Daniel84 hat geschrieben: ↑27 Nov 2019 13:45
Kannst Du das noch etwas näher erläutern, wie das mit dem Selbstwertgefühl stärken (bei Dir) funktioniert? Was heißt das z.B. "eigenen Maßstab entwickeln"? Ich habe ja einen "eigenen Maßstab". Mein Maßstab ist, ich bin was wert, wenn ich gebraucht werde. Ich erlebe aber, dass ich überflüssig bin. Als Mann sowieso, aber auch als Arbeitskraft. Es wäre besser, ich wäre nicht geboren, dann würde ich wenigstens nicht auch noch den Klimawandel durch meinen Konsum vorantreiben. Mein Maßstab ist auch, ich bin was wert, wenn ich Erfolg habe. Ich erlebe aber, dass ich ein Versager bin, mich anstrenge und trotzdem ist es nie gut genug. Entweder ich schaffe nichts, oder ich schaffe was, aber es macht keinen wirklichen Unterschied. Der einzige Bereich, wo ich noch etwas Wertschätzung erlebe, sind ein paar Freunde/Bekannte und selten auch mal durch Verwandte. Das kompensiert aber nicht mein mich als Mann wertlos fühlen.
Im Moment geht es erstmal darum, sich selber kennenzulernen, sich zu beobachten und anzunehmen. Also überhaupt erstmal die Wahrnehmung von sich selber (ich sehe so und so aus, ich kann xyz, mache gerne jenes, ärgere mich über dieses) von der Bewertung (ich bin gut/ schlecht/ eh nicht zu gebrauchen) zu trennen.
Und es hilft, zu verstehen, wie das eigene Bewertungssystem funktioniert. Eben z.B. nur dann wertvoll sein, wenn man beruflichen Erfolg hat. Wenn das aber nicht klappt, fühlt man sich wertlos. Mein Ziel ist dann, dahin zu kommen, mein Selbstwertgefühl von solchen "Ankern" unabhängiger zu machen (zumal man das Gelingen auch nicht immer selber beeinflussen kann).
Ein sehr konkretes Beispiel: ich mache seit geraumer Zeit einen Schwimmkurs, mit dem Ziel, richtig und schnell kraulen zu können. Ein Erfolgsmaßstab könnte dann sein: ich schätze meinen Selbstwert hoch ein und mein Selbstwertgefühl ist positiv, wenn ich bald so schnell kraulen kann wie die anderen. Ich habe dann angefangen und Fortschritte gemerkt und das hat sich positiv auf meinen Selbstwert(gefühl) ausgewirkt. Im Zuge dessen habe ich mich zusätzlich auch im Internet informiert (wie sieht ein guter Kraulstil aus, was sind häufige Anfängerfehler).
Als ich dann aber festgestellt habe, dass ich gar nicht so wirklich besser werde, bzw. wirklich nur sehr sehr kleine Fortschritte mache, oder die berühmten 3-vor-2-zurück, und im Internet aber viele schrieben, wie sie innerhalb von 2-3 Monaten wirklich schon gut kraulen konnten, und als ich dann sah, wie andere trotz mieser Technik Bahnen hin und her zogen und ich nach 40 Metern schon wirklich fix und fertig war, hat sich das wiederum auf mein Selbstwertgefühl niedergeschlagen. Das war dann negativ, im Sinne von: "Ich kann das eh nicht, ich werde das nie lernen, ich bin sogar zu doof zum kraulen".
Aber ich will meinen Selbstwert ja unabhängig davon machen, welchen Erfolg ich im Vergleich zu anderen habe. Zumal das bei anderen ja auch so ist: ich schätze andere Personen ja als nicht mehr oder weniger "wertvoll" ein, wenn sie besser oder schlechter schwimmen können. Warum sollte ich das dann bei mir machen?
Und beim Schwimmen gelingt mir das schon ganz gut, weil mir inzwischen egal ist, wann ich den Dreh so richtig raus habe, weil mir Schwimmen Spaß macht und weil ich gerne neue Dinge lerne. Ob ich jemals total gut werde - vermutlich nicht, aber darum geht es ja auch eigentlich gar nicht. Und der Erfolg/Misserfolg beim Schwimmen ist dann nicht mehr wichtig für mein Selbstwertgefühl.
Und mit dem eigenen Maßstab meine ich, für mich herauszufinden, was mir wichtig ist. Und was mir nicht wichtig ist, das hat dann auch keinen Einfluss auf meinen Selbstwert mehr. Mir ist z.B. Reisen nicht besonders wichtig. Früher hab ich mich total schlecht gefühlt, weil viele aus meinem Bekanntenkreis schon viel von der Welt gesehen haben, und ich bin nie richtig aus Europa rausgekommen. Das ist inzwischen nicht mehr, weil ich es auch nicht brauche.