Lilia hat geschrieben: ↑16 Aug 2020 12:15
Das werden wir wohl nicht erfahren, weil Peter aus dem Thread ausgestiegen ist.
Hier wird sich seitenweise gestritten, die abstrusesten Theorien angeführt, was Frauen oder Männer wollen. Ich würde mal behaupten, dass "ich verstanden fühlen" eine ziemlich wichtige Voraussetzung ist. Der bisherige Verlauf des Threads zeigt meines Erachtens, dass genau da Probleme sind. Ich kann doch Dinge ganz vielschichtig betrachten. Ich kann jemanden, ohne ihm eine Eigenverantwortung abzusprechen, zu verstehen versuchen. Ich kann ihn unterstützen, Mitgefühl ausdrücken, ihn zum Denken anregen, einen anderen Input geben. Ich kann so viel machen - wenn ich denn will.
Mal angenommen, jemand aus dem Bekannten-, Verwandten- oder Freundeskreis würde vor einem sitzen und erzählen: "Du, mir ist da eine total dumme Sache passiert. Ich hatte ein Date mit einem Mann, mit dem ich mehrere Wochen geschrieben habe. Wir haben uns gut verstanden und als er gefragt hat, ob ich mich mit ihm in einem Restaurant treffen will, habe ich mich gefreut und sofort zugesagt. Ich hab mich an dem Abend natürlich schick gemacht und bin zum Restaurant gefahren, das er mir genannt hat. Was ich nicht wusste, war, dass das der totale Nobelschuppen war und er schon ein sauteures Mehrgängemenü bestellt hatte. Ich bin richtig erschrocken, als ich in die Weinkarte reingeguckt hab, um mir was zu trinken zu bestellen. Wenn es nach mir gegangen wäre, wären wir gleich wieder gegangen, aber er hatte nun mal schon bestellt. Ich saß da nun, total aufgebrezelt und nicht in der Lage, mein Essen zu bezahlen. Wenn ich aufgestanden wäre, hätte er vielleicht das Geld von mir gewollt und du weißt ja, dass ich mich mit meinem Studentenjob eh kaum über Wasser halten kann. Daher bin ich einfach erst mal sitzengeblieben. Er hat mir dann in die Augen geschaut, meine Hand genommen, hat eigentlich alles getan, was man normalerweise tut, um eine Frau zu beeindrucken und zu verführen. Ich wusste echt nicht, was ich tun soll. Als wir gegessen hatten, hat er über 200 Euro auf den Tisch gelegt. Irgendwie hab ich mich dann unter Druck gesetzt gefühlt, so, als ob ich ein stilles Einverständnis für alles gegeben hätte, was danach passiert. Ich hab auch gedacht, dass ich ihn nicht sauer machen will, weil er sich ja viel Mühe gegeben hat und so viel Geld ausgegen hat. Jedenfalls sind wir dann zusammen im Bett gelandet, obwohl seit dem Restaurantbesuch der Zauber meinerseits verflogen war. Jetzt hat er nach einem zweiten Treffen gefragt. Ich weiß jetzt nicht, wie ich es ihm beibringen soll, dass ich nicht mehr möchte. Durch diesen blöden ONS habe ich mich noch mehr in die Scheiße geritten. Ich versteh mich da auch selbst nicht, warum ich das getan hab. Normalerweise geh ich ja nicht gleich mit den Männern ins Bett, aber irgendwie hab ich das Gefühl gehabt, dass er das erwartet und ich diese Erwartungen auch mitverursacht habe...."
Was sage ich dann? "Du musst dich nicht wundern, wenn du mal vergewaltigt wirst!", oder "Du bist alt genug und musst selbst wissen, was du tust!", oder "Wie soll ich denn als Mann wissen, was Sache ist, wenn Frauen wie du nicht emanzipiert genug sind, zu sagen, was sie wollen?"
Ähnlich unsensible Reaktion gab es jedenfalls im Thread. Warum sich diese Sache so entwickelt hat, ob da ein gesellschaftlicher Druck dahinter ist oder der Mann mit daran Schuld hat, wird nicht hinterfragt. Und das, obwohl es einen auch was angeht. Ich würde mal sagen, dass jeder eigentlich möchte, dass ein Date für beide schön wird. Denn wenn man es schafft, dem anderen ein gutes Gefühl zu geben, ihn nicht unter Druck zu setzen, erhöht das sicher die Chancen für eine Beziehung. Damit meine ich nicht unbedingt mit diesem Menschen, sondern generell. Jede Interaktion mit anderen ist m.E. auch Training für eine Beziehung, ob ich die aktuell habe oder nicht oder auch will oder nicht. Attraktivität - ob als Freund, Verwandter, Bekannter oder auch Beziehungspartner - hat ganz viel damit zu tun, ob ich mit der Person reden kann und ob sie für mich und mein Leben im Denken und im Fühlen eine Bereicherung darstellt.
Hallo Lilia,
ich hatte die anderen Beiträge nicht so verstanden, dass da gar kein Mitgefühl oder Verständnis gegenüber den im Artikel porträtierten Frauen vorhanden ist. Ich und auch andere, z. B. Hanuta, haben ja geschrieben, dass wir solche oder vergleichbare Situationen durchaus selbst erlebt haben.
Was viele hier - zumindest mich - wohl geärgert hat, ist die absolute Hilflosigkeit, die das Lesen solcher Artikel in einem Mann auslöst: Immer wieder wird in den Medien thematisiert, dass Frauen Angst vor übergriffigen Männern, sexueller Belästigung, Vergewaltigung haben und dass Männer endlich lernen müssten, Rücksicht auf Frauen zu nehmen.
Gleichzeitig wird einem als Mann durch den obigen Artikel aber in aller Deutlichkeit klar gemacht, dass man das, was von einem gefordert wird, im Zweifelsfall gar nicht leisten kann, weil man gerade dann, wenn es am nötigsten wäre, keine ehrliche Rǘckmeldung auf sein Verhalten bekommt.
Wenn man wie ich - und wohl sehr viele andere hier - von Natur aus schon sehr schüchtern und zurückhaltend ist, so schüchtern, dass man es bislang gar nicht oder nur selten geschafft hat, eine Frau für sich zu interessieren, dann kannst Du Dir wohl gut vorstellen, dass angesichts solcher Texte die Schüchternheit sicher nicht geringer wird, sondern wahrscheinlich sogar noch größer.
Das ist übrigens kein haltloses Hineininterpretieren, sondern ich gebe einfach nur wieder, was im zitierten Artikel steht:
"Oft machen sich Frauen wie Mona noch lange Vorwürfe, nachgegegeben zu haben – eine Mitschuld bei ihrem Partner oder Date sehen sie dagegen selten. Dabei tragen die mindestens genauso viel Verantwortung dafür, dass Sex immer einvernehmlich geschieht. „Männer sollten sich der Zustimmung zum Sex immer wieder zu versichern – besonders dann, wenn es sich um einen One-Night-Stand oder ein erstes Date handelt“, sagt Halhuber-Ahlmann. „Der Mann sollte immer mal wieder nachfragen, ob das, was man gerade macht, noch in Ordnung ist.“ Durch das Nachfragen könnten Frauen innehalten und das eigene Empfinden überprüfen.
Grundvoraussetzung dafür, dass das dann auch hilft, sei allerdings, dass Frauen sich über ihre Bedürfnisse klar werden. 'In Gesprächsrunden und bei Vorträgen beobachte ich eine große Diskrepanz zwischen technischem Wissen und der Kenntnis über die eigenen Bedürfnisse. Viele Frauen können nicht genau sagen, was ihnen beim Sex gefällt.'"
Zusammengefasst:
Die Botschaft an Männer lautet: "Tut bloß nichts, was Frauen nicht wollen!"
Darauf die Männer: "Natürlich nicht! Was ist es denn genau, was Ihr nicht wollt?"
Die Frauen:
1. Möglichkeit: "Ich traue mich nicht, das zu sagen."
2. Möglichkeit: "Ich weiß es selbst nicht."
Wird jetzt die Aufgebrachtheit einiger hier verständlicher?