Deutschland im "Akademisierungswahn"?

Dein Thema passt in keines der anderen Freizeit-Foren? Kein Problem, schreib es einfach in diesen Bereich.
ERSTER BEITRAG DES THEMAS
Benutzeravatar
uhu72
Keiner schreibt schneller
Beiträge: 2232
Registriert: 26 Okt 2007 20:03
Geschlecht: männlich
AB-Status: AB
Ich bin ...: nur an Frauen interessiert.
Wohnort: 7xxxx

Deutschland im "Akademisierungswahn"?

Beitrag von uhu72 »

Es gibt für jeden Topf einen passenden Deckel. Aber es gibt nicht genug passende Deckel für alle Töpfe!

ERSTER BEITRAG DES THEMAS
Wusel

Re: Deutschland im "Akademisierungswahn"?

Beitrag von Wusel »

Das sehe ich schon lange kommen.
Das Problem sehe ich hauptsächlich darin, dass viele Studiengänge nur lose bezug zum Arbeitsmarkt haben und schlichtweg nutzlose (im marktwirtschlichen Sinn) Abschlüsse sind.
Benutzeravatar
Versingled
Meisterschreiberling
Beiträge: 6394
Registriert: 18 Jan 2015 11:37
Geschlecht: männlich
AB-Status: AB
Ich bin ...: unfassbar.
Wohnort: 48°43'31.23"N, 9°11'38.61"E, 436m über NN + 12 Etagen

Re: Deutschland im "Akademisierungswahn"?

Beitrag von Versingled »

Warum in die berufliche Ausbildung investieren, wenn jegliche Tätigkeit die die Hand am Arm benötigt nach China, Indien oder was weiß ich was nächstes Jahr dann hip ist exportiert wird? Wird ja nur gemacht, um "näher an den Märkten zu sein"!

Wenn dann irgendwann mal die Raumpflegekraft in der Firma Abi und Studium braucht, tja dann wird auch die Arbeitgeberseite merken, dass es nicht zielführend ist die Putzfrau extra aus China, Indien oder was weiß ich was nächstes Jahr dann hip ist eingeflogen werden muss.

Just my 2 cents ... :fluchen:
Zukünftig hauptsächlich im https://www.ab-forum.de zu finden.
Benutzeravatar
Le Chiffre Zéro
Keiner schreibt schneller
Beiträge: 2601
Registriert: 10 Sep 2008 10:18
Geschlecht: männlich
AB-Status: AB
Ich bin ...: unfassbar.
Wohnort: Hamburg, Hansestadt, Freie und

Re: Deutschland im "Akademisierungswahn"?

Beitrag von Le Chiffre Zéro »

Das suggerieren einem die Massenmedien doch schon seit Ewigkeiten, daß nur studierte Menschen wirklich etwas wert sind. Siehe einschlägige Seifenopern. Oder überhaupt Charaktere in deutschen TV-Produktionen, die keine Reality-Soap-Formate sind, sondern tatsächlich zugeben, Fiktion zu sein. Unstudierte sind da entweder kleine Schurken oder überflüssige Nebencharaktere, die obendrein leichte Opfer sind, weil entbehrlich, und weil sie niemand vermissen wird. Protagonisten sind fast immer studiert.

Somit gilt man in Deutschland oft als Mensch 3. Klasse, wenn man keinen Studienabschluß hat.

Hinzu kommt, daß gerade in Deutschland einige glauben, daß Studium und Intelligenz direkt korrelieren; will sagen, wer nicht studiert hat, ist automatisch dumm. Das dürfte einer der Gründe sein, warum in Singlebörsen etliche Frauen explizit einen Mann mit abgeschlossenem Studium suchen: Sie wollen einen intelligenten Mann und glauben, ein Studium steigere den IQ um 20 Punkte oder so. (Ich weiß, daß es dann auch noch die Goldgräberinnen gibt, die auf Männer mit hochdotierten Jobs aus sind...)
Versingled hat geschrieben:Warum in die berufliche Ausbildung investieren, wenn jegliche Tätigkeit die die Hand am Arm benötigt nach China, Indien oder was weiß ich was nächstes Jahr dann hip ist exportiert wird? Wird ja nur gemacht, um "näher an den Märkten zu sein"!
Es gibt auch genügend Berufe mit Studium, die mittlerweile "nach offshore outgesourcet" werden, etwa im Engineering. Wenn es danach ginge, würden sich nur noch sehr wenige Studiengänge lohnen, etwa BWL, VWL, Jura und Medizin, also die ganz Hochwertigen.
← Das da sind keine Klaviertasten. Es sind Synthesizertasten. Doch, da gibt es Unterschiede.

Ich kann es euch erklären. Ich kann es aber nicht für euch verstehen. Das müßt ihr schon selbst tun.

INTJ nach Myers-Briggs
zebulon

Re: Deutschland im "Akademisierungswahn"?

Beitrag von zebulon »

Was mir an Akademikern immer wieder mal auffällt ist eine gewisse Überlegenheitsattitüde.

Dabei sind wir anderen aus den unteren Rängen auch nicht auf der Nudelsuppe daher geschwommen.

Zurück zum Thema: Viele Arbeiten und Leistungen lassen sich ins Ausland verlagern (oder soll ich mein Wohnzimmer in ein Kuvert stecken und nach China schicken, damit man mir da den Boden laminiert?). Dort wo Maschinen und Anlagen betrieben werden, werden auch Leute gebraucht, die diese in Betrieb halten, einstellen und warten.

Darüber hinaus gibt es auch viele Hochtechnologiebereiche, die man auch nicht so einfach verlagern möchte.
Benutzeravatar
Mannanna
Keiner schreibt schneller
Beiträge: 5093
Registriert: 16 Jun 2013 05:37
Geschlecht: männlich
AB-Status: AB
Ich bin ...: unfassbar.
Wohnort: im Moment Europa

Re: Deutschland im "Akademisierungswahn"?

Beitrag von Mannanna »

zebulon hat geschrieben: Darüber hinaus gibt es auch viele Hochtechnologiebereiche, die man auch nicht so einfach verlagern möchte.
Für den Hochtechnologiebereich braucht man i.d.R. einen Studienabschluß...
Nichts auf der Welt ist so gerecht verteilt wie der Verstand. Denn jedermann ist überzeugt, daß er genug davon habe. (Descartes)

"Man will immer, was man nicht hat, und wenn man's hat, ist's langweilig" (Rainald Grebe, "Krümel")
Benutzeravatar
BartS
Meisterschreiberling
Beiträge: 6588
Registriert: 10 Jun 2008 18:17
Geschlecht: männlich
AB-Status: AB Vergangenheit
Ich bin ...: nur an Frauen interessiert.
Ich suche hier ...: nur Austausch.
Wohnort: Stuttgarter Raum

Re: Deutschland im "Akademisierungswahn"?

Beitrag von BartS »

Ehrlich gesagt kann ich den Ausdruck vom "Akademisierungswahn" nicht nachvollziehen. Vor allem dann nicht, wenn man mal über den Tellerrand hinaus schaut. In vielen benachbarten Ländern ist der Anteil derjenigen, die ein Abitur und Studienabschluss haben, höher als in Deutschland. Warum soll das hierzulande nicht möglich sein? Bildung sollte doch unser primärer Rohstoff sein. Was ich eher erschreckend finde ist, dass Eltern, die selbst kein Abitur gemacht haben, ihren Kindern ebenfalls abraten, eines zu machen, obwohl sie es drauf haben.

Es geht auch nicht darum, dass Akademiker die besseren Menschen sind. Wer sowas immer wieder sagt, sollte mal nachdenken, ob er nicht ein geringes Selbstwertgefühl in sich trägt. Es geht um berufliche Möglichkeiten und Perspektiven, die man sich mit einem Studium schafft. Und es geht auch darum, dass man als Student (wenn man es wirklich durchzieht) nicht den "leichteren" Weg des schnellen Geldverdienen wählt und seinem Wissensdrang nachgeht, was auch Teil der eigenen Persönlichkeitsentwicklung darstellt. Berufsausbildung wird es auch in der Zukunft geben, aber es zeichnet sich ab, dass die beruflichen Ansprüche immer mehr steigen, so dass selbst diese Ausbildungen zu einem halben Studium werden. Des Weiteren gibt es nennenswerte Vermischungen im Ausbildungsweg, die Beruf und Studium verbinden, wie beispielsweise das duale Studium.
"Liebe ist, dass man sich so lange gehen lässt, bis man nicht mehr gehen kann."
(Hazel Brugger)
Sorcier Vaudou

Re: Deutschland im "Akademisierungswahn"?

Beitrag von Sorcier Vaudou »

Mannanna hat geschrieben:
zebulon hat geschrieben: Darüber hinaus gibt es auch viele Hochtechnologiebereiche, die man auch nicht so einfach verlagern möchte.
Für den Hochtechnologiebereich braucht man i.d.R. einen Studienabschluß...
Ja, aber gerade auch im Hochtechnologiebereich brauchen die Akademiker hoch qualifizierte Techniker und Handwerker, die ihnen in der benötigten Qualität zuarbeiten können.
Rostowski

Re: Deutschland im "Akademisierungswahn"?

Beitrag von Rostowski »

Le Chiffre Zéro hat geschrieben: Es gibt auch genügend Berufe mit Studium, die mittlerweile "nach offshore outgesourcet" werden, etwa im Engineering. Wenn es danach ginge, würden sich nur noch sehr wenige Studiengänge lohnen, etwa BWL, VWL, Jura und Medizin, also die ganz Hochwertigen.
Lol, wie bitte? :D BWL und Jura hochwertig? Das sind zwei der am meisten überlaufenden Studiengänge überhaupt, weil es jeden Möchtegern, der glaubt das schnelle große Geld damit absahnen zu können, dorthin zieht.
Benutzeravatar
Le Chiffre Zéro
Keiner schreibt schneller
Beiträge: 2601
Registriert: 10 Sep 2008 10:18
Geschlecht: männlich
AB-Status: AB
Ich bin ...: unfassbar.
Wohnort: Hamburg, Hansestadt, Freie und

Re: Deutschland im "Akademisierungswahn"?

Beitrag von Le Chiffre Zéro »

Studierte, z. B. Ingenieure, findet man auch offshore. Die müssen da auch keinen in Deutschland anerkannten Studienabschluß haben, es genügt einer, der im Heimatland anerkannt ist.

Es ist aber gefährlich, Engineering und Hightech in gewisse Länder zu verlagern. Das Paradebeispiel ist China, das Outsourcing-Land überhaupt, aber gleichzeitig der amtierende Meister im schamlosen Kopieren westlicher Konstruktionen und Designs, weil typisch westliches Markenrecht in China nicht existiert und somit auch jeglicher Versuch einer Markenrechtsklage auf chinesischem Boden aussichtslos ist.

Airbus hat viel nach China outgesourcet und Chinesen per Green Card nach Deutschland geholt. Ergebnis: Der erste chinesische Großraum-Passagierjet ist ein Klon des A320, und eine Endmontagelinie der Airbus-Single-Aisle-Maschinen ist in China zweimal vorhanden – einmal speziell von Airbus (und Zulieferern) für Airbus entwickelt, einmal ein abgekupferter 1:1-Nachbau der Endmontagelinie in Finkenwerder für den chinesischen Airbus-Klon.

In Indien wiederum gibt es regelrechte Engineering-Sweatshops. Die haben Teams in dreistelliger Mannstärke, die nicht nur erheblich billiger, sondern auch erheblich schneller sind als entsprechende europäische Entwicklungsteams. Aber die Qualität ist immer noch stark schwankend und nicht immer zufriedenstellend. Da wird dann hierzulande nur noch das grobe Konzept gemacht, detailliert wird in Indien, und entweder geht das Geld, das man in Indien gespart hat, mit Aufschlag wieder drauf, um den indischen Pfusch geradezubiegen (die 200 Leute, die das bearbeitet haben, waren alle neu im Thema, und für Einarbeitung war keine Zeit, aber da fragt man selten, wer das jetzt bearbeitet, sondern man zählt nur Köpfe), oder dafür steht das Budget nicht zur Verfügung, und unkontrollierte Fehlkonstruktionen landen in der Fertigung.

Studierte Fachkräfte findet man in vielen Ländern. Was man aber nur hierzulande findet, ist die typisch preußische Akribie und Gründlichkeit, für die wir weltweit bewundert werden, und an deren Stelle in anderen Ländern ein "Was soll's, paßt schon" tritt. Deshalb sind deutsche Fachkräfte im Ausland beliebt – die Schweiz einmal ausgenommen. Umgekehrt sind ausländische Fachkräfte mit Green Card in Deutschland beliebt, weil sie doppelt billig sind: Sie kosten weniger Gehalt, und niemand in Deutschland muß ihren Werdegang finanzieren.
Rostowski hat geschrieben:
Le Chiffre Zéro hat geschrieben: Es gibt auch genügend Berufe mit Studium, die mittlerweile "nach offshore outgesourcet" werden, etwa im Engineering. Wenn es danach ginge, würden sich nur noch sehr wenige Studiengänge lohnen, etwa BWL, VWL, Jura und Medizin, also die ganz Hochwertigen.
Lol, wie bitte? :D BWL und Jura hochwertig? Das sind zwei der am meisten überlaufenden Studiengänge überhaupt, weil es jeden Möchtegern, der glaubt das schnelle große Geld damit absahnen zu können, dorthin zieht.
Genau das. Die Fraktionen, die schon als Erstis im englischen Maßanzug und von Papi finanzierten BMW oder 911er Porsche vorfahren und sich aufführen wie Götter. Natürlich sind das auch die, an deren beruflichen Stühlen nachher fast nie jemand sägt, außer es ist ein Widersacher aus den eigenen Reihen.
← Das da sind keine Klaviertasten. Es sind Synthesizertasten. Doch, da gibt es Unterschiede.

Ich kann es euch erklären. Ich kann es aber nicht für euch verstehen. Das müßt ihr schon selbst tun.

INTJ nach Myers-Briggs
Benutzeravatar
Mannanna
Keiner schreibt schneller
Beiträge: 5093
Registriert: 16 Jun 2013 05:37
Geschlecht: männlich
AB-Status: AB
Ich bin ...: unfassbar.
Wohnort: im Moment Europa

Re: Deutschland im "Akademisierungswahn"?

Beitrag von Mannanna »

Le Chiffre Zéro hat geschrieben: Airbus hat viel nach China outgesourcet und Chinesen per Green Card nach Deutschland geholt. Ergebnis: Der erste chinesische Großraum-Passagierjet ist ein Klon des A320, und eine Endmontagelinie der Airbus-Single-Aisle-Maschinen ist in China zweimal vorhanden – einmal speziell von Airbus (und Zulieferern) für Airbus entwickelt, einmal ein abgekupferter 1:1-Nachbau der Endmontagelinie in Finkenwerder für den chinesischen Airbus-Klon.
Wie mit dem Transrapid: Da hatten die Chinesen auch eine "Eigenentwicklung", kaum das sie den aus Deutschland gekauft hatten.
Allerdings haben sie auch die gleichen Probleme: Keiner will das Dingens haben.


Le Chiffre Zéro hat geschrieben:
Genau das. Die Fraktionen, die schon als Erstis im englischen Maßanzug und von Papi finanzierten BMW oder 911er Porsche vorfahren und sich aufführen wie Götter. Natürlich sind das auch die, an deren beruflichen Stühlen nachher fast nie jemand sägt, außer es ist ein Widersacher aus den eigenen Reihen.
Wenn Papi den BMW oder Porsche finanziert, hat er meistens auch die Beziehungen, nach dem Studium für den richtigen Einstiegs-Job zu sorgen.
Nichts auf der Welt ist so gerecht verteilt wie der Verstand. Denn jedermann ist überzeugt, daß er genug davon habe. (Descartes)

"Man will immer, was man nicht hat, und wenn man's hat, ist's langweilig" (Rainald Grebe, "Krümel")
Benutzeravatar
Le Chiffre Zéro
Keiner schreibt schneller
Beiträge: 2601
Registriert: 10 Sep 2008 10:18
Geschlecht: männlich
AB-Status: AB
Ich bin ...: unfassbar.
Wohnort: Hamburg, Hansestadt, Freie und

Re: Deutschland im "Akademisierungswahn"?

Beitrag von Le Chiffre Zéro »

Mannanna hat geschrieben:
Le Chiffre Zéro hat geschrieben: Airbus hat viel nach China outgesourcet und Chinesen per Green Card nach Deutschland geholt. Ergebnis: Der erste chinesische Großraum-Passagierjet ist ein Klon des A320, und eine Endmontagelinie der Airbus-Single-Aisle-Maschinen ist in China zweimal vorhanden – einmal speziell von Airbus (und Zulieferern) für Airbus entwickelt, einmal ein abgekupferter 1:1-Nachbau der Endmontagelinie in Finkenwerder für den chinesischen Airbus-Klon.
Wie mit dem Transrapid: Da hatten die Chinesen auch eine "Eigenentwicklung", kaum das sie den aus Deutschland gekauft hatten.
Allerdings haben sie auch die gleichen Probleme: Keiner will das Dingens haben.
Zumindest haben sie ihn als einzige im Plandienst. Und nicht nur auf einer kurzen Strecke zum Flughafen in zehn Minuten, weil das ja klar ist, sondern im Fernverkehr, für den er eigentlich gedacht war.

Und wer bisher das deutsche Original nicht wollte, wird erst recht nicht den China-Klon kaufen.
Mannanna hat geschrieben:
Le Chiffre Zéro hat geschrieben:
Genau das. Die Fraktionen, die schon als Erstis im englischen Maßanzug und von Papi finanzierten BMW oder 911er Porsche vorfahren und sich aufführen wie Götter. Natürlich sind das auch die, an deren beruflichen Stühlen nachher fast nie jemand sägt, außer es ist ein Widersacher aus den eigenen Reihen.
Wenn Papi den BMW oder Porsche finanziert, hat er meistens auch die Beziehungen, nach dem Studium für den richtigen Einstiegs-Job zu sorgen.
Das versteht sich doch von selbst.

Und wenn's sein muß, dazwischen auch dafür, daß der Nachwuchs seinen Abschluß magna cum laude bekommt. Zur Not wird das Fehlen von Quellenangaben gleich mit vertuscht.
← Das da sind keine Klaviertasten. Es sind Synthesizertasten. Doch, da gibt es Unterschiede.

Ich kann es euch erklären. Ich kann es aber nicht für euch verstehen. Das müßt ihr schon selbst tun.

INTJ nach Myers-Briggs
Finchen

Re: Deutschland im "Akademisierungswahn"?

Beitrag von Finchen »

BartS hat geschrieben:Und es geht auch darum, dass man als Student (wenn man es wirklich durchzieht) nicht den "leichteren" Weg des schnellen Geldverdienen wählt und seinem Wissensdrang nachgeht, was auch Teil der eigenen Persönlichkeitsentwicklung darstellt.
Du romantisierst. Geschätzte 85 Prozent der mir bekannten Studenten müssen für das Studium auf nichts verzichten. Die lassen sich Ihr schnelles Geld nur von Papi überweisen, statt dafür zu arbeiten. Und die studieren auch nicht, um ihrem Wissensdrang nachzugeben, sondern um später mal ordentlich Asche einstreichen zu können. (Oder allerhöchstens noch, weil ihnen nichts anderes einfällt und man das in den Kreisen, aus denen sie stammen, halt so macht mit dem Studium.) Und das beschränkt sich keineswegs auf die bekannten und bereits genannten Karrierefächer, das geht quer durch die gesamte Uni. Wen findest Du dort? Doch keine Wissensdurstigen, Begabten. Sondern Kinder wohl situierter Eltern mit akademischen Hintergrund. Persönlichkeitsbildung durch Studium? Sehe ich unter diesen Voraussetzungen eher nicht.
Benutzeravatar
BartS
Meisterschreiberling
Beiträge: 6588
Registriert: 10 Jun 2008 18:17
Geschlecht: männlich
AB-Status: AB Vergangenheit
Ich bin ...: nur an Frauen interessiert.
Ich suche hier ...: nur Austausch.
Wohnort: Stuttgarter Raum

Re: Deutschland im "Akademisierungswahn"?

Beitrag von BartS »

Finchen hat geschrieben:
BartS hat geschrieben:Und es geht auch darum, dass man als Student (wenn man es wirklich durchzieht) nicht den "leichteren" Weg des schnellen Geldverdienen wählt und seinem Wissensdrang nachgeht, was auch Teil der eigenen Persönlichkeitsentwicklung darstellt.
Du romantisierst.
Jetzt musste ich gerade gucken, ob es um Liebeskummer, Paarbeziehungen oder Berufswege ging. War mir nicht mehr ganz sicher. ;)
Finchen hat geschrieben:Geschätzte 85 Prozent der mir bekannten Studenten müssen für das Studium auf nichts verzichten. Die lassen sich Ihr schnelles Geld nur von Papi überweisen, statt dafür zu arbeiten.
Naja, auf Studentenniveau zu leben (materiell) ist nochmal was anderes, als wenn jemand sein erstes Gehalt nach der Lehre bekommt. Das Studentenleben mag noch recht preiswert sein, weil Dinge wie Krankenversicherungen noch nicht aus eigener Tasche zu zahlen sind oder man teilweise noch Kindergeld bekommt. Der BAföG-Höchstsatz liegt glaube ich momentan bei ca. 600 Euro. Das niedrigste Grundgehalt in der Metallindustrie liegt bei ca. 2.200 Euro brutto. Weiß nicht, wie viel das genau netto ist, ich schätze mal so ungefähr 1.400 Euro.
Finchen hat geschrieben:Und die studieren auch nicht, um ihrem Wissensdrang nachzugeben, sondern um später mal ordentlich Asche einstreichen zu können. (Oder allerhöchstens noch, weil ihnen nichts anderes einfällt und man das in den Kreisen, aus denen sie stammen, halt so macht mit dem Studium.)
Ich glaube nicht, dass man das so pauschalisieren kann. Nicht jedes Studienfach führt beim Job zu "ordentlich Asche". Und nicht jeder hat einfallslos genau das studiert, was sein Umfeld studiert hat.
Finchen hat geschrieben:Und das beschränkt sich keineswegs auf die bekannten und bereits genannten Karrierefächer, das geht quer durch die gesamte Uni. Wen findest Du dort? Doch keine Wissensdurstigen, Begabten. Sondern Kinder wohl situierter Eltern mit akademischen Hintergrund.
Da sehe ich erstmal keinen Widerspruch. Ich gebe zu, dass Wissensdurst und Persönlichkeitsentwicklung Ideale im Studium sind und nicht für jeden mag das eine Rolle gespielt haben. Ich würde mich aber dafür hüten, ganze Absolventenjahrgänge oder Fachrichtungen pauschal einem sozialen Milieu zuzurechnen oder ihnen jeglichen Wissensdrang abzusprechen.
"Liebe ist, dass man sich so lange gehen lässt, bis man nicht mehr gehen kann."
(Hazel Brugger)
Stefan73

Re: Deutschland im "Akademisierungswahn"?

Beitrag von Stefan73 »

Finchen hat geschrieben:]Du romantisierst. Geschätzte 85 Prozent der mir bekannten Studenten müssen für das Studium auf nichts verzichten. Die lassen sich Ihr schnelles Geld nur von Papi überweisen, statt dafür zu arbeiten. Und die studieren auch nicht, um ihrem Wissensdrang nachzugeben, sondern um später mal ordentlich Asche einstreichen zu können. (Oder allerhöchstens noch, weil ihnen nichts anderes einfällt und man das in den Kreisen, aus denen sie stammen, halt so macht mit dem Studium.) Und das beschränkt sich keineswegs auf die bekannten und bereits genannten Karrierefächer, das geht quer durch die gesamte Uni. Wen findest Du dort? Doch keine Wissensdurstigen, Begabten. Sondern Kinder wohl situierter Eltern mit akademischen Hintergrund. Persönlichkeitsbildung durch Studium? Sehe ich unter diesen Voraussetzungen eher nicht.
Entweder hast Du nicht studiert und kennst das Klientel nicht oder an Deiner Uni war es gänzlich anders als bei meinen.... :shock:
Eventuell hast Du auch ein Komma bei 85 % vergessen...
Nasobem

Re: Deutschland im "Akademisierungswahn"?

Beitrag von Nasobem »

Finchen hat geschrieben:Du romantisierst. Geschätzte 85 Prozent der mir bekannten Studenten müssen für das Studium auf nichts verzichten. Die lassen sich Ihr schnelles Geld nur von Papi überweisen, statt dafür zu arbeiten. Und die studieren auch nicht, um ihrem Wissensdrang nachzugeben, sondern um später mal ordentlich Asche einstreichen zu können.
Es klingt aus deinem Mund so, als ob es verwerflich sei, eine Ausbildung in der Motivation zu machen, mit der Ausbildung nachher besser bezahlte Jobs machen zu können als ohne. Ich finde das eigentlich relativ legitim. Nachdem ich mein Studium berufsbegleitend doch noch beendet hatte (fehlte nur die Diplomarbeit) habe ich bei gleicher Tätigkeit plötzlich Beförderung und deutliche Lohnerhöhung, weil ich plötzlich als Akademiker durchgegangen bin.

Für mich waren die Studentenjahre die härtesten meines Lebens. Entgegen dem, was mir irgendwelche weisen Leute erzählt haben, ist Arbeit viel entspannter als Studium. Erstens wird man bezahlt dafür, zweitens hat man eine anständige Arbeitsumgebung, die Leute, mit denen man Projekte hat, sind erfahrene Profis, mit denen man nicht stundenlang Selbstverständlichkeiten erörtern muss wie bei Projektarbeiten im Studium und vor allem geht man am Abend einfach heim und muss dann zuhause nicht noch irgendwas vorbereiten, Übungen lösen etc. Meine Studienjahre waren rückblickend gesehen sehr, sehr hart, ich habe auf sehr vieles verzichten müssen und hatte es alles andere als einfach. Dabei geht es nicht primär um finanzielle Dinge, für die es immer irgendeine Lösung gab, sondern auch um den Verzicht auf viele sozialen Kontakte. Dass ich für alles mittlerweile eine Art Entschädigung in Form von geregeltem Einkommen kriege, das höher ist, als wenn ich mich nicht durchgebissen hätte, finde ich meiner Meinung nach schon legitim.
Benutzeravatar
Mannanna
Keiner schreibt schneller
Beiträge: 5093
Registriert: 16 Jun 2013 05:37
Geschlecht: männlich
AB-Status: AB
Ich bin ...: unfassbar.
Wohnort: im Moment Europa

Re: Deutschland im "Akademisierungswahn"?

Beitrag von Mannanna »

Le Chiffre Zéro hat geschrieben:
Mannanna hat geschrieben:
Le Chiffre Zéro hat geschrieben: Airbus hat viel nach China outgesourcet und Chinesen per Green Card nach Deutschland geholt. Ergebnis: Der erste chinesische Großraum-Passagierjet ist ein Klon des A320, und eine Endmontagelinie der Airbus-Single-Aisle-Maschinen ist in China zweimal vorhanden – einmal speziell von Airbus (und Zulieferern) für Airbus entwickelt, einmal ein abgekupferter 1:1-Nachbau der Endmontagelinie in Finkenwerder für den chinesischen Airbus-Klon.
Wie mit dem Transrapid: Da hatten die Chinesen auch eine "Eigenentwicklung", kaum das sie den aus Deutschland gekauft hatten.
Allerdings haben sie auch die gleichen Probleme: Keiner will das Dingens haben.
Zumindest haben sie ihn als einzige im Plandienst. Und nicht nur auf einer kurzen Strecke zum Flughafen in zehn Minuten, weil das ja klar ist, sondern im Fernverkehr, für den er eigentlich gedacht war.

Und wer bisher das deutsche Original nicht wollte, wird erst recht nicht den China-Klon kaufen.
.
Och, wenn der China-Klon nur 70% vom deutschen Original kostet...
Ist mit dem Airbus ebenso. Wenn China erstmal damit auf den Markt geht und alle entsprechenden Zulassungen hat, zählt bei den Fluggesellschaften ja auch nur noch der Kassenzettel.
Nichts auf der Welt ist so gerecht verteilt wie der Verstand. Denn jedermann ist überzeugt, daß er genug davon habe. (Descartes)

"Man will immer, was man nicht hat, und wenn man's hat, ist's langweilig" (Rainald Grebe, "Krümel")
Finchen

Re: Deutschland im "Akademisierungswahn"?

Beitrag von Finchen »

BartS hat geschrieben:Naja, auf Studentenniveau zu leben (materiell) ist nochmal was anderes, als wenn jemand sein erstes Gehalt nach der Lehre bekommt. Das Studentenleben mag noch recht preiswert sein, weil Dinge wie Krankenversicherungen noch nicht aus eigener Tasche zu zahlen sind oder man teilweise noch Kindergeld bekommt. Der BAföG-Höchstsatz liegt glaube ich momentan bei ca. 600 Euro. Das niedrigste Grundgehalt in der Metallindustrie liegt bei ca. 2.200 Euro brutto. Weiß nicht, wie viel das genau netto ist, ich schätze mal so ungefähr 1.400 Euro.
BaFÖG bekommst Du, wenn Du bedürftig bist. Oder viele Geschwister hast. Das trifft auf nicht allzu viele Studenten zu. Ich kannte kaum einen, der, alles in allem, mit 600 Euro auskommen musste.
Stefan73 hat geschrieben:Entweder hast Du nicht studiert und kennst das Klientel nicht oder an Deiner Uni war es gänzlich anders als bei meinen.... :shock:
Ich habe studiert - und war eine der ganz, ganz wenigen, die keine sehr gut situierten Eltern hatte und hin und wieder mal auf ihren Kontostand achten musste. Und in den Weihnachtsferien nicht mitkam in die Skiferien in die Schweiz.

Ich vermute einen anderen Hintergrund: 73 ist Dein Geburtsjahr? Dann hast Du Anfang bis Mitte der 90er studiert? Das kann gerade noch so die letzte Generation gewesen sein, die noch was mitbekommen hat von den sozialdemokratischen Bildungsreformen. Da gab es mal so 20, 25 Jahre, als das politisch gewollt war, dass auch die Arbeiterkinder Abitur machten und studierten. Da gab es sie tatsächlich auch vermehrt an den Gymnasien und Universitäten. Inzwischen ist man dort wieder weitestgehend unter sich.
Nasobem hat geschrieben:Es klingt aus deinem Mund so, als ob es verwerflich sei, eine Ausbildung in der Motivation zu machen, mit der Ausbildung nachher besser bezahlte Jobs machen zu können als ohne.
Ach, Quatsch. Das ist nicht nur legitim, sondern zutiefst vernünftig. Nur wenn dann einer was von Wissensdurst und Persönlichkeitsbildung schwadroniert, muss ich dann doch mal kurz grinsen. Und diese hehren Ideale mit der banalen Realität konfrontieren. Nichts gegen Dich persönlich!
Benutzeravatar
BartS
Meisterschreiberling
Beiträge: 6588
Registriert: 10 Jun 2008 18:17
Geschlecht: männlich
AB-Status: AB Vergangenheit
Ich bin ...: nur an Frauen interessiert.
Ich suche hier ...: nur Austausch.
Wohnort: Stuttgarter Raum

Re: Deutschland im "Akademisierungswahn"?

Beitrag von BartS »

Okay Finchen, ich schreibe nochmal den Satz auf, den ich zum Anfang hier reingesetzt habe und markiere die Stellen, die man dabei nicht überlesen sollte:

"Und es geht auch darum, dass man als Student (wenn man es wirklich durchzieht) nicht den "leichteren" Weg des schnellen Geldverdienen wählt und seinem Wissensdrang nachgeht, was auch Teil der eigenen Persönlichkeitsentwicklung darstellt."

Die Betonung lag zum einen, dass man als Student nicht den schnellen Weg des Geldverdienen geht, sondern in vielen Fällen auch bereit ist sich entweder zu verschulden und/oder bei seinen materiellen Lebensstil Abstriche gegenüber denjenigen, die ihr eigenes Geld verdienen, macht. Der Papa, der vom 1. bis zum 10.Semester zu 100% alle Kosten übernimmt, halte ich auch heutzutage eher für die Ausnahme, statt dem Normalfall. Zum anderen spielt auch bei vielen Studenten der Aspekt des Wissensdrangs und der Persönlichkeitsentwicklung mit rein. Ich glaube die allerwenigsten würde im Nachklang sagen, dass sie die Studentenzeit in Richtung zum Erwachsen werden nicht geprägt hat.
"Liebe ist, dass man sich so lange gehen lässt, bis man nicht mehr gehen kann."
(Hazel Brugger)
Finchen

Re: Deutschland im "Akademisierungswahn"?

Beitrag von Finchen »

Ich habe Dich durchaus schon beim ersten Mal verstanden, sodass es gänzlich unnötig ist, Deine Behauptungen noch einmal für die *ganz* Begriffsstutzigen zu wiederholen. Dennoch bin ich der Meinung, dass

1. die wenigsten Studierenden materielle Abstriche in Kauf nehmen müssen, da sie durch ein gut betuchtes Elternhaus großzügig alimentiert werden

2. jeder, wirklich ausnahmslos jeder, die Zeit zwischen 18 und 25 im Nachhinein als prägend in Hinblick auf die Persönlichkeitsentwicklung beschreiben wird, ganz egal, welchen Ausbildungsweg er gewählt hat.

Im Übrigen empfinde ich Deinen Kommunikationsstil erneut als reichlich herablassend. Will sagen: So lasse ich nicht mit mir reden. :evil: