Le Chiffre Zéro hat geschrieben: ↑07 Apr 2020 20:17
Obelix hat geschrieben: ↑03 Apr 2020 22:19
Was mir an Deinen beispielhaften Dialogen auffällt, ist, dass der Nerd auf die meisten Bemerkungen der "Mainstream-Welt" sofort mit abfälligen bis aggressiven Bemerkungen reagiert. Mit solchen Sprüchen macht man sich nirgends Freunde - völlig unabhängig vom Thema. Und das ist es, was die "Chemie" kaputt macht bzw. gar nicht erst entstehen lässt.
Für richtige Nerds – vor allem solche jenseits von
The Big Bang Theory sind solche Reaktionen vollkommen normal. Sie versuchen nicht, sich dem Mainstream anzubiedern.
Mir scheint hier vor allem eine ausgeprägte *Abneigung* gegenüber allem was irgendwie Mainstream sein könnte vorzuliegen. Mit Verlaub, das ist kein Nerd, das ist ein verdammter Hipster
[...]
Die Äußerungen der Nichtnerds hier implizieren: Der mainstreamige Nichtnerd darf jederzeit seiner Meinung freien Lauf lassen. Der nicht-mainstreamige Nerd sollte sie besser für sich behalten, um nicht den mehrheitlich vorherrschenden Mainstream zu stören.
Wie immer, der Ton macht die Musik. Wer mich aufgrund einer zufällig mainstreamkonformeren Meinung meint als dumm oder unwissend darstellen zu müssen ohne Anstalten zu machen das irgendwie schlüssig begründen zu wollen (weil das ja ach so viel nerdiges Spezialwissen erfordern würde welches mir abgeht), der weckt in mir nicht das Bedürfnis auf ein weiterführendes Gespräch. Wer darüberhinaus Gegenargumente gar nicht zulässt wenn sie aus der Position eines weniger wissenden kommen, noch weniger.
[...]
Aber ich wage zu behaupten, wenn die meisten mainstreamigen Menschen da draußen von einem Mann über 30 erfahren,
daß er auf bunte Zeichentrickponys steht (und mehr als das
wollen sie von seiner Leidenschaft nicht wissen), dann ist derjenige für sie im besten Fall auf dem Stand eines Kindergartenkindes stehengeblieben – und im schlimmsten Fall ein potentieller Kinderschänder. So oder so jemand, mit dem sie nichts zu tun haben wollen.
Die meisten Bronies ab Mitte 20 erzählen niemandem außerhalb des Fandoms davon, daß sie Bronies sind. Und sie haben allen Grund dazu, das für sich zu behalten.
[..]
Mir zum Beispiel wäre das relativ egal. Ich würd's belustigt zur Kenntnis nehmen, müsste dann aber natürlich zugeben dass ich noch nie auch nur eine Folge MLP gesehen habe und daher in dem konkreten Bereich auch keinerlei Möglichkeit habe mitzureden.
Wäre für dich eine unbefriedigende, aber aufgrund des Nischencharakters des Fandoms auch keine komplett unerwartete Reaktion.
Allenfalls könnte ich versuchen die Diskussion auf eine Metaebene über wenig gesellschaftskompatible Fandoms zu ziehen. Da immerhin hab ich ein bisschen Erfahrung
(Persönlich hab ich damals vor ein paar Jahren eine leichte Schwäche für japanischen Idol-Pop entwickelt (kein Hardcore-Fan).
Random Example: Klick mich oder mich. Zumindest krieg ich auch nach Jahren noch bei vielen der Mädels die Namen auf die Reihe. Wenn ich auf der Arbeit von meinen Kolleginnen gefragt werde was ich eigentlich für Musik höre würde ich das aber ganz bestimmt nicht erwähnen. Da nenn ich halt irgendwas anderes unverfänglicheres was ich sonst so höre, oder bügel die Frage mit "Radio" ab um meinem Image als Mann ohne Eigenschaften vollends Genüge zu tun.
Die gesellschaftlichen Vorurteile den meist erwachsenen männlichen Fans gegenüber dürften jedenfalls ungefähr die gleichen sein wie bei Bronies. Dass das ganze musiktheoretisch gesehen erstens Kerntrash ist, zweitens aus gutem Grund so gut wie keines der Mikros eingeschaltet ist, ich mir dessen vollkommen bewusst bin und den Shit trotzdem liebe macht es jetzt nicht unbedingt besser
Dem Nerd – ultraharter Kopfmensch und ebenso ultraharter Nicht-Kopf/Bauch/Herz/Gemütsmensch mit einer extrem hohen Wahrscheinlichkeit, ein High-Functioning Asperger zu sein – ist der Mensch scheißegal. Wenn die Interessen dieses Menschen denen des Nerd derart widersprechen und dieser Mensch obendrein in den Augen des Nerd vor Ignoranz und Ahnungslosigkeit nur so trieft, ist ihm dieser Mensch doppelt scheißegal. Solche Leute braucht der Nerd nicht in seinem Leben. Auch nicht nur zwei Minuten lang.
Das kannst du schon so machen. Nur dann isses halt - kontraproduktiv wenn es darum geht mit diesen "Ignoranten" auf anderer Ebene zu interagieren. Solange man ohne diese bereits superglücklich ist (s.u.) kein Problem. Wenn nicht, dann ist hier ein Punkt an dem man arbeiten könnte.
[...]
Der Nerd wird sich letztlich fragen, was er auf der Party eigentlich macht. Eine Viertelstunde auf einer Convention, wo er von hunderten, tausenden Gleichgesinnten umgeben ist, bringt ihm mehr als ein ganzer Abend auf einer mainstreamigen Nichtnerd-Party, wo ihn niemand auch nur ansatzweise versteht.
Grundsätzlich verstehe ich deinen Standpunkt. Komische Leute (Nichtnerds), komische Musik, keine wirklichen gemeinsamen Gesprächsthemen. Ich kenne das Problem, ohne auch nur annähernd Nerd auf deinem Level zu sein. Eigentlich muss ich dazu nicht mal auf eine Party gehen, Frühstückspause auf der Arbeit reicht vollkommen
[...]
LaraMarie hat geschrieben: ↑03 Apr 2020 22:46
Der beschriebene Nerd vermittelt mir das Gefühl, dass er der Meinung ist über den Dingen zu stehen und man gar nicht mit ihm reden brauch, wenn man nicht sein Wissen hat.
Daß er dieser Meinung ist, kommt nicht von ungefähr. Du mußt einfach versuchen, dich in die Lage dieses Nerd zu versetzen. Auf einer mainstreamigen Nichtnerd-Party hat er den – berechtigten – Eindruck, von Ignoranten umgeben zu sein, denen nicht nur eine eigene individuelle Meinung und die Fähigkeit zur Bildung einer solchen fehlt, sondern zu einem großen Teil jegliches Vermögen zum selbständigen Denken, und wenn nicht das, dann der Wille dazu, sich dahingehend anzustrengen.
Das ist deine Interpretation. Ich glaube jedoch dass du einen Fehler machst, wenn du implizierst dass eine individuelle Meinung schon deshalb falsch sein muss weil die zugrundeliegende Informationsbasis kleiner oder unvollständiger ist oder die mentalen Fähigkeiten desjenigen der sie äußert geringer. Auch ein Mensch mit sagen wir mal IQ 90 kann auf Basis der ihm vorliegenden Informationen zu völlig plausiblen Lageeinschätzungen kommen, gerade wenn es um Alltagsfragen geht. Selbst die von vielen intelligenten Menschen aus völlig nachvollziehbaren Gründen so verachtete "Denkfaulheit" sich einfach irgendwo der Mehrheit anzuschließen kann Sinn machen und Ressourcen für wichtigere Fragen freihalten.
Der Wissensunterschied kommt in der Tat als großes Hindernis dazu. Der mainstreamige Nichtnerd erwartet vom Nerd, daß dieser ihn auf seinen Wissensstand bringt. In einfachen Worten und einem, maximal zwei Sätzen. Ohne Nebensätzen.
Der Nerd weiß – eben durch sein Wissen und häufig durch reale, persönliche Erfahrungen dahingehend –, daß das gar nicht geht. Der mainstreamige Nichtnerd
weiß geht davon aus zu wissen, daß das geht – weil er nicht im entferntesten ahnen kann, was er alles wissen muß, um auch nur ungefähr begreifen zu können, warum der Nerd so denkt, wie er denkt, und warum er seine Meinungen hat.
Der Nerd hat die Wahl:
- Einfache, kurze Erklärung = so unvollständig, daß sie unverständlich bleibt. Dann kann er es auch lassen.
- Erklärung, durch die sein komplett ahnungsloser Gegenüber seinen Standpunkt versteht = so langatmig, daß der Gegenüber nicht folgen kann. Dann kann er es auch lassen.
- Es gleich lassen. Für beide – Nerd und Nichtnerd – das beste.
Kann man so machen. Es wäre allerdings besser, seinem Gegenüber nicht zu erzählen dass man ihn für zu blöd hält die Begründung seines Standpunktes zu verstehen. "Ich hab recht, du unrecht, weil isso, glaubs mir einfach, würdest du eh nicht verstehen" ist selten ein überzeugendes Argument für irgendetwas.
LaraMarie hat geschrieben: ↑03 Apr 2020 22:46
Niemand möchte gerne mit Menschen zu tun haben, die einem das Gefühl geben ein Idiot zu sein oder mit ihrem Lifestyle ein viel verantwortungsbewussteres Leben führen. Das gilt für hardcore Veganer, aber auch für Computernerds, die ständig erzählen müssen, dass andere Menschen mit der Wahl von WhatsApp als Kommunikationsmittel ja so verantwortungslos mit ihrem Leben umgehen.
[...]
Hanuta hat geschrieben: ↑04 Apr 2020 10:01
Die Beispiele von LCZ erinnern mich stark an einen damaligen Mitschüler von mir, der zwar ausgegrenzt wurde, aber keine Gelegenheit ungenutzt lies die anderen besserwisserisch und unangenehm über ihre vermeintliche Unwissenheit aufzuklären.
Das war damals in der Oberstufe.
Neben ihm saß eine Mitschülerin, die öfters mal das Gespräch suchte, weil man das als Sitznachbarn eben so machte. Sie hatten ein Gespräch über ein Computerthema und er musste sie stets korrigieren und aufzeigen, dass ihre Definition oder ihr Wissen nicht vollständig ist und es viel bessere Alternativen als z.B. ICQ gäbe.
Da ich nur zwei Plätze daneben saß konnte ich das sehr gut beobachten. Ich fand das damals auch schon sehr unangenehm.
Nicht verwunderlich, dass die Mitschülerin sich dann nach wenigen Wochen weg setzte.
Und er hätte statt dessen
was konkret tun sollen?
Sich ihrer aus Ahnungslosigkeit und Bequemlichkeit gespeisten Meinung anpassen und ICQ glorifizieren sollen?
Nö, muss er nicht. Er hätte es aber auch einfach als gegeben hinnehmen können.
Um es auf mich und auf die heutige Zeit zu übertragen: Ich würde niemals anfangen, WhatsApp gut zu finden und XMPP und Matrix für mich abzuschaffen, nur um mich besser zu verstehen mit Menschen, mit denen ich sowieso nichts zu tun haben will.
Musst du ja auch nicht. Es bleibt dir unbenommen, deine Kommunikationsmittel so zu wählen dass du damit bestmöglich zurechtkommst und keine für dich inakzeptablen Nebeneffekte in Kauf nehmen musst. Es hilft allerdings, nicht jeden als unwissenden Idioten abzustempeln der andere Prioritäten setzt.
[..]
Er sah die ganzen ICQ-Nutzer blind in ihr Verderben laufen, ohne daß sie es auch nur im entferntesten ahnten. Und er wollte sie davor bewahren. Wenn sie sich dem verwehrten, weil sie gar nicht verstanden, was „der überhaupt hat“, dann mußte er es mit entsprechend mehr Nachdruck versuchen.
Und auch hier ist sie wieder, die Tragik aller Prediger: das Unverständnis, das nicht jeder der sich nicht bekehren lässt dies aus Blindheit, Dummheit, Bosheit oder Uninformiertheit tut und bei weiterer Predigt schon dem Pfad der Gerechten folgen wird.
Und nebenbei:
Ich habe damals (als das noch ein Ding war) ebenfalls ICQ genutzt. Sämtliche Berichte über meine ewige Verdammnis sind weit übertrieben.
Auch als Teenager hatte ich genug technisches Verständnis um zu wissen dass die wenigen belanglosen Chats über PC-Spiele, oder Verabredungen um gemeinsam was zu unternehmen nicht "privat" im tatsächlichen Sinne waren. Genauso wenig wie E-Mail ohne PGP, SMS usw. das de facto sind.
Das Verderben in das ich gelaufen bin besteht lediglich darin, dass die damals israelische, heute glaube ich russische Betreiberfirma falls sie es inzwischen nicht längst gelöscht haben (und die Geheimdienste mit ihren jeweiligen Backups) nun eine Kombination aus 15 Jahre alten IP-Addressen und ein paar Nonsense-Textnachrichten meines Schüler-Ichs haben.
WhatsApp a.k.a. Facebook mag inzwischen eine interessante Datenbank an Metainformationen über die Kontaktbeziehungen zwischen allen möglichen Leuten haben, dafür (zumindest angeblich, fraglich wie immer) keine Kommunikationsinhalte.
Natürlich könnte ich jetzt jedes Mal ein Riesen Fass aufmachen wenn jemand irgendwas über Whatsapp abklären will.
Oder meiner Firma mit der DSGVO ums Eck kommen damit mein Dienstplan immer vollverschlüsselt und mehrfach signiert per Mail kommt statt in die WhatsApp-Gruppe (ja, wirklich). Kann ich aber auch lassen, und schon hab ich meine Ruhe.
Hätte er dem „Druck der Masse“ nachgegeben, sich dem vorherrschenden Mainstream angepaßt und selbst ICQ genutzt – wider besseren Wissens –, wäre er
sehend in sein Verderben gelaufen. Kein Nerd stellt sich freiwillig so blöd an. Nichts wäre einem Nerd ein so ein törichtes Verhalten wert.
Hätte er selbst ja nicht machen müssen. Wie gesagt, "nutze ich nicht, weil XYZ" reicht ja.
[...]
LaraMarie hat geschrieben: ↑04 Apr 2020 18:51
Da könntest du also selbst mal darüber nachdenken, ob es denn wirklich das THEMA ist auf das es ankommt und nicht das Interesse am Menschen.
NBUC ist ein Nerd.
Ich bin ein Nerd.
Und ich wage zu behaupten, wir können dir beide zweifelsfrei bestätigen, daß es dem wirklich harten Nerd
immer auf das Thema ankommt. Und
nie auf das Interesse am Menschen.
LaraMarie hat geschrieben: ↑04 Apr 2020 18:51
Übrigens stimmt es auch nicht, dass die Gegenseite kein Interesse an den Beiträgen des Nerds hat. Wenn wir jetzt die Beispiele von Zero als Paradebeispiele verwenden, dann liegt es doch wohl auf der Hand, dass es bei dem Nerd ganz klar an der Art und Weise liegt wie er sich gegenüber den anderen verhält.
Anfangs sind sie durchaus interessiert, ja. Aber Anfangs erwarten sie vom Nerd auch ganz andere Antworten und Aussagen als die, die der Nerd tatsächlich tätigt.
Und wenn der Nerd dann antwortet, fallen sie aus allen Wolken. Und landen hart.
Das liegt aber nicht nur daran,
wie der Nerd es präsentiert, sondern auch daran,
was der Nerd sagt. Wenn die Meinung des Nerd von der des Nichtnerd abweicht, stößt der Nerd allein schon damit den Nichtnerd vor den Kopf.
Nur wenn dieser beabsichtigt den Nichtnerd vor den Kopf zu stoßen, oder ihm dieser Effekt zumindest herzlich egal ist. Man kann abweichende Meinungen auch bewusst diplomatischer äußern, wenn man eine negative emotionale Reaktion des anderen antizipiert.
Außerdem, wie ich weiter oben schon schrieb: Bei der Art, wie der Nerd kommuniziert, gibt es keinen zufriedenstellenden gemeinsamen Nenner. Wenn er sich so äußert, wie der Nichtnerd es am liebsten hätte, wird der Nichtnerd nichts verstehen, weil er zum Verständnis einfach nicht genug Informationen bekommt.
Ich behaupte dass es sehr wohl auch an der Art der Kommunikation liegt. Dass es keinen zufriedenstellenden gemeinsamen Nenner gibt liegt nicht allein am mangelnden Verständnis des Nichtnerds, sondern auch an der beinharten Kompromisslosigkeits ("Ich hab Recht, und du nicht") des Nerds. Nicht alles, wozu man eine informierte und durchdachte Meinung haben kann ist deswegen auch gleich ein unumstösslicher Fakt bei dem es nur eine einzige richtige Sichtweise gibt. Als Kopfmensch argumentiert der Nerd in der Regel in sich logisch, sofern er sich nicht gerade zufällig vertut. Er sollte allerdings gelegentlich seine eigenen Axiome auf denen er seine Argumentation aufbaut hinterfragen wenn ihm abweichende Ansichten komplett unverständlich vorkommen.