Ich kenne dieses sehnsüchtige Zurückblicken auch gut. Diese Zeiten werden bestimmt nicht wiederkommen. Aber dennoch gebe ich Teetrinker an diesem Punkt doch auch recht:Pattick hat geschrieben:Also ich war damals extrem gehemmt, extrem einsam, extrem in mich gekehrt - und hab so einiges verpasst wie ich heute weiß. Ich kann nur schreiben, wie ich es erlebe. Ich war damals zu doof zu kapieren, dass auf der Klassenfahrt im Nachbarraum großes Ausprobieren war (ich hab's wirklich nicht mitgekriegt so in mich gekehrt war ich), Mädels haben mich offensiv angegraben, mit 14 hat ein Junge neben mir im Zelt mit einem Mädel geschlafen, ich hab es neutral zur Kenntnis genommen, ich konnte es nicht, und ich hab mich verschlossen und bin es geblieben. Ich hatte meine Chancen damals, nicht als erwachsener, nie mehr seit ich 16 bin, nie mehr so dass es ein Interesse an mir als Partner war und nicht sozusagen ein Angebot für ne schnelle Nummer. Das hatte ich schon, das wollte ich aber nicht. Ich hatte meine Chancen in der Jungend, als Sensibelchen, und habe es versaut. Das alles änderte sich erst letztes Jahr ein wenig.
Wir müssen uns davor in Acht nehmen, vergangenes schöner zu sehen, als es tatsächlich war. Es stimmt, dass wir da jeden hoffnungslosen Versuch hätten starten können, und das heute, 10 der 20 Jahre später, alles als Jugendsünde abgestempelt und vergeben und vergessen wäre - aber im tatsächlichen Moment war die Pubertät sicher auch kein Freibrief zum Ausprobieren. Im Gegenteil glaube ich, gab es damals viel mehr zu verlieren. Man ist als Teenie bedeutend mehr auf die Anerkennung von Gleichaltrigen angewiesen als nun als Erwachsener, hat noch grössere Hemmungen zu überwinden und auch nicht so wirklich das Selbstbewusstsein, seine Gefühle in Worte zu packen (und einem Mädchen beispielsweise zu sagen, dass man es küssen möchte, aber Angst davor hat). Und gerade in sich gekehrte Jungs, wie ich zweifelsohne auch in ziemlich radikaler Ausprägung war, müssen das auch mit einbeziehen. Wären wir wieder jung, es würde alles wieder so enden, wir hätten wieder nicht den Mut, Dinge auszuprobieren, würden die besten Chancen einfach verstreichen lassen.Teetrinker hat geschrieben:Die lockere und wenig problematische Beschreibung ist daher vielleicht nur für sehr gefestigte junge Menschen so zutreffend. Absurd auch die Abgrenzung zu "heute" - Mit dem Alter steigen erstens die eigenen Chancen, Gelassenheit zu lernen und zweitens nimmt einem das (eben ganz im Gegensatz zu Jugendlichen!) tatsächlich seltener jemand übel; eher wird es jemandem "übel genommen" (etwa in der milden Form, daß sich darüber gewundert wird) wenn jemand _nie_ was versucht.
Vor allem dürfen wir Vergangenes nicht als Ausrede benutzen, wir können die Sicht auch einmal umzudrehen versuchen: Heute haben wir das Glück, dass wir bezüglich sozialem Status kaum etwas zu verlieren haben, weil unsere Mitmenschen viel eher mit Mitgefühl als mit Spott reagieren werden, wenn es eine Absage gibt - und wir dazu haben (meistens) einigermassen unter Kontrolle, wer überhaupt davon erfahren wird. Und unsere Gegenüber sind meist ein bisschen erfahrener und sicherer, wir können hoffen, dass sie sich vielleicht etwas mehr wagen als wir, wenn wir sie mal beiläufig auf unsere Unsicherheit hinweisen. Gerade für Menschen wie uns ist das Älterwerden wahrscheinlich auch die einzige Chance, den Anschluss doch noch einmal zu finden. In der Welt von damals kamen wir bezüglich Mädchen nicht zurecht, vielleicht klappt es dafür irgendwie in der Welt von morgen.
Interessanterweise bemerken wir (und ich ganz explizit auch) oft erst rückblickend, wie toll doch alles war. Vielleicht müssen wir entweder häufiger das Gute in diesem Moment finden oder beginnen, ehrlicher zurückblicken. Sonst enden wir in 20 Jahren wieder damit, dass wir zurückschauen und bemerken, dass wir heute eigentlich noch recht gute Chancen gehabt hätten, aber nun wieder zu spät ist.