Menelaos hat geschrieben: ↑11 Aug 2022 05:28
Zum Thema:
Ich sehe ein, dass die radikale Aussage "Man hat keinerlei Einfluss auf sein Gehalt." tatsächlich Unsinn ist, aber das macht die radikale Gegenaussage halt auch nicht richtig. Jeder Mensch kann Einfluss auf sein Gehalt nehmen, aber dennoch werden ein paar Menschen immer (nicht notwendigerweise die selben Menschen) im Billiglohnsektor feststecken, und sich von ihrem Gehalt kaum ein eigenes Leben finanzieren können.
Ich bin da ja bei dir, dass es nicht
ausnahmslos in jedem Fall (aus unterschiedlichsten Gründen) möglich ist, sich zu verbessern.
Aber wie viele (gesunde, halbwegs junge) Menschen sind hierzulande komplett diesem Schicksal ausgeliefert, ohne Möglichkeit etwas daran zu verändern? Man kann jede Diskussion mit krassen Ausnahmefällen abwürgen, denn es findet sich immer jemand, der trotz Millionen offener Stellen, einem historisch einmaligen Fachkräftemangel und trotz hunderter Bewerbungen aus irgendeinem Grund keinen Job findet, mit dem man wenigstens ein Leben auf Mittelschicht-Niveau führen kann.
Meiner Erfahrung nach - nur davon habe ich berichtet - liegt es aber häufig nicht an besagtem Schicksal, sondern daran, dass die Einen nochmal Mühe auf sich nehmen um sich für entsprechende Jobs qualifizieren, und die Anderen ihr niedriges Gehalt als unveränderlich hinnehmen.
Wir reden hier ja wirklich nur von Mittelschicht-Niveau, wo man ohne Probleme in der Lage ist ne Wohnung, Hobbys, Freizeitaktivitäten und einen normalen Urlaub im Jahr zu finanzieren.
Ich gebe ja zu, dass Diskussionen zu diesem Thema mit mir nicht einfach sind, vor allem wenn jemand eher "links" eingestellt ist. Aber ich glaube einfach aufgrund meiner Historie* stark an das Konzept der Eigenverantwortung und erlebe bei vielen Menschen häufiger diverse Ausreden, als dass da tatsächlich auch ganz objektiv Hopfen und Malz komplett verloren wäre.
*Unterschicht-Kind, aufgewachsen im armen Arbeiterhaushalt, musste mir immer alles selbst erkämpfen, mangels großer Taschengeld-Gaben meiner armen Eltern schon mit 14 angefangen mit Zeitungaustragen, Gartenarbeit & Co. für mein Einkommen zu sorgen, später ohne finanzielle Unterstützung studiert (als eines der wenigen Arbeiterkinder), viel Extra-Zeit in kontinuierliche Weiterbildung im anschließenden Beruf gesteckt, auch unbequeme Projekte übernommen, für jede Beförderung aktiv kämpfen müssen. Ich hätte es auch stets easy haben können und würde dann heute eben nur die Hälfte verdienen.
Auf dem Weg dahin (fing schon zu Schulzeiten an) sehr viele Menschen erlebt, die aus Bequemlichkeit stets die einfachen und widerstandsfreien Wege gegangen sind, teilweise gar bewusst äußerst schlechtbezahlte Berufe ergriffen haben und heute davon sprechen, dass sie ja "Pech" hatten und daran auch nichts mehr ändern können, obwohl noch 30 Erwerbsjahre bis zur Rente vor ihnen liegen. Die gleichen Menschen (wie gesagt: nur ein Ausschnitt aus meiner persönlichen Lebenswelt), rufen nun häufig nach "der Politik" oder schimpfen auf "den Chef" oder wen auch immer sie verantwortlich machen, nur hinterfragt sich selten mal jemand selbst, was er in der Vergangenheit eigenverantwortlich hätte anders machen können
oder was zukunftsgerichtet für Möglichkeiten da wären (die meisten sicherlich mit unbequemen Zusatzaufwand verbunden, auf die man auch keinen Bock hat).
Nach diversen Diskussionen mit bestimmten Menschen im erweiterten Umfeld in letzter Zeit (bei denen immer nur "das System" an allem Schuld ist), reagiere ich da mittlerweile wohl etwas strikt und allergisch... auch wenn ich durchaus wie gesagt anerkenne, dass es immer "Spezialfälle" gibt, denen tatsächlich stes unfassbares Pech widerfahren ist.
Insofern: Ein freundliches "Agree to Disagree."