Ich habe über die Jahre mal mehr, mal weniger ausdauernd diverse Portale ausprobiert. Beim Online-Dating ist der optische Eindruck bekanntlich die wichtigste Größe, um überhaupt eine Chance auf Erfolg zu haben. Ich würde mich als durchschnittlich attraktiv bezeichnen (schlank/sportlich, durchschnittlich groß, keine optischen Auffälligkeiten), habe es aber immer abgelehnt, mich für das Online-Dating oder auch beim Feiern zu verstellen und mich in einer Art und Weise zu stylen oder zu kleiden, die mir im Alltag nicht entspricht. Im Allgemeinen sah man mich – im echten Leben wie auch auf den Bildern – daher entweder in legerer (Jeans und Shirt) oder sportlicher Kleidung. Als Profilbilder habe ich daher auch meist Bilder ausgewählt, auf denen ich wandern, auf einem Festival, reisen oder in sonstiger Weise aktiv war, da ich mir diese Eckpfeiler auch von einer potenziellen Partnerin erhoffte.
Meine Erfahrungen mit den einzelnen Portalen:
1. Finya
Da Finya damals (vor etwa 10 Jahren) kostenlos war und eine Kommilitonin darüber ihren Freund kennengelernt hatte, dachte ich, dass ich mit einem Account dort nichts zu verlieren habe. War auch so, zu gewinnen gab’s allerdings ebenfalls nichts, weil es vor Fake-Profilen nur so wimmelte. In den ca. 4 Wochen, die ich dort aktiv war, hatte ich vielleicht 5 Chats mit (mutmaßlich) realen Frauen, die aber allesamt zu nichts führten.
2. Parship
Zweifellos die größte Enttäuschung, weil ich dort wirklich "Ernst" machen wollte und mir eine halbjährige, durchaus kostspielige Mitgliedschaft gegönnt hatte. Geführt hat es zu einem Date, bei dem für mich aber schon nach 5 Minuten klar war, dass es nicht passt, ansonsten zu einigen Chats, die aber alle irgendwann im Sande verliefen. Aus heutiger Sicht – das Ganze liegt bestimmt auch schon sechs oder sieben Jahre zurück – und aufgrund meiner späteren Erfahrungen mit Tinder und Bumble (dazu gleich mehr) nehme ich an, dass ich dort zu wählerisch war und mich nur um Frauen bemüht habe, in deren Liga ich zumindest oberflächlich nicht spielte.
3. Tinder und Bumble
Dann wären da noch die beiden bekannten Dating-Apps, die im Grunde ja gleich funktionieren – mit dem einen wichtigen Unterschied, dass auf Bumble nach erfolgtem Match die Frau den ersten Schritt machen, also den Chat eröffnen muss.
Auf Tinder hatte ich eher wenige Matches, obwohl ich sehr großzügig swipte. Ich suchte nach Frauen, die in meinem Alter, wenig älter oder ein paar Jahre jünger waren, in einer ungefähren Altersspanne von 7–10 Jahren rund um mein eigenes Alter (also zB Frauen, die zwischen 20 und 27 waren, später dann Frauen, die zwischen 22 und 32 waren etc.). Nach einiger Zeit wurde mir klar, dass der Algorithmus eine zwielichtige Rolle spielte und es natürlich primär im Interesse der App lag, dass ich dort aktiv blieb. Auffällig war vor allem, dass ich nach meiner Registrierung sowie später nach Phasen der Inaktivität plötzlich sehr viele Matches erhielt, in Phasen regelmäßiger Nutzung diese dagegen zunehmend spärlicher wurden. Ich schrieb nicht alle Frauen an, mit denen ich ein Match hatte – wie gesagt swipte ich fast immer nach rechts, um möglichst kein Match zu verpassen, auch bei Frauen, die mich beim zweiten, genaueren Hinsehen dann doch nicht so reizten. Von jenen, die ich anschrieb, kam in vielleicht einem Drittel der Fälle eine Antwort, wovon wiederum der Großteil im Sande verlief. Jene Frauen, mit denen ein ernsthafter Chat zustande kam, entsprachen dafür zumindest auf den ersten Blick oft meinen Vorstellungen, interessierten sich für Outdoor-Aktivitäten, Reisen, Literatur, Musik und Filme etc. Zu Dates kam es trotzdem lediglich in 3 Fällen, mit einer der Frauen habe ich mich mehrfach getroffen und sie auch geküsst, war dann aber zu zögerlich, um den nächsten Schritt zu machen und wurde schließlich gefriendzoned. Insgesamt hatte ich bei Tinder anders als bei Bumble das Gefühl, dass auf beiden Seiten vor allem die gängigen Schönheitsideale gefragt sind und man diese deshalb auch prominent herausstellen muss, um eine Chance zu haben – mit einem Profilbild in Wanderstiefeln ist man dort eher ein Exot, und das nicht im guten Sinne.
Auf Bumble ging ich im Grunde gleich vor wie auf Tinder, hatte aber deutlich mehr Matches. Das kann nun entweder an der Plattform selbst liegen (vielleicht swipen Frauen großzügiger, wenn sie wissen, dass der erste Schritt auch im Falle eines Matches bei ihnen liegt?) oder aber daran, dass ich mittlerweile 1-2 Jahre älter war als bei meinen Tinder-Versuchen, und bei allen Nachteilen, die man als Single mit zunehmendem Alter hat: Die Konkurrenz wird immerhin ebenfalls weniger
Die charakteristische Eigenheit von Bumble hatte zudem den schönen Effekt, dass mich zwar bei Weitem nicht alle Frauen anschrieben, die mich gematcht hatten – diejenigen, die es taten, hatten aber ernsthaftes Interesse an einem Gespräch und dann auch schnell an einem Date. Ich hatte in einem relativ kurzen Zeitraum eine für mich ungewöhnlich große Zahl an Dates, wobei ich mit einer Frau beim zweiten Date rumknutschte und ein sehr gutes Gefühl hatte, dann aber auf ziemliche demütigende Weise abgeschossen wurde (letztlich machte zwar ich Schluss, aber lediglich, weil mir die Frau relativ klar signalisierte, dass sie noch mit anderen Männern anbandelte und ich nicht der Favorit, sondern eher die Backup-Lösung war). Bei der nächsten Frau hat es dann aber gefunkt und wir sind bis heute zusammen
Mein Favorit unter den Portalen, mit denen ich Erfahrungen gemacht habe: Bumble – nicht nur, weil ich dort letztlich fündig geworden bin, sondern auch, weil dort die Chance auf Dates insgesamt spürbar am größten war. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass ich dort gereifter und selbstbewusster auftrat als auf den Portalen zuvor und sich möglicherweise auch einige demografische Faktoren ein Stück weit zu meinen Gunsten entwickelt hatten.
Meine wichtigste (wenn auch natürlich etwas pauschal formulierte) Erkenntnis beim Online-Dating, die sich vor allem durch die Gespräche bei den Dates mit den einzelnen Frauen über ihr und mein Swipe-Verhalten eingestellt hat: Die Frau wählt aus. Ausnahmslos alle Damen, die ich gedated habe, swipten bei nur wenigen Männern nach rechts, und zwar nur dann, wenn sie an einem Match echtes Interesse hatten, wohingegen die meisten Männer grundsätzlich erstmal überhaupt Matches haben wollen und dann entscheiden. Das führt dazu, dass die meisten Frauen relativ problemlos an Matches kommen und eine große Auswahl haben, während viele Männer ganz leer oder mit nur wenigen Matches ausgehen. Daran kann man als Mann nicht allzu viel ändern, aber man sollte sich einfach drüber im Klaren sein: Auf den ersten Blick scheint man auf Tinder oder Bumble eine Frau wie aus einer Speisekarte auswählen zu können, aber so ist es (glücklicherweise!) mitnichten. Die Vorstellung, dass da draußen unter den unzähligen Profilen noch eine attraktivere/nettere/passendere Frau darauf wartet, das eigene Profil zu liken, ist verlockend, aber höchstwahrscheinlich eine Illusion. Also nicht zu perfektionistisch sein, sondern lieber Chancen nutzen, um Menschen kennenzulernen. Ein Jahr zuvor hätte ich den Chat mit meiner heutigen Freundin vielleicht noch abgebrochen, weil sie beim Schreiben etwas spröde und schnippisch wirkte – da hätte ich sehr viel verpasst