2020 23:52
Le Chiffre Zéro hat geschrieben: ↑08 Sep 2020 23:26
denn diesen Aufwand empfiehlt er generell auch anderen Modellbahnern. Er will nicht jeden Modellbahner zum „Nietenzähler“ bekehren, aber seine Tips, seine Anleitungen und seine Antworten auf Fragen sind durchweg auf „Nietenzähler“-Niveau.
Ich bekomme eher den Eindruck, dass er alle diskreditiert, die das Thema Modelleisenbahn nicht so detailverliebt wie er selbst angehen.
Ein falscher Eindruck von jemandem, der sichtlich keine Ahnung hat.
NBUC hat geschrieben: ↑09 Sep 2020 06:16
Das kommt denke ich im Detail auf die Umstände an.
Im Smalltalk oder Dateumfeld ist es wohl Teil der Kunst so etwas zu erkennen.
Wenn das Gegenüber als "zu Beratender" auftritt, ist zumindest vom Wunsch informiert zu werden auszugehen und es wäre ein didaktisches Problem. Fachmann heißt halt nicht gleichzeitig auch guter Lehrer.
Wenn das gegenüber als "Hobbyist" auftritt,es aber nicht ist, so ist man da halt getäuscht worden. Da kann man erst einmal nur begrenzt für und es gibt in den meisten Hobbys genug Kleinkriege, dass man jetzt einen überfahrenen "Hochstapler" nicht unbedingt gleich erkennt.
Richtig, das sind drei grundverschiedene Situationen, zwischen denen zu unterscheiden gilt. Je nach Situation sollte der Hobbyist natürlich jeweils angepaßt, also unterschiedlich agieren.
NBUC hat geschrieben: ↑09 Sep 2020 06:16
Nebenbei: Das gibt es auch anderswo/andersrum, z.B. wenn man als Nerd versucht an Gesprächen zu einem eigentlich unbekannten Mainstreamthemen teilzunehmen. Nur wird es dann dem Nerd dann seine Defizite dort zusätzlich angekreidet.
Auch das stimmt.
Und es ließe sich noch um die Variante erweitern, daß dem Nerd das Mainstreamthema zwar nicht unbekannt ist, er aber nicht mainstreamige Ansichten dazu hat. Das ist dann sogar noch schlimmer.
NBUC hat geschrieben: ↑09 Sep 2020 06:16
Verschärfend kommt natürlich hinzu, dass einem im Smalltalk Verzweifelnden so eine Gelegenheit ein ihm passendes Thema aufzugreifen wie ein Rettungsring für einen Ertrinkenden ist und er dann die starke Neigung hat sich da krampfhaft dran festzuhalten. Doppelt ungestüm ggf, wenn der Tipp zum "Begeisterung zeigen, egal was" ggf. auch noch im Hinterkopf rumschwirrt.
Wieder richtig.
eiertanz hat geschrieben: ↑09 Sep 2020 08:18
Le Chiffre Zéro hat geschrieben: ↑08 Sep 2020 21:20
Außerdem ist er ein „Märklinist“.
Heißt das, um vorbildgetreu zu sein, muss man einen anderen Hersteller als Märklin, also etwa Fleischmann/Roco, benutzen?
Oder ist auch Vorbildtreue mit Märklin möglich?
Innerhalb gewisser Grenzen ist eine gewisse Vorbildtreue auch mit Märklin möglich – sofern man sich beim Rollmaterial stark einschränkt und kein Problem mit „Pickelgleisen“ und 2,5 mm Schienenhöhe hat. Es ist besser geworden, seit Märklin Trix übernommen hat und die Formenentwicklung auf Trix-Niveau angekommen ist.
Mit anderen Fabrikaten und dem Zweischienen-Zweileiter-Gleichstromsystem ist allerdings sehr viel mehr möglich. Und das liegt nicht nur an viel vorbildgetreuerem Gleismaterial, das man verwenden kann (bis hin zu RP25 oder gar H0pur), sondern auch an einer sehr viel größeren Auswahl an Rollmaterial von sehr viel mehr Herstellern. Dann gibt es wieder andere Hersteller, die spezifische Zurüst- und Austauschteile für die Fahrzeuge typischer Zweileiterhersteller haben – während es für Märklin kaum etwas bis gar nichts gibt, weil es sich nicht lohnt.
Allerdings ist der Märklinist ein ganz eigener Schlag. „Märklinist“ sagt ja nicht nur aus, daß er Märklin fährt. Es bedeutet viel mehr zum einen, daß er aus Prinzip nur Märklin fährt und auch sonst nichts von anderen Herstellern kauft, was auch Märklin anbietet. Markenfetischismus gibt es auch bei anderen „Vollsortimentern“, die zumindest die technische Ausstattung einer ganzen Anlage aus einer Hand ermöglichen vom Rollmaterial über die Gleise bis hin zur Steuerung, z. B. Fleischmann oder alle klassischen großen N-Hersteller (wobei Fleischmann inzwischen auch nur noch N anbietet). Aber nirgendwo ist das so extrem ausgeprägt wie bei Märklin.
Zum anderen bedeutet es, daß er von Märklin so ziemlich
alles fährt. Kreuz und quer durcheinander, wie es ihm gefällt. Da fahren alle Epochen auf derselben Anlage, deren Gestaltungsepoche von dem abhängt, was der Märklinist beim Händler so vorfindet (und wofür noch Platz ist auf der Wimmelanlage). Da treffen preußische und württembergische Länderbahnzüge, Schürzenwagen im Ursprungszustand hinter einer Stromlinienlok, ein stahlblauer F-Zug, ein 80er-Jahre-InterCity und ein ICE 3 im selben Bahnhof gleichzeitig aufeinander. Zumindest Personenzüge sind in sich meistens epochenrein – aber nicht unterepochenrein (z. B. Bundesbahnlok trifft auf verkehrsrote Wagen). Güterzüge sind entweder Zugpackungen, von Märklin empfohlene Zusammenstellungen oder kompletter Mischmasch aus mindestens drei Epochen (z. B. braunes Schweizer Krokodil zieht unter anderem Wagen mit Computernummern, die erst in den 70ern gebaut wurden).
Alles, was der Märklinist von der Eisenbahn weiß, weiß er aus Märklin-Katalogen und vielleicht noch dem Märklin Magazin. Er liest nicht einmal andere Fachzeitschriften, geschweige denn andere Fachliteratur. Warum auch, denn auch das gibt es „alles“ von Märklin. Wenn er in natura eine Lok sieht, die es von Märklin nicht gibt, verwechselt er sie entweder mit einer, die es von Märklin gibt, oder wenn das nicht geht, ist sie ein UFO. Folglich weiß der Märklinist auch nicht um Details wie unterschiedliche Heizsysteme und -spannungen, unterschiedlichen Fahrdraht-Zickzack in Deutschland und Österreich gegenüber der Schweiz oder verschiedenen Bahnstromsystemen (obwohl Märklin das Thema bei jeder Viersystemlok anschneiden dürfte).
Es ist ihm auch alles vollkommen egal. Der Märklinist ist der Spiel- und Spaßbahner in Reinkultur, eigentlich nur noch übertroffen vom Teppichbahner. Ans Vorbild hält er sich allenfalls unbewußt, und zwar dann, wenn er Fahrzeuge zusammenstellt, von denen ausdrücklich im Märklin-Katalog steht, daß die zusammenpassen – oder die sowieso im Set kommen. Und auch dann hält er sich meistens nicht an gewisse Zugbildungsregeln und stellt die Wagen völlig willkürlich zusammen, außer daß er Packwagen, Postwagen und Güterzugbegleitwagen selten mitten in den Zug stellt.
Ich lese ja immer wieder in Foren von Leuten, die irgendwelche Wagen zusammengekauft haben und fragen, wie man die vorbildgerecht zusammenstellen kann, weil sie vom Vorbild keine Ahnung haben. Der Märklinist kauft irgendwelche Wagen, fragt aber niemanden, sondern er stellt sie einfach irgendwie zusammen, weil ihm das Vorbild komplett egal ist.
Eigentlich könnte er ohne weiteres zumindest einige seiner Züge vorbildgetreuer zusammenstellen. Z. B. bei einem TEE den Speisewagen und den Bar- oder Aussichtswagen korrekt „Rücken an Rücken“ zu fahren, sollte eigentlich den Spielspaß nicht minimieren. Bei so etwas stellt er trotzdem die Ohren auf Durchzug, denn was seinen Spielspaß minimiert, sind „Vorschriften“ jeglicher Art. Er will lieber alles frei Schnauze machen, und zuviel Vorbildwissen (bzw. Vorbildwissen überhaupt) macht ihn rammdösig.
Beim Anlagenbau gibt es solche und solche Märklinisten. Es gibt sehr wohl solche, die aufwendigen Landschaftsbau betreiben mit einem Unterbau in beispielsweise Spantenbauweise. Aber selbst die verbauen 360-mm-Gleisbögen im Sichtbereich. Sie verlegen C-Gleise und verzichten auf zusätzlichen Schotter. Sie bauen viel zu kurze Bahnhöfe, die zwar etliche Zusatzgleise haben, von denen die Erbauer selbst nicht wissen, wofür die sind, aber trotzdem eine mehr als absurde Zufahrt zum unvermeidlichen Dampf-Bw mit Drehscheibe. Sie müssen auch immer mindestens eine Paradestrecke haben, die in unmittelbarer Bahnhofsnähe verläuft, nicht selten ohne glaubwürdige optische Trennung. Tunnels müssen sein, zum einen, um die Verbindungen zwischen den sichtbaren Gleisanlagen zu kaschieren, und zum anderen hat man natürlich einen mehr oder weniger großen Schattenbahnhof unter der Anlage.
Vor etwa 25 Jahren hat dieser Schlag Märklinist immer noch M-Gleise verbaut, außerdem Märklin-Signale (außer auf digitalen Anlagen) und Märklin-Stanzblechoberleitungen, als selbst Märklins eigene Haus-und-Hof-Schauanlagenbauer statt dieses hauseigenen Uraltzubehörs Oberleitungen von Sommerfeldt und Signale von Brawa verbaut haben.
Die noch extremere Art des Märklinisten baut einfach auf eine Sperrholzplatte. Weil mehr Fläche zum Bebauen mit Gleisen zur Verfügung steht, ist auch die Gleisdichte höher – aber die Bahnsteiggleise im Bahnhof sind mitnichten länger. Ganz unbearbeitet bleibt die Platte nicht: Zumindest die Kabel werden durch Löcher unter die Platte gelegt, und die Märklin-Drehscheibe muß ja auch versenkt verbaut werden – die alte Blechdrehscheibe für M-Gleise konnte noch einfach auf die Platte gestellt werden. Die Geschicklichkeit beim Anlegen des Schattenbahnhofs ist unterschiedlich. Einige schaffen es, Rampen anzulegen und zu kaschieren und den Schattenbahnhof unter die Anlage zu legen. Andere bauen den Schattenbahnhof hinten auf die Platte und eine Kulisse davor. Wieder andere haben gar keinen Schattenbahnhof (höchstens einen Fertigtunnel in einer Ecke), und die Anlage ist proppevoll mit Fahrzeugen. Oberleitungen sieht man hier inzwischen fast nie, weil zu aufwendig zum Montieren.
NBUC hat geschrieben: ↑09 Sep 2020 08:18
Wer eine Beziehung hat, hat offenbar trotz eines seltsamen Hobbies mit irgend etwas punkten können. Aber das heißt dann halt - wenn der Partner das Hobby nicht teilt oder wenigstens gut findet - dass diese Person
mit etwas anderem gepunktet haben muss.
Und das wäre dann die relevante Information - nicht, dass der eine oder andere Andere auch TROTZ eines seltsamen Hobbies einen Partner gefunden hat.
Genau das wird leider immer wieder hartnäckig unter den Tisch gekehrt.
Wenn jemand mit einem, sagen wir, abnormalen Hobby eine Partnerin abbekommt, dann heißt das nicht, daß das Hobby „doch eigentlich ganz normal und harmlos“ ist und Frauen nie abstößt. Das heißt vielmehr, er hat zwar ein freakiges Hobby, kann das aber ausgleichen. Beispielsweise ist er überdurchschnittlich gutaussehend. Er ist charmant. Er hat eine schöne Stimme und Sprechmelodie. Er macht den Eindruck eines zuverlässigen Ernährers. Etwas in der Art. Etwas, das seine Attraktivität stärker steigert, als sein freakiges Hobby seine Attraktivität senken kann.
Und was noch hartnäckiger unter den Tisch gekehrt wird:
Hätte er nichts in dieser Art, könnte er auch sein freakiges Hobby nicht ausgleichen. Und damit wäre er unterm Strich wieder unattraktiv.
← Das da sind keine Klaviertasten. Es sind Synthesizertasten. Doch, da gibt es Unterschiede.
Ich kann es euch erklären. Ich kann es aber nicht für euch verstehen. Das müßt ihr schon selbst tun.
INTJ nach Myers-Briggs