Aus Selbstliebe

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Yamon
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Aus Selbstliebe

Beitrag von Yamon »

Eigentlich bin ich niemand, der in anonyme Foren schreibt, aber gerade heute, am Tag der Liebe, hab ich Lust, meine Gedanken zu teilen. Ich folge dem Forum seit einer Weile und bin seit Kurzem auch Teil einer AB-Gruppe. In der Gruppe, dem Forum und in den wenigen Mediendarstellungen zu AB sehe ich immer wieder das Thema ”Selbstbewusstsein”, aber was ist das eigentlich? Selbstbewusstsein meint das Wissen über die eigene Person, Selbstwert dagegen die positive oder negative Bewertung des Wissens über uns. Diese Bewertung entsteht durch die Reaktion, die wir uns von den anderen vorstellen. Selbstwert kommt also nur indirekt aus uns selbst. Er ist geprägt durch Gesellschaft, Kultur, Erziehung. Deshalb sagt die kritische Sozialwissenschaft es gibt ihn nicht: Schließlich stammt er nicht aus uns "selbst", sondern wird sozial erst hergestellt.

Wenn wir von der Mehrheit der Gesellschaft also schief angeschaut, stigmatisiert, bemitleidet oder ignoriert werden, wenn wir Druck erfahren durch die immer wieder selben Fragen mit der Erwartung, dass wir in unserem Alter doch endlich in einer Beziehung sein müssten und etwas nicht mit uns stimmen kann, wenn wir es dauerhaft nicht sind, wie sollen wir da selbstbewusst sein? Wir werden durch soziale Mechanismen unterschätzt und abgestempelt, weil normative Beziehungen noch immer überschätzt werden. “Das Persönliche ist politisch”, sagte schon Kate Millett. Ich glaube wir sollten vielmehr auf die soziale Ursache des Problems aufmerksam machen, statt sie uns selbst mit unserem "Selbstwert" zuzuschreiben. Auch wenn wir parallel an eigenen Unsicherheiten zur eigenen Person arbeiten können - z. B. indem wir uns bewusst werden über unsere Lebenserfahrungen über die Zeit hinweg und über unsere Werte – ist es die Gesellschaft, von der wir einen Raum brauchen, das Verständnis, um gesunde Beziehungen aufzubauen, sei es zu uns selbst oder zu anderen, seien das Liebesbeziehungen oder nicht.

Hier können wir viel von der queer-feministischen Szene lernen: Auch Frauen wurde, mehr noch früher als heute, oft ein geringes Selbstbewusstsein diagnostiziert. Warum? Weil sie nicht wertgeschätzt wurden in einer männerdominierten Welt. Dafür mussten sie erst auf die Straße gehen und sich Respekt verschaffen. Lesben, Schule, Trans-, Inter- und nichtbinäre, aromantische oder asexuelle Menschen haben auch ähnliche Probleme. Die haben den ursprünglichen Sinn des Worts "queer", also "seltsam" im Englischen, bereits für sich umgedreht. Mit der Pride machen sie Öffentlichkeit aufmerksam auf die Unterdrückung und die Scham, die die Erwartung normierten Seins und normierter Beziehungen mit sich bringen.

Wieso schreiben wir nicht ein AB-Manifest, das die Öffentlichkeit über die Probleme unserer Situation aufklärt und sozial appelliert an Wertschätzung statt Mitleid, an Verständnis statt Druck? Warum schreiben wir nicht unsere Geschichten und Erfahrungen anonym auf und geben sie als Buch heraus? Warum suchen wir nicht Unterstüztung in der queeren Szene, um mehr Lärm zu machen? Aus Selbstliebe.

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Kolinatan
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Re: Aus Selbstliebe

Beitrag von Kolinatan »

Yamon hat geschrieben: 14 Feb 2024 17:10 Wieso schreiben wir nicht ein AB-Manifest, das die Öffentlichkeit über die Probleme unserer Situation aufklärt und sozial appelliert an Wertschätzung statt Mitleid, an Verständnis statt Druck?
Bei einer Gruppenarbeit ist es sicher schwerer, sich darauf zu einigen, was in einem solchen AB-Manifest stehen sollte, als wenn ein Mensch zunächst allein beginnt es aufzuschreiben. Die Bandbreite an Erfahrungen und Gründen sowie Vorstellungen für Lösungen dürften vielfältig sein. Hast Du Ideen, was Du in ein solches AB-Manifest schreiben möchtest?

Meine Perspektive, als ich noch AB war, war auf jeden Fall deutlich anders als heute. Ich hätte damals ganz andere Themen aufgeschrieben, als ich es heute machen würde. Bevor ich den Weg gegangen bin, hatte ich keine Vorstellung davon, was bei der Veränderung hilft und was eher nicht. Sicher gibt es bei der Partnersuche im Außen einiges zu optimieren und Glück und Zufall können wichtig sein, je nach eigener Vorstellung, wie die Welt funktioniere. Wie viel ich beeinflussen kann, indem ich mich mir und meinen Vorstellungen und Prägungen zuwende und mich damit auseinandersetze, war mir vor 15 Jahren unbekannt. Für mich liegt des Schlüssel für die eigene Veränderung darin, sich selbst zu verstehen und zu erkennen, dass meine Prägungen nicht Teil meiner Identität sind und damit veränderbar. Überhaupt finde ich es hilfreich zu wissen, dass Identität nichts feststehendes ist.

Damals wäre mein Wunsch gewesen, dass es mehr Räume gibt, in welchen sich Menschen offen begegnen können. Heute weiß ich, dass solche Räume helfen können, allerdings nur, wenn ich gelernt habe in Kontakt zu gehen. Die eigenen Traumen soweit zu verstehen und zu lösen, dass ich wieder in der Lage bin in Verbindung zu gehen, ist eine wichtige Voraussetzung, damit ich in der Lage bin Beziehungen einzugehen.
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Re: Aus Selbstliebe

Beitrag von Flötensolist »

Yamon hat geschrieben: 14 Feb 2024 17:10 ...
Ich denke das AB-Tum und die ABs sind sowohl biografisch als auch weltanschaulich viel zu heterogen, um daraus eine (weitere) linkswoke Opferideologie/Ohnmachtskult zu machen bzw. sie vor diesen ideologischen Karren zu spannen.
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Re: Aus Selbstliebe

Beitrag von Yamon »

Hallo zusammen, auf jeden Fall haben wir ganz verschiedene Biographien. Gerade deshalb halte ich es für wichtig, nicht immer wieder inidivualisierendes "Selbstbewusstsein" in den Vordergrund zu stellen. Offensichtlich ist es ja kein Problem einer einzelnen Person, sondern ein soziales. Kurzfristig mag ein Manifest nichts an der Beziehungslosigkeit ändern. Langfristig gibt ein offeneres Umfeld aber sicher mehr Raum, um sich auf Beziehungen konzentrieren zu können statt sich mit dem Druck von aussen auseinandersetzen zu müssen oder den Fehler allein bei sich zu suchen. Schwächen haben Menschen in Beziehungen auch. Natürlich bedarf es trotzdem einem Stück Arbeit an der eigenen Person darüber hinaus. Was die Weltanschauungen angeht: Je mehr Leute mitschreiben, desto mehr werden alle Sichtweisen verteten - falls jemand Lust hat, da etwas zu unternehmen.
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Re: Aus Selbstliebe

Beitrag von Flötensolist »

Meine Güte, was für ein inhaltsleeres Geschwafel ... :roll:
Natürlich sind AB-Tum und Beziehungslosigkeit hauptsächlich ein persönliches Problem, was denn sonst?
Klar kannst du dir gerne ein Opferschild umhängen und versuchen der bösen Gesellschaft die Schuld abzugeben, und fleißig die wildesten ideologisch-intellektuell verquasten Theorien darum spinnen. Wird halt nur absolut nix an deiner Situation ändern, und daran, dass es letzlich immer darum geht selbst die Verantwortung für sein Leben zu übernehmen.
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Kolinatan
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Re: Aus Selbstliebe

Beitrag von Kolinatan »

Flötensolist hat geschrieben: 16 Feb 2024 20:39 Meine Güte, was für ein inhaltsleeres Geschwafel ... :roll:
Natürlich sind AB-Tum und Beziehungslosigkeit hauptsächlich ein persönliches Problem, was denn sonst?
Klar kannst du dir gerne ein Opferschild umhängen und versuchen der bösen Gesellschaft die Schuld abzugeben, und fleißig die wildesten ideologisch-intellektuell verquasten Theorien darum spinnen. Wird halt nur absolut nix an deiner Situation ändern, und daran, dass es letzlich immer darum geht selbst die Verantwortung für sein Leben zu übernehmen.
Lieber Flötensolist, bitte verzichte auf abwertenden Äußerungen wie "inhaltsleeres Geschwafel". Wenn Du Deine Probleme dadurch angehen möchtest, indem Du Verantwortung für Dein Leben und Dein Handeln übernimmst, dann mach dies bitte. Dafür ist es nicht nötig abwertende Unterstellungen zu äußern und damit einen konstruktiven Austausch zu stören. Wenn Du ein Manifest nicht als sinnvoll erachtest, dann mach etwas anders. Niemand zwingt Dich, dass Du Dich einbringen musst.

Wenn andere Mitglieder gerne die gesellschaftlichen Probleme ansprechen und thematisieren möchten dann steht es ihren frei dies zu tun. Jeder beschäftigt sich mit den Themen, welche für ihn sinnvoll und wichtig sind. Aus meiner Sicht ist es ein gesellschaftliches Problem, dass es Menschen gibt, welche die Vorstellung haben, dass es zum Miteinander beitrüge, wenn sie die Äußerung anderer Menschen als "inhaltsleeres Geschwafel" abwerten.

Warum so viel Ablehnung - meine Interpretation Deines Betrags - von Deiner Seite? Wo folgst Du Deiner Erkenntnis die Verantwortung für Dein Leben zu übernehmen? Dazu gehört auch, die Verantwortung für Deine Empfindungen und Meinungen zu übernehmen. Wenn Du jeder Gesellschaftskritik gleich eine "Opferideologie" unterstellst, klingt es für mich so, als würdest Du Dich selbst als "Opfer" von Opferideologien stilisieren wollen. Dabei geht es bei Gesellschaftskritik nicht automatisch um Täter-Opfer-Beziehungen. Wenn Du eine Kritik in diese Weise bewerten willst und sofort in das Thema eine Schuldfrage einbaust, dann ist dies Deine Entscheidung. Warum ist Dir das Thema Schuld so wichtig? Grundsätzlich kann ein Problem als Ursache-Wirkungs-Beziehung dargestellt werden, um anschließend Menschen die Möglichkeit zu geben für ihr Handeln Verantwortung zu übernehmen. Also genau das, was Du selbst sagst, was Du willst: Menschen sollen Verantwortung für das eigene Leben übernehmen. Aus meiner Perspektive bedeutet die pauschale Ablehnung von Gesellschaftskritik, dass es darum geht die Folgen des eigenen Verhaltens nicht betrachten zu wollen und somit auch keine Verantwortung dafür zu übernehmen.

Liebe Grüße
Kolinatan
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RomeoKnight
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Re: Aus Selbstliebe

Beitrag von RomeoKnight »

Wie soll man über strukturelle Probleme reden, ohne dabei politisch zu werden ? Mich stört hier im Forum der Fokus auf den individualistischen Ansatz, an den ich auch viel zu lange geglaubt habe.
Levyn
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Re: Aus Selbstliebe

Beitrag von Levyn »

Yamon hat geschrieben: 14 Feb 2024 17:10 Selbstbewusstsein meint das Wissen über die eigene Person, Selbstwert dagegen die positive oder negative Bewertung des Wissens über uns. Diese Bewertung entsteht durch die Reaktion, die wir uns von den anderen vorstellen.
Darunter verstehe ich aber genau das Gegenteil von Selbstbewusstsein. Für mich besteht ein solides Selbstbewusstsein ja gerade dadurch, dass man sich nicht von den Reaktionen der anderen Menschen abhängig macht, sondern aus sich selbst heraus von seinen Stärken und Schwächen weiß und diese nicht als unveränderlich betrachtet.
Yamon hat geschrieben: 14 Feb 2024 17:10 Wenn wir von der Mehrheit der Gesellschaft also schief angeschaut, stigmatisiert, bemitleidet oder ignoriert werden, wenn wir Druck erfahren durch die immer wieder selben Fragen mit der Erwartung, dass wir in unserem Alter doch endlich in einer Beziehung sein müssten und etwas nicht mit uns stimmen kann, wenn wir es dauerhaft nicht sind, wie sollen wir da selbstbewusst sein?
Den Druck macht man sich, meiner Meinung nach, vor allem selbst. Die Menschen um mich herum juckt es nicht, wenn ich noch nie eine Beziehung hatte. Sie sind verwundert, weil das so gar nicht zu ihrer eigenen Lebensrealität passt, aber danach ist es ihnen auch ziemlich Schnuppe. Nur fühle ich mich dann schlecht, weil ich eine implizierte negative Interpretation unterstelle. Ich mache mir also ganz alleine den Druck, wenn ich mir vor Augen halte, dass ein Großteil der Menschen mit dem Thema Beziehungen stets etwas anfangen können, während es bei mir scheitert.
Yamon hat geschrieben: 14 Feb 2024 17:10 Hier können wir viel von der queer-feministischen Szene lernen: Auch Frauen wurde, mehr noch früher als heute, oft ein geringes Selbstbewusstsein diagnostiziert. Warum? Weil sie nicht wertgeschätzt wurden in einer männerdominierten Welt. Dafür mussten sie erst auf die Straße gehen und sich Respekt verschaffen.
Das wäre mir ja ein wenig zu pauschal ausgedrückt. Es gibt da bestimmt deutlich mehr Faktoren, die dazu beitragen.
Yamon hat geschrieben: 14 Feb 2024 17:10 Wieso schreiben wir nicht ein AB-Manifest, das die Öffentlichkeit über die Probleme unserer Situation aufklärt und sozial appelliert an Wertschätzung statt Mitleid, an Verständnis statt Druck?
Ich wüsste nicht wie man unseren Status "AB" wertschätzen könnte. Für mich ist das Wort Wertschätzung an eine gewisse "Leistung" geknüpft. Bei Verständnis gehe ich mit. Druck erfahre ich von Außen jetzt keinen. Der Druck, den ich verspüre, liegt ganz allein bei mir und daran haben andere keinen Anteil.
Wenn ich ein hohes Selbstbewusstsein hätte, würde ich mir denken "Ja, hat bisher noch nicht geklappt, aber ganz bestimmt klappt das in der Zukunft, wenn ich noch mehr versuche mich in Gruppen zu integrieren oder versuche auch optisch mehr aus mir herauszuholen".

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