Blau hat geschrieben:
Wir als Kinder haben früher bis abends mit anderen Kindern draußen gespielt. Ich habe das Gefühl dass die Kinder heutzutage das gar nicht mehr so richtig können ....
Sie können - nur entlastet das die Eltern in den jüngeren Jahren überhaupt nicht. Wenn ich mich an meine Kindheit erinnere, bedeutete "draußen spielen", auf den Hof vorm Haus zu gehen. Da waren dann auch andere Kinder, und wir haben stundenlang Fangen oder Gummihopse gespielt, bis Mama aus dem Fenster zum Essen rief.
Heute ist derselbe Hof zur Hälfte mit Parkplätzen gefüllt. Der Rest unterteilt sich in Wäscheplatz (den wir früher auch gern ins Versteckspiel einbezogen haben, aber da haben die Nachbarn zum Großteil mild gelächelt, statt wie heute zu meckern), Rasenfläche (nicht betreten bitte!) und Sandkasten, den sich die Kleinkinder mit den streunenden Katzen teilen. Letztere buddeln da bevorzugt nachts
Andere Kinder trifft man da für gewöhnlich nur, wenn man sich gezielt verabredet. Was schwer ist, da irgendwie alle im Sportkurs oder beim Musikunterricht sind.
Also geht man als Elternteil mit dem Kind entweder zum nächsten Großspielplatz (und sitzt dann entweder unproduktiv auf der Bank herum, oder spielt selbst mit seinem Kind oder tratscht mit anderen Mamas) oder fährt es auch zu irgendeinem Kurs. Der dauert vielleicht ne Stunde ... man kann eigentlich gleich da bleiben.
Leichter wird es, wenn die Kinder selbst Bus fahren können. Also irgendwann zwischen 1.-4. Klasse. Natürlich wird es so auch teurer - 20 EUR pro Kurs (Musikunterricht ab 60), dazu 15 EUR für Bustickets ... und damit ist erstmal nur ein Tag in der Woche abgedeckt. Den Rest der Zeit kann man sich mit Kindern treffen, deren Eltern diese Gelder nicht aufbringen können, oder sich allein beschäftigen. Was mit elektronischen Medien natürlich viel mehr Spaß macht als ohne. Es sei denn, Mama oder Papa haben Zeit und spielen, kochen oder basteln mit einem.
Als Eltern muss man bei diesem Irrsinn natürlich nicht mitmachen. Man kann dem Kind schlichtweg die Nutzung elektronischer Medien untersagen, ihm ein Buch geben oder ihm sagen "geh raus". Damit nimmt man aber auch in Kauf, dass es entweder zum sozialen Aussenseiter wird - oder sich draußen an die Kinder/Jugendlichen anschließt, deren Eltern besagte Kurse eben nicht bezahlen können.
BartS hat geschrieben:Heutzutage kann ich das kaum erzählen, aber stellt euch vor, ich bin schon in der 1.Klasse ohne elterliche Aufsicht zur Schule gegangen.
Heute würde man vermutlich von Verwahrlosung sprechen, wenn man ein kleines elternloses Kind auf dem Weg zur Schule sieht.
Nein - eigentlich wird sogar empfohlen, die Kinder allein gehen zu lassen. Dabei bleibt es dann aber auch. Weder gibt es die früher so beliebten Schülerlotsen, noch eine hohe Dichte von Fussgängerampeln im Schulumfeld. Was bei Schulen in Nebenstraßen theoretisch auch unnötig ist - da fährt ja kaum was. Praktisch gleicht die Umgebung einer Schule dank der vielen Elterntaxis früh dem Parkplatz eines Supermarktes Freitag Abend. Nur dass schneller gefahren wird, man ist ja auf dem Weg zur Arbeit. Also hat man als Mutter die Wahl - Kind hinbringen und mit gutem Gefühl den restlichen Tag starten - oder allein schicken und hoffen, dass das Kind Abends wieder heim kommt. Denn dass die Schule oder der Hort tatsächlich anrufen, wenn das Kind nicht dort ankommt, klappt erfahrungsgemäß in einem von 5 Fällen.
Letztlich hat man heute, wie auch früher, die Wahl, wie sehr man sein Kind behütet. Nur ist gefühlt einfach der Grad der Verantwortung höher. Als wir noch im Hof gespielt haben, hat uns das ganze Haus im Auge behalten. Omas guckten stundenlang aus den Fenstern oder saßen auf der Parkbank. Und auch wenn es nicht unsere Omas waren, wenn sich wer das Knie aufgeschlagen hat, waren sie da. Guckt heute eine Oma aus dem Fenster, dann ruft sie vermutlich "Ruhe, es ist Mittagszeit!"
Und auch die gefühlte Gefahrenlage ist anders. Wann hat man früher mal von entführten, todkranken, missbrauchten, verunfallten, still geborenen oder drogensüchtigen Kindern gelesen? Heute sind die Zeitungen, Internet und Bekanntenkreis voll davon. Ist schwer, da noch ruhig zu bleiben, wenn das eigene Kind ne Stunde zu spät heim kommt.
Wie gesagt - jeder hat die Wahl. Ich persönlich weiß jedenfalls lieber, dass mein Kind sich in einer relativ sicheren Umgebung befindet. Und nehme dafür gern die halbe Stunde Bringdienst in Kauf. Nebenbei bemerkt merke ich auch, wie sehr sie es genießen
Naja, genossen haben ... mittlerweile gehen die Großen überwiegend allein.
@Ringelnatz: für mich gab es nie die Entscheidung pro/contra Kind. Ich wollte einfach immer welche - gehört für mich zu meinem Leben dazu. Du wirst für Dich wohl einfach auf Dein eigenes Bauchgefühl hören müssen. Und egal ob Du Dich für oder gegen Kinder entscheidest - lass nie zu, dass Dir jemand wegen Deiner Entscheidung ein schlechtes Gewissen einredet.
Ich liebe meine Kinder über alles. Würde sie absolut nicht missen wollen. Aber ich habe volles Verständnis für Jeden, der sich den Stress nicht antun will. Denn letztlich verzichtet man damit auf ca. 20 Jahre eines selbstbestimmten Lebens.
Um mal den Bogen zum Thema zurück zu schlagen: wenn man in einer Beziehung keine gemeinsamen Hobbys hat - dann kann man entweder seine Freizeit teilweise getrennt verbringen (Hauptsache jeder hat dann seine eigenen Hobbys und man trifft sich abends zufrieden auf der Couch wieder) - oder man schafft sich Kinder an. Dann erübrigt sich die Frage nach Freizeitgestaltung weitgehend