NBUC hat geschrieben: ↑06 Jul 2020 09:29
These:
Smalltalk zeichnet sich gar nicht absolut durch den Inhalt aus, sondern durch seine Funktion des relativ schnellen Abgleichs von Ähnlichkeiten was Themen, Werten, Erfahrungen, Habitus angeht Gruppengeruch und ggf auch noch Rangorientierung zu schaffen - zusammen mit so nichtsprachlichen Details wie Kleidung, übliche Arten Konsum etc. .
Damit ist smalltalk auch etwas, was man nicht über Vokabeln lernt (und deshalb auch nicht einfach "erfragen" kann, vielmehr stellen "dumme" Fragen um so deutlicher klar, dass DU wohl schon mal nicht nativ dazu gehörst) sondern ist etwas, was viel höheren Erfahrungsanteil hat, wie ein Dialekt und entsprechende assoziative Umgangssprache, wo du kulturell bedingt eine Ahnung erworben haben musst, was denn nun wie gesagt werden sollte um sich einzupassen.
Das ist ja auch oft ein komödiantischer Spiegel, wenn Aliens wie Data oder Sheldon das erlernte/aufgeschnappte Vokabular anwenden ohne die "soziale Grammatik" zu beherrschen.
In dem Sinne gäbe es keine Bigtalk als Gegenentwurf denn eher eine andere Art smalltalk für jedes einzelnes Milieu.
Das Problem des von Smalltalkdefiziten betroffenen ABs ist, dass die Milieusprachen, welche er beherrscht, aus Milieus ohne Partnerkandidaten sind und er von den in der Hinsicht üppiger ausgestatteten Milieus die Sprache eben nicht beherrscht.
Aber "soziale Grammatik" erlernt man eben nicht von außen oder über Fragen, sondern muss man erleben.
Dazu muss man leider als Voraussetzung wieder bereits dazu gehören und Grundzüge dieser Milieusprache beherrschen, wenn es nicht einen "Mentor" oder anderweitige moderierende Umstände gibt, welche es zu einem Eigeninteresse des aufnehmenden Milieus macht Neulinge wie dich anzuwerben.
Im Kern stimme ich deiner These voll und ganz zu. Zu Smalltalk gehört, wie zu vielen anderen sozialen Interaktionen auch, ein gewisser Grad an Fertigkeit. Das ist in meinen Augen aber nur die halbe Miete.
Jedoch ist das nur die halbe Miete. Ich kann ein richtig guter Redner und in sozialen Interaktionen geschickt sein, beim Smalltalk aber außer beim Gerede über das Wetter kläglich versagen, wenn ich bei den Mainstream-Themen nicht mithalten kann. Als Beispiel nehme ich hier mal Fußball, eine Fernsehshow wie Dschungel-Camp oder Bauer sucht Frau und das neue Lied von Ariana Grand (ich hoffe sie heißt so - ich kann mit dieser Musik nichts anfangen) auf 1Live.
Interessiere ich mich nun für Handball, Volleyball oder Eishockey, Dokumentationen auf Arte zu Gulags oder dem Leben der Maori und für Jazz-Musik von Camille Bertault oder Lisa Bassenge kann es trotz super Fertigkeiten auf dem Gebiet der sozialen Interaktion recht schwer werden.
Als Beispiel für ein Gruppentreffen nehme ich hier mal ein gemeinsames erstes Gruppenabendessen über Spontacts oder New in Town etc.
Denn dann bin ich bei oben genannten Themen zum Fußball und zum Dschungel-Camp raus und daher sehr ruhig und werde dann als äußerst schüchtern wahrgenommen. Ergreife ich dann das Wort und sage, dass ich die Interpretation zu Goldberg von Camille Bertault sehr gut finde oder mir die Bilder von Olaf Erwin im Stadtmuseum von Den Haag super gefallen haben, will da mit mir keiner drüber reden. Ich werde dann als Freak wahrgenommen. Zumindest bei mir in der Altersgruppe mit Leuten um die 30. Bei Essensrunden mit älteren Leuten kann das natürlich anders aussehen.
Da finde ich die Big-Talk-Themen von Reinhard um ein Vielfaches besser. Weil bei eher philosophischen Fragen kann jeder mitreden, ohne von vorneherein von der Diskussion ausgeschlossen zu werden.
Es kommt also auf beides an. Einerseits muss ich in den Themen meiner Altersgruppe fit sein und da je nach Art der Gruppe antizipieren können (ich nenne es mal materielles Wissen), andererseits muss ich aber auch soziale Fertigkeiten mitbringen. Denn was nützt mir das Wissen, wenn ich dann trotzdem stumm daneben sitze oder stehe.