cameleon23 hat geschrieben: ↑02 Sep 2020 20:06
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Ich bringe es fast nie über mich, irgendwo hinzugehen wo ich Interesse daran hätte, wenn ich alleine bin. Das ist ehrlicherweise meistens der Fall. Ein Grund ist natürlich mein Mini-Sozialumfeld.
Kennt ihr das und habt ihr eventuell Tipps?
Womit könnte man da am Besten anfangen um schrittweise diese Unsicherheit anzulegen?
Meine Angst ist halt immer das ich Leute treffe die ich kenne, und welche sich dann über mein Allein sein wundern/abgestoßen fühlen könnten, vielleicht sogar über mich lästern könnten...
Und ebenso ist meine Angst, dass ich wenn ich einmal mit neuen Leuten ins Gespräch kommen würde, und es möglicherweise im Smalltalk schnell zur Frage kommen könnte ob ich alleine da bin und warum. Auf diese Frage könnte ich nämlich entweder lügen oder ehrlich sein und sagen: Ich habe wenige/keine Freunde. bzw. Ich hab wenige/keine Freunde die mit mir diese Veranstaltung... besuchen. Und dann ist halt immer die Angst da, das die Leute das Seltsam und abstoßend finden.
Außerdem habe ich oft das komische und natürlich vollkommen irrationale Gefühl, das wenn ich rausgehe es schon herumgesprochen hat, das ich der Komische Geist aus diesem und jenem Stadtviertel bin, und selbst Leute die ich nicht können über meine Situation Bescheid wissen. Es ist sicher nicht so, nur es hemmt mich eben dann noch mehr auf Leute zuzugehen.
Hallo
Zwar ist es bei mir von der Ausgangslage etwas anders, da mein soziales Umfeld nicht klein ist, dennoch unternehme ich öfter auch mal was allein (Café/Restaurant, Theater, Museum, Kino, Konzert). Das hat zum Teil damit zu tun, dass mein Freundeskreis recht weit verstreut ist, zum Teil damit, dass die Freunde und Freundinnen, die vielleicht gerade verfügbar wären, sich nicht für die jeweilige Aktivität interessieren.
So war es zum Beispiel bei einem Konzert vor zwei Wochen. Als ich merkte, dass niemand mit möchte, habe ich sogar eine "Neu in..."-Facebookgruppe genutzt und gefragt, ob jemand mitkommen will und/oder einen Schlafplatz in der Stadt hat. Ich habe auch FreundInnen von Freunden gefragt. Nüscht. (Durch Corona hatte ich zwei Karten kaufen müssen, eine davon ist dann letztlich verfallen.) Ich wollte die Band einfach wirklich sehen. Und hatte auch eine tolle Zeit.
Tatsächlich traf ich sogar einen Bekannten, der mit ein paar Leuten auch dort war. Das war aber nicht unangenehm und wir haben nach dem Konzert kurz geplaudert.
Das soll jetzt als das aktuellste Beispiel reichen.
Um auf deine Frage zu antworten: Ich führe ganz häufig die Aktivität auch allein durch, weil der Film/die Musik/die Ausstellung mich einfach interessiert. Gefragt, warum ich irgendwo allein bin, hat in der Tat noch niemand. Die Angst ist ja erst einmal im eigenen Kopf und durch "Gedankenlesen" werden eigene Bewertungsmuster in andere hineinprojiziert. Dass andere abschätzig denken ist dabei ja nur eine Möglichkeit und meiner Meinung nach denken andere vielfach nicht so sehr über fremde Personen nach, wie man selbst das vermutet und sich in den Mittelpunkt stellt.
Wenn du dann eine Aktivität vermeidest, stößt du auch einen Verstärkungszyklus an: Durch das Vermeiden verspürst du unmittelbar emotionale Erleichterung...im Nachhinein ärgerst du dich vielleicht, dass du XYZ nicht getan hast, aber wenn eine erneute Situation auftritt, ist die Angst wieder ein Stück gewachsen und durch das Vermeiden bringst du dich in Sicherheit.
"Do what you are afraid to do and death of fear will be certain." (R. W. Emerson) ...versuche, deine Angst nicht dein Verhalten bestimmen zu lassen. Zur Not spüre das Unwohlsein und begib dich dennoch in die Situation. Eine Angstreaktion ist nicht gefährlich (man stirbt nicht einfach an einer Emotion, so unangenehm sie auch durchlebt wird.) und die körperlichen Anteile lassen in der Situation nach einiger Zeit nach (was man sich zuvor vielleicht auch nur schwer vorstellen kann).
Du könntest die ganze Situation vielleicht auch von einer anderen Perspektive betrachten: Du begibst dich in den Momenten, in denen du etwas allein machst, aus deiner Komfortzone. Da sind "Wachstumsschmerzen" normal. Du lernst eben dazu, wenn du tust, was du sonst nicht tust. Unsicherheit ist dabei völlig normal. So ein lernen schließt auch Fehlschläge mit ein...und aus diesen könntest du lernen. Welche Erkenntnisse sie für dich bereit halten kannst du zuvor natürlich nicht wissen. Ich finde deinen Ansatz, dich langsam zu steigern, sehr sinnvoll. Veränderungen können mit kleineren Schritten sehr nachhaltig werden. Babyschritte finde ich gut.
Eine letzte Sache noch: Frage dich in den jeweiligen Situationen doch auch ab und an, ob du mit der Alternative zur Aktivität glücklicher (oder genauso glücklich) wärst (Auch das ist, zugegebenermaßen, Gedankenlesen. Aber im Dienst des persönlichen Wachstums, nicht der Angst). Wenn nicht, dann mach lieber die Aktivität. Ich hätte vermutlich nur Videospiele gespielt und Sport gemacht. So sehr ich das mag, das Konzert fand ich dann doch verlockender.