Du hast im Grundsatz schon Recht. Was du außer Acht lässt - vielleicht weil du nichts anderes als ähnlich tickende Menschen kennst - ist das, was man gesunden Menschenverstand nennt. Realistische Chancenabschätzung. Vielleicht auch: Vertrauen zu anderen.Gatem hat geschrieben: ↑29 Jun 2019 08:05 Die entscheidende Frage wäre doch aber: Warum sollte derjenige, der im Loch sitzt denn überhaupt rauskommen? Der Tippgeber offeriert dem Buddelnden zwar einige Alternativen, dass was jedoch fehlt ist eine Begründung, warum der andere lieber auf eine dieser Alternativen setzen sollte, anstatt weiter zu graben.
Die Situation für den Grabenden stellt sich doch so dar: Er hat eine ganze Reihe Alternativen, von denen alle zum gewünschten Ziel führen. Für eine dieser Alternativen (nämlich das Graben) hat er sich bereits entschieden; er hat Zeit und Arbeit investiert und auch wenn er nicht genau weiß, wie lang der Weg noch ist, so weiß er doch, dass er seinem Ziel schon näher gekommen ist.
Es fehlt ihm also ein überzeugendes Argument dafür, all die investierte Zeit und Arbeit über den Haufen zu werfen und einen neuen Weg einzuschlagen.
Ich finde die Reaktion ist absolut menschlich. Zumindest sind die meisten Menschen, die ich kenne, so gepolt. Im Berufsleben zum Beispiel: Da wird lieber auf ein komplett vermurkstes Produkt/Software gesetzt und womöglich ganze Arbeitsprozesse so angepasst, dass es irgendwie passt, als dass man einen klaren Schnitt macht und sich etwas besseres besorgt, einfach weil bereits so viele Ressourcen in die Anpassung geflossen sind.
Die wenigsten Menschen sind bereit, bei gleichwertigen Alternativen, mal eben auf einen anderen Pfad einzuschwenken, ohne ein überzeugendes Argument. Was ja eigentlich auch ganz logisch ist: Würde man jedes Mal, wenn sich einem eine neue Alternative bietet, direkt umschwenken, würde man womöglich niemals zum Ziel kommen.
Im Waldboden allein nach Wasser zu buddeln ist ein ziemlich mühsames, meist langwieriges, und wenig erfolgsträchtiges Vorhaben. Man will ja keine Mineralwasserabfüllanlage errichten. Und hatr auch wenig Ahung vom Buddeln nach Wasser.
Nur ein halber Liter Flüssigkeit. Wenn da ein Spaziergänger näher liegende Möglichkeiten empfiehlt, dann nimmt man die. "Näher liegend".
Dir erscheint es nicht näher liegend. Warum fragst du dann nach einer Tankstelle? Warum überhaupt fragen? Dass in Sichtweite keine Alternativen sind, weißt du doch - deshalb hast du zu buddeln angefangen.
Nun bekommst du eine neue Informationsquelle. Die nach Ansicht des Spaziergängers (der sich mutmaßlich etwas in der Gegend auskennt) besten Informationen schlägst du gleich mal in den Wind - indem du die kleine extra Mühe und Höflichkeit (noch so ein komischer zwischenmenschlicher Faktor, der sich den Sachabwägungen entzieht, aber dennoch ne Rolle spielt; denn so funktioniert Leben halt), das Loch zu verlassen, nicht auf dich nimmst - und darum diese Information gar nicht erst erfährst.
Es sind eben keine gleichwertigen Alternativen. Tatsächlich wird die Chance auf eine bessere Alternative auch gleich noch ausgeschlagen. Obwohl die Buddelei nun wirklich wenig Aussicht hat.
Was du in Sachen Produkt/Software/Berufsleben schilderst: da gebe ich dir sogar recht. In vielen - zu vielen - Bereichen wird so "gearbeitet" (ich setze das in Anführungszeichen, weil ja tatsächlich nur verzichtenswerter Murks produziert wird). Gerade im IT-Bereich (Disclaimer: keineswegs überall und alle!). Aber warum funktioneirt das da? Weil die Kosten dieser Murksarbeit an eine Kundschaft abgewälzt wird, die die Sache meist gar nicht durchschauen kann. Oder auf die angebotenen schlechten Lösugen angewiesen ist, weil es einfach nichts Funktionerendes gibt. In der IT (nicht nur da, aber auch) ist es leicht möglich, Murks mit cleverem Marketing als real heavy shit zu labeln. Die wenigsten sind in der Lage, unter die Haube zu gucken. "Must have! Sei der erste! Wettbewerbsvorteil! Morgen haben das alle! War auf IT-Konferenz XY das Gesprächsthema Nr. 1!" Die Technikmuseen sind voll solcher teurer Totgeburten - und das ist nur das, was dann auch tatsächlich materiell produziert wurde. Was ansonsten schon an Schrottsoftwarecode mit unwiederbringlicher menschlicher Lebenszeit produziert wurde (und dann zu ewigen Stunden vor Fehlermeldungen, Frust und rückenschwerzen führt - aber solange jemand dran verdient, ist ja okay ...) ... damit ist sicher die Hölle tapeziert.
Der da lim Loch buddelt, kann eben nicht seine Kosten auf jemand andere abwälzen. Sein ganzer Lohn ist etwas Wasser. Wir leben nicht auf einer ausgetrockneten Insel (noch nicht. Wer weiß). Glaubst du, in der Wrtschaft würde noch in großem Stil so gearbeitet, wenn die Leute anschließend das Zeug nicht verkaufen könnten, sondern es nur für den Hausgebrauch und Eigenbedarf basteln? (Paar Extravagante gibt es immer. Die fragen aber dannauch nicht nach Tankstellen. Die wollen selbst buddeln. Genau darauf richten sich ja meine Fragen: Willst du, was du tust? Und wenn nicht: was willst du dann? Nimm doch das in Angriff! So oder hat es immer Konsequenzen, die - da in der Zukunft - Einschätzuingssache sind. Aber auch diese Einschätzungen haben Konsequenzen. Und manches ist wirklich vom Himmel gefallen und man muss damit leben, gut oder schlecht. Und auf anderes hat man Einfluss. Zum Beispiel auf das, was man für die eigenen Wünsche tut.
Mal ehrlich: wer diese Art des Schrott-Wirtschaftens als Vorlage für seine eigene Lebensgestaltung nimmt, darf sich auf ewige Unzufriedenheit gefasst machen. Da gilt halt oft: wennn der Fehler nicht sofort auffällt, ist es gut genug. Morgen wird nachgebessert.
Leben tust du aber heute. Es sollte heute funktioneren. Nicht immer nur morgen.
Ökonomie - schon gar nicht die heute übliche, scheuklappenblinde Vulgärökonomie "der Markt wird's richten" - ist kein hinreichendes Erklärmodell für Leben.
Ok. Diese Gedanken gehen vielleicht etwas weit. Allerdings gehst du auch mit deinem Gedanken zu weit. Deine Frage lautet ja in Langform:
warum sollte man nicht per Buddeln im Waldboden nach Wasser suchen,
wenn man ursprünglich Durst hat und eine Tankstelle mit Getränkeverkauf sucht,
und ein Spaziergänger einem einen näher liegenden Getränkeverkauf zeigen will
und auch glaubhaft auf erreichbare Tankstellen hinweist?
Stellt sich da die Frage wirklich???
Ich würde meinen, der Typ im Loch hat dann wohl schon nen Hitzschlag udn ist nichtmehr urteilsfähig. Zeit für den Notruf.
Ich danke dir aber dennoch für die Frage. Sie gibt mir einen Hinweis, dass die ressorcenverschwendende, lebenstötende Wirtschaftsweise a la "wenn's keiner merkt (der sich wirkkräftig beschwert), ist es gut genug" tatsächlich von Menschen auch für ihr Leben übernommen wird. Ich hatte bislang Hoffnung, dass Menschen instinktiv zu schlau sind, diesen Blödsinn als ernsthaftes Orientierungsmodell jenseits der Rendite anzunehmen. Von dieser vagen Hoffnng muss ch wohl Abschied nehmen.
Ich habe vor kurzem eine Handwerker verärgert, weil ich mch geweigert habe, ihm seinen Vordruck zu unterschrieben, mit dem ich ihm die "fachlich einwandfreie Ausführung" bestätigen sollte. Angaben waren leer "die füllen wir im Büro aus". Ich bin fachlich gar nicht kompetent. Ich war noch nicht mal Kunde, hab nur die Tür aufgemacht. Ich selbst hielt die Arbeit für unbegründet. Im Grunde wollte er eine Bestätigung, dass er da war. Die hat er bekommen. Nebenher sollte ich aber die Verantwortung für seine Abeit übernehmen.
Dass er 90 min vor Ort wr, aber 2 Stunden plus Anfahrt aufgeschrieben hat, hab ich ihm sogar duchgehen lassen.
Er war dennoch sauer, weil ich ihm den Vordruck verhunzt habe ... muss er dann im Büro erklären ...
Was das mit obiger Frage zu tun hat: es wird halt an allen Ecken gemogelt und auf den Schwächeren abgewälzt. Das ist in den vergangenen Jahrzehnten eingerissen. Mein persönlicher Eindruck: bis in die 90er war das deutlich weniger auffällig. Natürlich gab es immer Schlitzohren. Aber die heutige Verbreitung, den anderen zu übervorteilen - ist für mich gewöhnungsbedürftig. Daraus schließe ich, dass ich das früher anders erlebt habe - weiles anders war. (Und es schient mir mit Blick auf die Zeiträume wahrschienlich, dass es was mit der Verbreitung der IT und "techisch vermittelter Kommunikation" zu tun hat. Habe gerade den Bericht eines Chefredakteurs einer Lokalzeitung gelesen, der ein Jahr lang jeden Werktag mit einem ihm noch unbekannten Menschen im Verbreitungsgebiet gesprochen hat. Er fand das ein sehr lehrreiches Abenteuer. "Echte Gespräche! Die Leut wollen sich mitteilen - und haben ganz andere Anliegen als ich!" Bis vor 20 Jahren war das Alltag eines jeden Lokalredakteurs.).
Diese Wirtschaftsweise kannst du aber mit deinem eigenen Leben nicht umsetzen.
Wenn ich so im Forum lese, scheint mir, dass das einige dennoch versuchen, auch im Beziehungsleben. Und sich über die desaströsen Ergebnisse wundern.
@NBUC: es freut mich sehr, dass du den Mangel an praktischem Alltagsverstand in Gatems Frage erkannt hast.