Drei kurze Texte

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Crazybowel

Drei kurze Texte

Beitrag von Crazybowel »

Hallo allerseits,

eigentlich schreibe ich sehr gern, was aber naturgemäß nicht bedeutet, dass ich es auch kann. Meist kolportiere ich Sache, die ich selber erlebt habe und da heute mein mutiger Tag und Freitag der 13. ist, poste ich hier einfach mal drei Texte aus den vergangenen Jahren und hoffe auf nachsichtige Leserschaft :sadman:


Frau Krawuttke trainiert meine Nerven

Die Kindheit ist ein paar Tage vorüber, die Haare werden grau, der Bauch gerät außer Kontrolle und mit den Frauen läuft es auch nicht mehr so richtig. Es muss also unbedingt etwas getan werden. Und da es laut dem römischen Schreiberling Juvenal einen gesunden Geist in einem gesunden Körper zu wohnen gelüstet, ist genau hier mein Ansatz ...

Heutzutage gibt es da ja einiges an Möglichkeiten sich dem allgemeinen Fitness- und Wellness-Wahn hinzugeben. Das simpelste ist sicherlich eine Diät, die aber ganz fix in komplizierteste Nähr- und Energiewertberechnungen ausarten kann, die selbst einem Abiturienten die Schweißperlen auf die Stirn treiben.

Also dann lieber Sport - das geht ganz ohne aufwändige Rechnerei, wenn man nicht gerade Eiskunst läuft und dabei Jurybewertungen oder Siebenkampf betreibt und dabei erreichte Punktezahlen addieren muss. Mein Favorit hierbei ist das Joggen - das hat den ganz kleinen Nachtteil, dass es nur Outdoor betrieben werden kann und man als relativ unsportlicher Mensch dabei nicht die Top-Figur macht. Kurz erwägte ich Nacht-Jogging, verwarf die Idee aber sehr schnell wieder.

Vielleicht reichen ja auch einfach Heidis fettfreie Joghurt-Gums zum abnehmen, die sind lecker und keiner schaut zu. Täglich eine Tüte Joghurt-Gums .... hmmm ... und man hat in einem guten Jahr das Geld für einen guten Crosstrainer verfressen. Also muss so ein Gerät her. Nach zwei Tüten Joghurt-Gums hatte ich recherchiert und online bestellt.

Heute kam das Gerät, ein unhandlicher Karton mit gefühlten 100 kg Inhalt. Zu gern wüsste ich, wie der Postbote das transportiert hat. Aber ich war nicht zu Hause und so fand ich heimkommend den Karton friedlich auf der Kellertreppe. Ähnlich wie eine Ameise in einer Trickfilmsequenz, die ächzend ein Vielfaches ihres Körpergewichtes schleppt, versuchte ich das Paket in meine Wohnung im ersten Stock zu transportieren. Als es mir das zweite Mal auf den Fuß gefallen und die mühsam hochgewuchteten Treppenmeter wieder heruntergepoltert war, wurde mir eines klar: Ich brauche gar keinen Crosstrainer, es reicht ein großes Postpaket und meine Treppe.

Polternd und schimpfend wieder im Keller angelangt öffnete ich die Verpackung um die Teile einzeln zur Mitarbeit zu bewegen als ich Schritte hörte. Hinter mir stand natürlich Frau Krawuttke und sah mir beim auspacken zu. "Ist das so ein Heimtrainer zum Fahrradfahren?" Ich erklärte ihr wie ein Crosstrainer funktioniert, während ich mir Gedanken über das weitere logistische Vorgehen machte. Da meinte Frau Krawuttke, dass ihr Mann daheim sei und das ganze mit mir tragen könnte. Nun, Herr Krawuttke hat schon einige Sommer ins Land gehen sehen und ich war mir nicht hundertprozentig sicher, ob meine Haftpflichtversicherung auch Witwenrenten bezahlt. "Nein, nein! Vielen Dank, aber ich hab wirklich alles perfekt im Griff."

"Na gut", Frau Krawuttke schaute skeptisch zu, wie ich das größte Teil des Trainers anhob: "Wissen Sie, mein Mann hört jetzt Schallplatten." - Ich schaute auf: "?!?" - "Ja, wir haben früher immer in unserer Jugend das Peter-Hertwig-Quintett gehört und jedes Wochenende getanzt. Kennen Sie das Peter-Hertwig-Quintett?" Ich ließ fast meine Last fallen: "Frau Krawuttke, es tut mir leid, aber ich höre eigentlich völlig andere Musik." Von diesem Quintett hatte ich noch nie etwas gehört und werde es hoffentlich auch nie hören müssen. Enttäuscht grummelte sie: "Lassen Sie mich nur schnell erzählen: Wir trinken jetzt nachmittags immer ein Tässchen Tee und hören Schallplatten des Peter-Hertwig-Quintetts dazu." Frau Krawuttke kicherte als hätte sie den Witz des Jahrhunderts gerissen.

Und ich wollte nachmittags einfach nur diesen Crosstrainer in meine Wohnung bekommen! Ohne verdammten Tee und Schallplatten!! Und möglichst auch ohne Frau Krawuttke.

"Ja, früher waren wir kaum zu Hause und jetzt hören wir zu Hause Schallplatten - wenn uns das damals jemand gesagt hätte ..." Das Kichern nahm kein Ende ...

Irgendwie habe ich den Crosstrainer jetzt doch hier und Frau Krawuttke lebt auch noch.


Meisenknödel und Frau Krawuttke im Pfefferkuchenhaus

Es gibt Zeiten, die gibt es gar nicht. Zum Beispiel jetzt gerade: Da schaue ich durch mein Fenster, den tanzenden Flockenwirbel ignorierend auf die Schar Vögel, die da unten vor dem Haus herumhüpft und von den Körnern nascht und an den Meisenknödeln probiert.

In Zeiten wie diesen interessiert, ob die gefiederten Freunde vergnügt durch die Botanik hüpfen oder aber vielleicht schon etwas niesen, kränkeln oder gar schlimmstenfalls die Füße gen Himmel strecken. Vögel schlafen nämlich nicht auf dem Rücken so wie ich, sie sind dann tot. Gemeuchelt von einer Seuche namens Vogelgrippe.

Doch man hat reagiert. Niemand darf mehr seinen zitronengelben Kanarienvogel draußen rumfliegen lassen, selbst Katzen sind von der Stallpflicht betroffen, weil Katzen Vögel sehr mögen. Ich mag Rindfleisch auch und wurde zu BSE-Zeiten nicht eingestallt. Hm, und ich sage immernoch "Guten Tag" statt "Muh" zu Frau Krawuttke.

Frau Krawuttke ist übrigens die Hobby-Ornithologin, die den Busch vor meinem Fenster liebevoll mit Meisenknödeln drapierte und davor wie weiland Gretel, die mit Hänsel im Grünen unterwegs war, Körner verstreute. Manchmal glaube ich, Frau Krawuttke tut dies auch um wieder heimzufinden, denn sie ist schon über 90. Nur passt Frau Krawuttke dann doch nicht richtig zu Hänsel, weil sie im Pfefferkuchenhaus auf eine Art Zwillingsschwester treffen würde ... aber ich schweife ab!

Außerdem muss ich wieder ans Fenster, nach den Vögeln sehen.

Und nach Frau Krawuttke, ob sie heimfindet.


Die Diktatur der Frühaufsteher

Eigentlich bin ich ja viel zu müde um hier etwas zu schreiben. Und das kam so:

Gerade wollte ich die tolle Prinzessin von ihrem schrecklichen Schicksal erlösen als die hupende Hexe auf ihrem Cabrio-Besen uns störte. Das Schloss, die Prinzessin, die Hexe - alles verschwand und zurück bleibt nur dieser furchtbare Hupton ...

Wo bitteschön ist Amnesty International, wenn man sie braucht?!! Weiß man nicht spätestens seit den neuesten Skandalen um Guantanamo und Abu Ghraib, dass Folter und derlei Instrumente verboten sind??? Naja, zum Glück genügt ein Schlag auf den Wecker um ihn abzustellen. Wie jeden Morgen liege ich völlig verschreckt und paradoxerweise genauso müde herum und warte. Darauf, dass ich wach werde. Aber wie jeden Morgen vergebens. Außerdem bin ich nun sicherlich taub.

Einziger Trost, dass mein Wecker kein Radio ist und einen ewig gutgelaunten Moderator sein "Guten Moooorgen, die Sonne scheint!" in meine armen Ohren brüllen lässt. Also freue ich mich über diese glückliche Fügung und schäle mich aus dem Bett. Durch das offene Fenster und am Grauschleier vor meinen Augen vorbei kann ich erkennen: Die Sonne scheint tatsächlich. Ich kann auch wieder hören! Und zwar meine Nachbarin Frau Hubschmidt, die einer unsichtbaren Person erklärt, was sie an diesem Morgen schon alles angestellt hat. "Ja, was soll ich denn tun, wenn ich seit fünf kein Auge mehr zubekommen habe!" - Gut, dass ich keine Waffe besitze. Und der Frau ein Buch aus meinem Regal an den Kopf zu werfen, bringe ich nicht übers Herz. Wegen dem Buch. Und weil mir noch der Elan fehlt.

Frau Hubschmidt ist plötzlich in Eile, weil der Supermarkt gleich öffnet. Die Öffnungszeit des Marktes ist auch mein Arbeitsbeginn. Ich stürze ins Bad ...

Die erste Ladung Zahnpasta geht an der Bürste vorbei ins Waschbecken. Wenn ich doch nur diese verdammten Augen aufbekommen würde!

Minuten später lasse ich in höchster Eile die Wohnungstür hinter mir. Ich bin nicht wirklich beunruhigt, denn bis hierher ist es Routine ... bis ich zwei Treppenstufen später vor Frau Bosemann stehe, die gerade hingebungsvoll die Treppe mit einem Lappen traktiert. Sicher war sie extra zeitig aufgestanden, damit sie - wie alle Rentnerinnen - vor Sonnenaufgang mit der Hausarbeit fertig ist. Pech gehabt, die Sonne scheint aber schon!

Nachdem ich wartend ihr am liebsten schon fünfmal auf die Finger getreten wäre, lässt sie mich endlich vorbei. Ein imaginärer Sekundenzeiger beginnt an meine Stirn zu klopfen ... tick .... tack ... und ich laufe Frau Hubschmidt in die Arme, deren unsichtbarer Gesprächspartner verschwunden ist, ohne mit ihr über den frühmorgendlichen Sonnenschein zu plaudern. Aaaaah, ein paar endlose Minuten sonnigen Smalltalks später donnert es wieder an meine Stirn ... tick und tack und weiter gehts.

Vor dem Supermarkt steht die allmorgendliche Schar schlafloser Einkaufswilliger und wartet auf Einlass. Wie ungerecht ist diese Welt!?? Wenn ich mal Rentner bin, werde ich mich extra auch so früh da hinstellen! Jawohl, und allen zeigen: Tja, ich könnte weiterschlafen, wenn ich wollte - schaut her! Aber ich will nicht, haha!

In der letzten Sekunde schaffe ich es, auf der Arbeit mit meinem Chip vor der Zeiterfassung zu wedeln und höre wie eine Kollegin zur anderen sagt: "Sag mal, konntest du heut morgen auch nicht mehr schlafen? Ich hab schon meine ganze Wäsche gemacht heut früh."