Im bourdieuschen Vakuum

Alles zu Deiner persönlichen Situation, Deinen Erlebnissen und was Dir auf dem Herzen liegt als Absoluter Beginner.
Benutzeravatar
Hoppala
Meisterschreiberling
Beiträge: 6225
Registriert: 30 Nov 2014 16:56
Geschlecht: männlich
Wohnort: Die nördlichen Elblande

Re: Im bourdieuschen Vakuum

Beitrag von Hoppala »

Höhere Bildung wird von weniger Gebildeten als abwertend erlebt. Und entsprechend reagieren sie (oft).
Gegenmaßnahme ist meines Erachtens, deutlich zu machen, dass es sich um a) oft um formale Bildung handelt, und man die Erfahrungen eines jeden Lebens als Bildung ansieht; kurz: Respekt vor dem anderen Wissen und Denken zeigen. b) kann man seine formal höhere Bildung einsetzen, um bewusst verbal downzugraden (also nicht so <-- :-) ). Alles was sich mit Fach- und Fremdwörtern sagen lässt, lässt sich auch in einfacheren Worten darlegen. Kann auch eine spannende Lernerfahrung sein! (für beide Seiten übrigens; denn das Märchen "kannst du es nicht kurz sagen hast du keine Ahnung" ist weit verbreitet) c) Problematisch ist, wenn man aus seiner Bildung nicht nur Wissen etc. mitgenommen hat, sondern auch Methodik, sich Wissen anzueignen, zu analysieren etc. (für manchen ist schon die Tagesschau ein anspruchsvolles Bildungsprogramm; der Gedanke mal ein Buch zu lesen, geradezu absurd; das sorgt für ein zunehmendes Gefälle auf bestimmten Gebieten; aber eben nur auf bestimmten; und wie wichtig man die nimmt, kann man sich ja überlegen). "Denkmodelle". Schon dieses Wort wird manchen weniger Gebildeten zu dem Gedanken "so ein arroganter Schnösel" verleiten ... Aber auch hier hilft, auf verständlicher Ebene zu erklären: dass es sich um Werkzeuge handelt, die helfen, mit Wissen umzugehen. Zum Beispiel, um Autos zu konstruieren. Ganz praktische Sache. Nicht "was Besseres".

Und wie immer: Sofern keine Bereitschaft besteht den andern zu verstehen und mit seinen Lebenserfahrungen zu respektieren, geht eh nix.

Ich bin im Laufe meines bisherigen Lebens iommer wieder in Umfelder geraten, wo ich der "Eierkopf" war. Das hat sich mit diesem Vorgehen immer recht schnell auf ein "hat komische Sachen im Kopp, ist aber ganz in Orndung" geändert. Gegenseitiger Respekt für die Lebenswelten des Gegenübers hilft. Sowie: derjenige, der sich in der "herausgehobenen" Positiion sieht, muss sich "runterfahren"; ohne dabei was zu schauspielern; sondern indem man den (hoffentlich tatsächlich vorhandenen) Bildungsvorsprung für Annäheruing nutzt.
(Kontrolliert) leidenschaftlich für (nicht: gegen) was (auch: MEnschen) sein, hilft m. E. auch.

Wenn man das nicht will (oder kann), bleibt halt wirklich nur, das Umfeld zu verlassen.
Nutzungsregeln: Mediale Äußerungen von Menschen ersetzen keine Begegungen. Was du hier schreibst, bist nicht du. Was ich hier schreibe, bezieht sich nicht auf dich. Nur auf deinen Beitrag. Ich schreibe meine Meinung, deren Bedeutung in deinem eigenen Ermessen liegt. Vergiss, was dir nichts nützt.
Benutzeravatar
Wusel
Kennt sich hier gut aus
Beiträge: 177
Registriert: 25 Feb 2016 19:35
Geschlecht: männlich
AB-Status: Softcore AB
Ich bin ...: unfassbar.

Re: Im bourdieuschen Vakuum

Beitrag von Wusel »

Tania hat geschrieben: 07 Jul 2022 11:16

Einerseits erfolgreiches Studium, jahrelang in der Forschung gearbeitet, Auslandsjob, Institutsleitung, universitäre Lehre - andererseits ein Lebensstil, den man durchaus mit Mutter Flodder (ohne die Kippen) vergleichen könnte. Die Karriere hab ich schon vor 10 Jahren an den Nagel gehängt und verdiene mein Geld jetzt im Wesentlichen mit Bau- und Putzarbeiten.
Ok. :shock:


Wusel hingegen scheint mit seinem Leben zwischen den Milieus unzufrieden. Und da gibt es im Wesentlichen nur 2 Lösungen: entweder Hirn wegsaufen und in Milieu A glücklich werden, oder aber Milieu A verlassen und im Milieu B leben
.
Gibt es denn nur Milieu A und B ? Leben wir wirklich in einer schwarz/weiß Welt mit wenig grau dazwischen? Saufen oder Credit points sammeln? :?
Also z.B. studieren - einfach um im akademischen Umfeld Erfahrungen zu sammeln und sich an den Lebensstil anzupassen. Denn im Moment, rein vom Lesen her, scheint er zu keinem der Bereiche zu gehören. Z.B. dieses exzessive Verwenden von Fremdwörtern ist im akademischen Bereich eher unüblich (außer auf Fachkonferenzen), und im Niedriglohnsektor eher ein bewusstes Statement "Ich gehöre nicht hierher".
Die 2-3 Fremdwörter, die ich hier in den Posts verwendet habe, reichen aber nicht, mir exzessives Verwenden derer vorzuwerfen. Außerdem befinde ich mich hier im Forum und nicht im Niedriglohnsektor und müsst meinen mich damit irgendwie darzustellen
Benutzeravatar
Sternenwanderer
Gern gesehener Gast
Beiträge: 654
Registriert: 28 Okt 2021 23:59

Re: Im bourdieuschen Vakuum

Beitrag von Sternenwanderer »

Wusel hat geschrieben: 07 Jul 2022 15:16 Gibt es denn nur Milieu A und B ? Leben wir wirklich in einer schwarz/weiß Welt mit wenig grau dazwischen? Saufen oder Credit points sammeln? :?
Ich habe in den letzten Jahren immer wieder gelesen das es kaum noch zu Beziehungen/Heiraten zwischen den Milieus und Schichten kommt. Sprich wenn du eine schlaue Akademikerin haben möchtest wäre am besten selbst zu studieren, oder du hast sehr viel Glück.
Life can only be understood backwards, but it must be lived forwards - Søren Kierkegaard
Benutzeravatar
Tania
Eins mit dem Forum
Beiträge: 14413
Registriert: 12 Mai 2016 13:43
Geschlecht: weiblich
AB-Status: mit AB befreundet
Ich bin ...: unfassbar.
Wohnort: Rostock

Re: Im bourdieuschen Vakuum

Beitrag von Tania »

Wusel hat geschrieben: 07 Jul 2022 15:16 Gibt es denn nur Milieu A und B ? Leben wir wirklich in einer schwarz/weiß Welt mit wenig grau dazwischen? Saufen oder Credit points sammeln? :?
Du schriebst selbst von einem Vakuum. Ist es nicht völlig egal, ob sich das Vakuum zwischen A und B oder zwischen einem Haufen von Graustufen befindet?
Die 2-3 Fremdwörter, die ich hier in den Posts verwendet habe, reichen aber nicht, mir exzessives Verwenden derer vorzuwerfen. Außerdem befinde ich mich hier im Forum und nicht im Niedriglohnsektor und müsst meinen mich damit irgendwie darzustellen
Naja, ein paar mehr Wörter, die nicht zum allgemeinen Wortschatz von Otto Normalverbraucher gehören, waren es schon.

Hier im Forum sind übrigens vergleichsweise viele Akademiker unterwegs. Da wäre es eher ein Bemühen, Zugehörigkeit zu demonstrieren - aber das auf eine Art, die das Bemühen als solches erkennbar werden lässt.

Allerdings triggert Dein Sprachstil bei mir auch konkrete Erinnerungen, also liege ich mit meiner Einschätzung vielleicht völlig daneben und projiziere nur. In meinem Lieblingsstudentenclub gab es so einen süßen Jungen ... Absolut nicht dumm, aber aus sehr bildungsfernem Elternhaus, die ihn nach der 8. Klasse aus der Schule genommen und als Eisenflechter auf den Bau geschickt haben. Er hat mich dann irgendwann zu einem Waldspaziergang eingeladen, mit den Worten "Ich bin halt ein kleiner Arboretiker". Ich "Ein WAS?" Dann hat er mir den Begriff erklärt - zusammen mit einem "Hab ich extra nachgeschlagen und gelernt, damit ich Dich beeindrucken kann." Fand ich irgendwie traurig, dass er geglaubt hat, dass das nötig war ....
Zukünftig hauptsächlich im https://www.ab-forum.de zu finden.
Benutzeravatar
Galip
Kommt an keinem Thema vorbei
Beiträge: 284
Registriert: 29 Mär 2016 22:45
Geschlecht: männlich
Wohnort: München

Re: Im bourdieuschen Vakuum

Beitrag von Galip »

Tania hat geschrieben: 07 Jul 2022 11:16 Z.B. dieses exzessive Verwenden von Fremdwörtern ist im akademischen Bereich eher unüblich (außer auf Fachkonferenzen), und im Niedriglohnsektor eher ein bewusstes Statement "Ich gehöre nicht hierher".
Ich tendiere auch dazu, mich eher umständlich auszudrücken. Ich glaube, das liegt einfach daran, dass mir die Übung in Sachen Koversation fehlt. Meine Vermutung wäre daher, dass Wusel sich nicht bewusst durch Verwendung von Sprache abgrenzen will, sondern eher, dass seine Sprache ein Ergebnis seiner Abgrenzung (oder erfahrenen Ausgrenzung) ist. Wobei es natürlich zu Wechselwirkungen kommen kann.
Tania hat geschrieben: 07 Jul 2022 15:55
Die 2-3 Fremdwörter, die ich hier in den Posts verwendet habe, reichen aber nicht, mir exzessives Verwenden derer vorzuwerfen. Außerdem befinde ich mich hier im Forum und nicht im Niedriglohnsektor und müsst meinen mich damit irgendwie darzustellen
Naja, ein paar mehr Wörter, die nicht zum allgemeinen Wortschatz von Otto Normalverbraucher gehören, waren es schon.

Hier im Forum sind übrigens vergleichsweise viele Akademiker unterwegs. Da wäre es eher ein Bemühen, Zugehörigkeit zu demonstrieren - aber das auf eine Art, die das Bemühen als solches erkennbar werden lässt.
Mir war eine exzessive Verwendung von Fremdwörtern bisher gar nicht aufgefallen. Ich habe den Thread nochmal gelesen. Der Titel des Threads, ok - den versteht vermutlich nicht jeder sofort auf Anhieb. Ansonsten fand ich "diffus dummen Hedonismus" schwierig - unter einem diffusen Hedonismus kann ich mir nichts vorstellen. "Kontrahaltung bezüglich Statusdenken" würde vermutlich auch nicht unbedingt so sagen, finde es aber durchaus verständlich. Mehr ist mir jetzt auch beim zweiten Durchlesen nicht aufgefallen.

Ich glaube, es sind nicht so sehr die Fremdwörter, sondern eher die Satzkonstruktionen oder bestimmte Wendungen, die vielleicht ein bisschen gekünstelt wirken. Der Satz "Gleichwohl scheine ich oft mit Frauen auf meiner beruflichen Ebene nicht gut zu harmonieren" beinhaltet ja keine ungebräuchlichen Fremdwörter. Es ist eher das "gleichwohl", das diesen Satz in meinen Ohren ein bisschen seltsam klingen lässt.

Ich habe mir das deshalb ein bisschen angeschaut, weil ich selbst auch so ein Kandidat bin, mich ungelenk oder verschwurbelt auszudrücken. Bei mir ist das keine absichtliche Verkomplizierung (sorry :oops:), sondern einfach das Ergebnis meiner Suche nach Worten. Ein Versuch, mich auszudrücken, wenn man so will. Und das fällt mir schon schwer bei Themen, über die ich sonst nicht so oft rede im Alltag. Meine Semmeln beim Bäcker zu bestellen, schaffe ich auch ohne Fremdwörter.
Benutzeravatar
Wusel
Kennt sich hier gut aus
Beiträge: 177
Registriert: 25 Feb 2016 19:35
Geschlecht: männlich
AB-Status: Softcore AB
Ich bin ...: unfassbar.

Re: Im bourdieuschen Vakuum

Beitrag von Wusel »

Ich werde vermutlich demnächst öfter im Forum dieses oder jenes schreiben.
Vor einigen Jahren war ich hier deutlich aktiver und das gebe ich zu, ich merke auch, das ich damit hadere, mich an der ein oder anderen Stelle gut auszudrücken.
Ich bin tatsächlich irgendwie aus der Übung und es fiel mir tatsächlich früher auch etwas einfacher.
Um es aber nochmal klar zu stellen: Fremdwörter nutze ich bestimmt nicht wegen ihrer Selbstwillen, sondern nur, wenn ich das Gefühl habe, dass sie sich am besten dafür eignen, um das zu umschreiben was ich vermitteln möchte. :brille1: