DDR und Wendezeit Erinnerungen

Dein Thema passt in keines der anderen Freizeit-Foren? Kein Problem, schreib es einfach in diesen Bereich.
Melli

Re: DDR und Wendezeit Erinnerungen

Beitrag von Melli »

Man kann sich ja mal nachts um halb drei vor einen Wohnblock stellen und laut rufen: "Alexa, spiel mal 'Smoke on the Water'!" :mrgreen:

Ideologische Umtriebe fand ich als Blockfreie auch im Westen manchmal eine Zumutung.

Die Wende habe ich nicht verstanden. Erst waren sie Erzfeinde, dann war das alles nicht mehr wahr :gruebel:
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Axolotl
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Re: DDR und Wendezeit Erinnerungen

Beitrag von Axolotl »

Ringelnatz hat geschrieben: 08 Sep 2020 20:03
Ich verstehe worauf du anspielst. Immerhin: Keiner zwingt dich Alexa zu nutzen, oder? Und wenn du was gegen Merkel sagst, wirst du auch nicht verhaftet ;) Ich bin politisch unbewandert, aber einen kleinen Unterschied bezüglich Möglichkeiten und Konsequenzen meine ich da erkennen zu können.
Mach es mal anders und greife mal das Amt des Bundeskanzlers an. Mal schauen was dann so passiert 8-)

Auch in der DDR wurde nicht gleich jeder verhaftet, der sich kritisch geäußert hat. Auch wenn westliche Medien gerne was anderes behaupten.
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Acealus

Re: DDR und Wendezeit Erinnerungen

Beitrag von Acealus »

Axolotl hat geschrieben: 08 Sep 2020 21:17
Ringelnatz hat geschrieben: 08 Sep 2020 20:03
Ich verstehe worauf du anspielst. Immerhin: Keiner zwingt dich Alexa zu nutzen, oder? Und wenn du was gegen Merkel sagst, wirst du auch nicht verhaftet ;) Ich bin politisch unbewandert, aber einen kleinen Unterschied bezüglich Möglichkeiten und Konsequenzen meine ich da erkennen zu können.
Mach es mal anders und greife mal das Amt des Bundeskanzlers an. Mal schauen was dann so passiert 8-)

Auch in der DDR wurde nicht gleich jeder verhaftet, der sich kritisch geäußert hat. Auch wenn westliche Medien gerne was anderes behaupten.
Du kannst dich in Deutschland in die nächstbeste Talkshow setzen und dich so offen, wie du nur willst über das Amt des Bundeskanzlers auslassen - außer, dass dich die ganze Welt dann (zurecht) für einen extrem merkwürdigen Vogel hält, passiert rein gar nichts.

Erst, wenn du massiv drohst, die demokratische Grundordnung zu sabotieren, wird etwas passieren... das ist so lachhaft heutige Zustände ansatzweise mit der damaligen Zeit vergleichen zu wollen.
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Swenja
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Re: DDR und Wendezeit Erinnerungen

Beitrag von Swenja »

In der DDR gab es ganz sicher viel grau,
aber genauso wenig schwarz-weiß wie sonst überall.
schmog

Re: DDR und Wendezeit Erinnerungen

Beitrag von schmog »

Einsamer Igel hat geschrieben: 08 Sep 2020 16:43
Volltrottel hat geschrieben: 08 Sep 2020 12:08 Mich hat die DDR und ihr Alltag immer fasziniert, alles war viel wertvoller als heute und das Strassenbild bot einem Halt im Alltagsleben.
Wer erinnert sich auch an diese wundervolle Zeit?
2 Fragen, die man mal dagegen stellen kann:
Glaubst du nicht, dass es denselben Effekt auch in der BRD gab?
Woher rührt deine Sehnsucht nach Beständigkeit und Wertschätzung?

Ich würde es aus eigener Perspektive nicht so sehr verklären wollen, "die gute alte Zeit" hatte auch ihre Schattenseiten. Hüben wie drüben.
Sicherlich waren Gebrauchsgegenstände damals wertiger, da die Obsoleszenz noch nicht nach so kurzer Zeit wie heutzutage eingeplant war.
Dafür waren die Dinge auch teurer, man brauchte vieles nicht, weil man dafür lange hätte sparen müssen. Man war vielleicht aus Gewohnheit genügsamer und setzte Prioritäten.

Heute sind wir überflutet mit Billigkram, fast jeder kann sich ganz viel leisten. Das Anspruchsdenken hat sich gewandelt und dass der Kram nicht lange hält, interessiert viele erst mal nicht. Heute "muss" man viel mehr Kram haben, weil dieser Kram stärker noch als vor einigen Jahrzehnten einen sozialen Zweck erfüllt. Wir leben in einer Wegwerfgesellschaft. Die Dinge, die wir kaufen, haben wenig Wert. Und selbst wenn sie, gemessen an einem vielleicht sehr kleinen Budget, teuer waren, sind sie doch oft wertlos, weil sie nicht lange halten und noch nicht mal repariert werden können. Man kauft für die Mülltonne.
Nachbarschaftsbeziehungen und familiärer Zusammenhalt war auch wertvoller. Wir folgen seit Jahrzehnten dem Trend zur Vereinzelung. Man hat es nicht mehr nötig. Und die Digitalisierung sozialer Welten tut ihr übriges dazu.


Aber um auf der Objektebene zu bleiben: Es gibt auch heute noch Ecken, in denen sich in den letzten Jahrzehnten kaum was verändert hat. Wo das Straßenbild eine gewissen Stabilität ausstrahlt. Wo die Zeit wie stehen geblieben anmutet. Aber das ist heute auch nicht mehr modern, es wird sich immer irgendwer finden, der das unbedingt ändern muss. Weil Veränderung ja Fortschritt ist und somit "gut". Es fängt vielleicht ganz harmlos an, mit Verbesserung der Nutzungsqualität für die Anwohner. Eine modernere Ampelanlage, ein Ausbau der Parkplätze, Erneuerung der Straßenbeleuchtung. Wiederbelebung stagnierender Stadtteile/Schaffung neuer Arbeitsplätze durch Wirtschaftsförderung. Und nach und nach verändert sich alles. Alteingesessene Läden können nicht mithalten und werden ersetzt durch Großgeschäfte auf der grünen Wiese, die ohne Auto aber kaum erreichbar sind. Autolose Menschen werden schlicht ignoriert und können bleiben, wo der Pfeffer wächst. Man wird auch nicht gefragt: Möchtest du große Mengen Zeugs aus großen Geschäften in dein idealerweise großes Auto verfrachten, oder willst du einfach nur deinen Tagesbedarf im Laden um die Ecke einkaufen? Diese Entwicklung sehe ich als autoloser Mensch als Verschlechterung an. Aber gefragt hat mich danach freilich keiner. :roll:

Was ich noch ganz witzig finde: Wenn man früher was im Tante Emma Laden nicht gekriegt hat, war der Inhaber aber meist so nett, in seinen KATALOGEN nachzublättern und das Gewünschte extra für einen zu bestellen. Wenn es erhältlich war, dann wollte man dem Kunden den Wunsch auch erfüllen. Man war serviceorientiert. Heutzutage ein Fremdwort. Da wird nix mehr für einen Kunden bestellt, das muss der sich im Internet selber bestellen. Hat man dadurch mehr Freiheit oder weniger?
Ich fand es ganz nett, dass die Händler sich damals (neben dem eigenen Umsatz) noch für das Wohlergehen der Kundschaft interessiert haben.
1+

Diese Wegwerf/Überflussgesellschaft geht mir schon lange auf den Geist!

Früher baute man Geräte für die Ewigkeit, heute wirft man sie weg.
Ich habe inzwischen 7 ausrangierte PC und 3 alte Fernseher in der Ecke stehen.
Clochard

Re: DDR und Wendezeit Erinnerungen

Beitrag von Clochard »

Mannanna hat geschrieben: 08 Sep 2020 17:34 2. DDRler hat Job im Westen gefunden: "Wann wird denn hier Karten gespielt?" "Gar nicht." "Was? Nee, das ist mir zu anstrengend." Sagt's und kündigt wieder.
Alter Witz aus der Zeit:

Ein Amerikaner und ein Russe diskutieren darüber, wer im besseren System lebt. Der Amerikaner: Ich kann mich jeden Tag vors weiße Haus stellen und rufen "unser Präsident ist ein Idiot" und ich werde nie verhaftet - kannst du das auch?" Der Russe: Nein, aber ich kann jeden Morgen besoffen zur Arbeit kommen und werde nie entlassen - kannst du das auch?
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Re: DDR und Wendezeit Erinnerungen

Beitrag von Clochard »

Ringelnatz hat geschrieben: 08 Sep 2020 18:57 Man durfte sich nicht frei äußern, musste Bespitzelung fürchten. ... Positiv in Erinnerung gebieben ist ihnen der Zusammenhalt unter Nachbarn. Man hat sich gegenseitig mehr geholfen.
das waren aber oft zwei Seiten derselben Medaille

die IMs haben sich immer besonders rangeschmissen, den anderen zu helfen, um sich ihr Vertrauen zu erschleichen
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Re: DDR und Wendezeit Erinnerungen

Beitrag von Axolotl »

Clochard hat geschrieben: 09 Sep 2020 07:28
das waren aber oft zwei Seiten derselben Medaille

die IMs haben sich immer besonders rangeschmissen, den anderen zu helfen, um sich ihr Vertrauen zu erschleichen
Sprichst du aus Erfahrung? Oder hast du das aus ner Phoenix Doku über die DDR gelernt? ;)
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Mannanna
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Re: DDR und Wendezeit Erinnerungen

Beitrag von Mannanna »

schmog hat geschrieben: 09 Sep 2020 06:47
Einsamer Igel hat geschrieben: 08 Sep 2020 16:43
Volltrottel hat geschrieben: 08 Sep 2020 12:08 Mich hat die DDR und ihr Alltag immer fasziniert, alles war viel wertvoller als heute und das Strassenbild bot einem Halt im Alltagsleben.
Wer erinnert sich auch an diese wundervolle Zeit?
2 Fragen, die man mal dagegen stellen kann:
Glaubst du nicht, dass es denselben Effekt auch in der BRD gab?
Woher rührt deine Sehnsucht nach Beständigkeit und Wertschätzung?

Ich würde es aus eigener Perspektive nicht so sehr verklären wollen, "die gute alte Zeit" hatte auch ihre Schattenseiten. Hüben wie drüben.
Sicherlich waren Gebrauchsgegenstände damals wertiger, da die Obsoleszenz noch nicht nach so kurzer Zeit wie heutzutage eingeplant war.
Dafür waren die Dinge auch teurer, man brauchte vieles nicht, weil man dafür lange hätte sparen müssen. Man war vielleicht aus Gewohnheit genügsamer und setzte Prioritäten.

Heute sind wir überflutet mit Billigkram, fast jeder kann sich ganz viel leisten. Das Anspruchsdenken hat sich gewandelt und dass der Kram nicht lange hält, interessiert viele erst mal nicht. Heute "muss" man viel mehr Kram haben, weil dieser Kram stärker noch als vor einigen Jahrzehnten einen sozialen Zweck erfüllt. Wir leben in einer Wegwerfgesellschaft. Die Dinge, die wir kaufen, haben wenig Wert. Und selbst wenn sie, gemessen an einem vielleicht sehr kleinen Budget, teuer waren, sind sie doch oft wertlos, weil sie nicht lange halten und noch nicht mal repariert werden können. Man kauft für die Mülltonne.
Nachbarschaftsbeziehungen und familiärer Zusammenhalt war auch wertvoller. Wir folgen seit Jahrzehnten dem Trend zur Vereinzelung. Man hat es nicht mehr nötig. Und die Digitalisierung sozialer Welten tut ihr übriges dazu.


Aber um auf der Objektebene zu bleiben: Es gibt auch heute noch Ecken, in denen sich in den letzten Jahrzehnten kaum was verändert hat. Wo das Straßenbild eine gewissen Stabilität ausstrahlt. Wo die Zeit wie stehen geblieben anmutet. Aber das ist heute auch nicht mehr modern, es wird sich immer irgendwer finden, der das unbedingt ändern muss. Weil Veränderung ja Fortschritt ist und somit "gut". Es fängt vielleicht ganz harmlos an, mit Verbesserung der Nutzungsqualität für die Anwohner. Eine modernere Ampelanlage, ein Ausbau der Parkplätze, Erneuerung der Straßenbeleuchtung. Wiederbelebung stagnierender Stadtteile/Schaffung neuer Arbeitsplätze durch Wirtschaftsförderung. Und nach und nach verändert sich alles. Alteingesessene Läden können nicht mithalten und werden ersetzt durch Großgeschäfte auf der grünen Wiese, die ohne Auto aber kaum erreichbar sind. Autolose Menschen werden schlicht ignoriert und können bleiben, wo der Pfeffer wächst. Man wird auch nicht gefragt: Möchtest du große Mengen Zeugs aus großen Geschäften in dein idealerweise großes Auto verfrachten, oder willst du einfach nur deinen Tagesbedarf im Laden um die Ecke einkaufen? Diese Entwicklung sehe ich als autoloser Mensch als Verschlechterung an. Aber gefragt hat mich danach freilich keiner. :roll:

Was ich noch ganz witzig finde: Wenn man früher was im Tante Emma Laden nicht gekriegt hat, war der Inhaber aber meist so nett, in seinen KATALOGEN nachzublättern und das Gewünschte extra für einen zu bestellen. Wenn es erhältlich war, dann wollte man dem Kunden den Wunsch auch erfüllen. Man war serviceorientiert. Heutzutage ein Fremdwort. Da wird nix mehr für einen Kunden bestellt, das muss der sich im Internet selber bestellen. Hat man dadurch mehr Freiheit oder weniger?
Ich fand es ganz nett, dass die Händler sich damals (neben dem eigenen Umsatz) noch für das Wohlergehen der Kundschaft interessiert haben.
1+

Diese Wegwerf/Überflussgesellschaft geht mir schon lange auf den Geist!

Früher baute man Geräte für die Ewigkeit, heute wirft man sie weg.
Ich habe inzwischen 7 ausrangierte PC und 3 alte Fernseher in der Ecke stehen.
Die Sache mit den PC liegt aber auch daran, daß die Anforderungen immer weiter steigen. Versuch dochmal, heute mit deinem alten DOS-486er noch irgendwas zum laufen zu kriegen.

Und Fernseher? Meiner ist 20 Jahre alt (Röhrengerät) und solange er es noch tut, habe ich ihn eben und wenn er mal den Geist aufgibt, gibt es halt einen Neuen. Aber wozu soll ich den alten dann noch in irgendeine Ecke stellen?
Nichts auf der Welt ist so gerecht verteilt wie der Verstand. Denn jedermann ist überzeugt, daß er genug davon habe. (Descartes)

"Man will immer, was man nicht hat, und wenn man's hat, ist's langweilig" (Rainald Grebe, "Krümel")
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Re: DDR und Wendezeit Erinnerungen

Beitrag von Ninja Turtle »

LesHommes hat geschrieben: 08 Sep 2020 19:01 Filmtipp: die Langzeit-Doku (1961 bis 2005) Die Kinder von Golzow in der rbb Mediathek
Die Doku finde ich super. Frisst nur leider mein gesamtes Datenvolumen. :schwitzen:
Volltrottel

Re: DDR und Wendezeit Erinnerungen

Beitrag von Volltrottel »

Ninja Turtle hat geschrieben: 09 Sep 2020 18:38
LesHommes hat geschrieben: 08 Sep 2020 19:01 Filmtipp: die Langzeit-Doku (1961 bis 2005) Die Kinder von Golzow in der rbb Mediathek
Die Doku finde ich super. Frisst nur leider mein gesamtes Datenvolumen. :schwitzen:
Die Serie kenne ich, ist wirklich schön. Die lief als ich jugendlich war im ORB Fernsehen immer abends, habe ich oft zum Einschlafen gesehen.
Mit dem Datenvolumen musst du dir eine Surfflat besorgen, ich habe immer 15GB und behalte oft 5 GB übrig am Schluss.
Melli

Re: DDR und Wendezeit Erinnerungen

Beitrag von Melli »

Acealus hat geschrieben: 08 Sep 2020 21:34das ist so lachhaft heutige Zustände ansatzweise mit der damaligen Zeit vergleichen zu wollen.
Was leider hie wie da gilt. In der BRD war auch unter dem gemeinen Volk die Nettigkeit weitverbreitet, Diskussionsansinnen mit "Geh doch rüber, geh doch rüber, wenn's dir hier nicht paßt!" abzuwürgen. Oder auch das Muster, die "da drüben" bauen Mist (z.B. bei AKWs, Umweltverschmutzung usw., und dann die Wirtschaft...), aber hier ist doch alles in bester Ordnung :holy: Schau doch mal das ZDF-Magazin 📺

Und dann natürlich die legendäre Empfehlung: "Auf der Flucht erschießen, auf der Flucht erschießen." Oder schon alleine die Idee einer nächtlichen Zusammenrottung in Stuttgart-Stammheim. Es ist nicht die Politik der Nachkriegs-Aera, die damit ihre Unschuld verlor, wie man mal behauptet hat, es sind die verkommenen Umgangsformen, die einem erschrecken mußten :(

Für manche Leute scheint es nicht schlimm, Feinde zu haben – solange des die richtigen Feinde sind :hammer:
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Re: DDR und Wendezeit Erinnerungen

Beitrag von Küstenkind »

Auch ich habe die ersten Jahre meiner Kindheit in der DDR verbracht, bis zur Wende. Auch ich habe viele Erinnerungen, teils schöne, teils weniger schöne.

Vieles hat sich später, als ich erwachsen wurde bzw. erwachsen war auch als sehr verklärt heraus gestellt, vor allem dann durch das Erzählen meiner Eltern und Verwandten. Zum Beispiel der auch hier aufgeführte "Zusammenhalt" diente oft einfach nur dem Zweck, über Beziehungen an Handwerkstätigkeiten, Arbeitsmaterialien, Ersatzteile usw. zu kommen. Ich hab noch ein paar Rollen Rauhfasertapete, dafür suche ich jemanden, der meinen Trabi repariert. So zum Beispiel.

Auch die viel gelobte flächendeckende Ganztagesbetreuung quasi von Geburt an bis zur 4. Klasse hört sich nach Luxus an. Wenn man aber bedenkt, dass Frauen (gerade die gut ausgebildeten) keine Wahl hatten, und die Betreuung in Anspruch nehmen mussten und nicht unbedingt selber entscheiden konnten, ob sie 1, 2 oder 3 Jahre mit Kind zu Haus bleiben wollten, lässt dies in einem anderen Licht erscheinen.

Ich möchte meine Kindheit in der DDR nicht missen, möchte die DDR aber auch auf keinen Fall zurück haben und bin froh, nicht auch noch meine Jugend und mein Erwachsenenleben in der DDR verbracht zu haben.

Ich habe auch absolut kein Verständnis für die ganzen sogenannten (N)Ostalgiker, die meinen, früher war alles besser und schöner, weil es eine bestimmte Sorte Bonbons gab, die besonders lecker war :roll:

Letztendlich muss man aber auch sagen, die meisten DDR-Bürger haben einfach ihr Leben und ihren Alltag gelebt, wie überall auch. Arbeiten, Schule, Familie, Urlaube, Freizeit. Da wurde nicht dauernd tagein tagaus darüber gegrübelt, dass man in der DDR lebt, dass man nicht reisen darf, dass man bespitzelt wird.
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Re: DDR und Wendezeit Erinnerungen

Beitrag von Küstenkind »

Finnlandfreundin hat geschrieben: 08 Sep 2020 19:24 Meine persönlichen Erinnerungen: Geruch des Trabbis - damals nicht wahrgenommen, heute liebe ich es / mit dem Trabbi zur Ostsee - ich stand teilweise in der Mitte hinten im Auto / die Platten auf der Autobahn - dieses gleichmäßige Geräusch, schön zum Schlafen / Jungpionier / einen Teil der Familie nur von Fotos und Erzählungen kennen / Intershop / Handrührgerät RG 28 in orange - hat meine Mutti und er funktioniert immer noch
Ach ja, die Intershops! Herrlich! Was haben wir geguckt und gestaunt und uns gefreut, wenn wir uns was aussuchen durften! :shylove:
Das Handrührgerät besitzt auch meine Mutter noch in orange. Funktioniert noch und ist regelmäßig im Einsatz! Ich glaube viele Gebrauchsgegenstände waren früher aus Kunststoff in orange :D
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Re: DDR und Wendezeit Erinnerungen

Beitrag von Swenja »

Küstenkind hat geschrieben: 09 Sep 2020 19:38 ....
Auch die viel gelobte flächendeckende Ganztagesbetreuung quasi von Geburt an bis zur 4. Klasse hört sich nach Luxus an. Wenn man aber bedenkt, dass Frauen (gerade die gut ausgebildeten) keine Wahl hatten, und die Betreuung in Anspruch nehmen mussten und nicht unbedingt selber entscheiden konnten, ob sie 1, 2 oder 3 Jahre mit Kind zu Haus bleiben wollten, lässt dies in einem anderen Licht erscheinen.
...
Sorry, Küstenkind - aber in dieser Absolutheit möchte ich es nicht stehen lassen. Es widerspricht meinem eigenen Erleben.

Zu meiner Schulzeit - die Mutter einer Schulfreundin war Hausfrau, der Vater hat die Familie versorgt.
(Es gab auch drei Mütter, die zuhause gearbeitet haben.)
In unserem Aufgang (Mehrfamilienhaus) wohnte ein Ehepaar - die Frau war Hausfrau, die zwei "Kinder" studierten.
Im Nachbaraufgang wohnte ein kinderloses Ehepaar - die Frau war Hausfrau.
Ich hatte zwei Schüler, deren Mütter ebenfalls "nur" Hausfrauen waren...

In den siebziger Jahren gab es dann das "Babyjahr" - die Mütter konnten, wenn sie es denn wollten, das erste Lebensjahr mit dem Kind zuhause bleiben. Beim ersten Kind unbezahlt, ab dem zweiten Kind bezahlt...und das galt auch für - Zitat " die gut ausgebildeten ".

Aber Du hast recht - "Ganztagsbetreuung" liest sich nach Luxus, doch es war keiner.
Wenn ich mich recht entsinne, dann habe ich für einen Betreuungsplatz pro Monat zwischen 12 und 15 DDR-Mark bezahlt.
(Luxus sind für mich eher die heutigen Preise, falls ich den Erzählungen meiner Töchter glauben darf.)
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Re: DDR und Wendezeit Erinnerungen

Beitrag von Axolotl »

Küstenkind hat geschrieben: 09 Sep 2020 19:38
Auch die viel gelobte flächendeckende Ganztagesbetreuung quasi von Geburt an bis zur 4. Klasse hört sich nach Luxus an. Wenn man aber bedenkt, dass Frauen (gerade die gut ausgebildeten) keine Wahl hatten, und die Betreuung in Anspruch nehmen mussten und nicht unbedingt selber entscheiden konnten, ob sie 1, 2 oder 3 Jahre mit Kind zu Haus bleiben wollten, lässt dies in einem anderen Licht erscheinen.
Tut mir leid, aber das stimmt so nicht. Es gab hier keinen staatlichen Zwang gegenüber Frauen arbeiten zu gehen. Klar hat es dem Selbstbild des Sozialismus in der DDR entsprochen, dass Frauen arbeiten. Das heißt aber nicht, dass die SED Frauen zur arbeit genötigt hätte. Eher waren soziale- und finanzielle Belange vorrangig, ob eine Frau berufstätig war oder nicht.
Swenja hat geschrieben: 09 Sep 2020 21:18
Zu meiner Schulzeit - die Mutter einer Schulfreundin war Hausfrau, der Vater hat die Familie versorgt.
(Es gab auch drei Mütter, die zuhause gearbeitet haben.)
In unserem Aufgang (Mehrfamilienhaus) wohnte ein Ehepaar - die Frau war Hausfrau, die zwei "Kinder" studierten.
Im Nachbaraufgang wohnte ein kinderloses Ehepaar - die Frau war Hausfrau.
Ich hatte zwei Schüler, deren Mütter ebenfalls "nur" Hausfrauen waren...
Kenne ich ebenfalls genug Beispiele.
Swenja hat geschrieben: 09 Sep 2020 21:18
Aber Du hast recht - "Ganztagsbetreuung" liest sich nach Luxus, doch es war keiner.
Wenn ich mich recht entsinne, dann habe ich für einen Betreuungsplatz pro Monat zwischen 12 und 15 DDR-Mark bezahlt.
(Luxus sind für mich eher die heutigen Preise, falls ich den Erzählungen meiner Töchter glauben darf.)
Oh ja. Einen Betreuungsplatz muss man heute wie eine Mietwohnung praktisch erkaufen.
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Re: DDR und Wendezeit Erinnerungen

Beitrag von Gilbert »

Volltrottel hat geschrieben: 08 Sep 2020 12:08 Hallo,
ich bin mal so mutig und eröffne einen neuen Thread.
Ich habe gestern in einem anderen Forum einen Tipp für einen alten Film auf Youtube gefunden und dieser hat mich wieder in diese wunderbare leider längst vergangene Zeit zurückversetzt.
https://m.youtube.com/watch?v=GhNpnJ9MjQ8
Ich habe selbst die DDR leider nur nach der Wende miterlebt, bin ein typisches Wendekind als Jahrgang 1989.
Mich hat die DDR und ihr Alltag immer fasziniert, alles war viel wertvoller als heute und das Strassenbild bot einem Halt im Alltagsleben.
Wer erinnert sich auch an diese wundervolle Zeit?
Wundervoll? Anhand von Bildern und Erzählungen anderer Menschen mag das sein. Das Negative wird in der Regel schneller vergessen oder ausgeblendet.
Wundervoll war es sicher nicht. Es wäre wünschenswert, wir könnten heutzutage mit der Zeit reisen. Ich würde einige mitnehmen in die erste Hälfte der 80iger Jahre, um an meiner Stelle die krassen Dinge zu erleben, die Teil meines Lebens wurden und prägten. Mancher würde sein verklärtes Weltbild über die DDR schnell korrigieren.


Axolotl hat geschrieben: 10 Sep 2020 09:50 Tut mir leid, aber das stimmt so nicht. Es gab hier keinen staatlichen Zwang gegenüber Frauen arbeiten zu gehen. Klar hat es dem Selbstbild des Sozialismus in der DDR entsprochen, dass Frauen arbeiten. Das heißt aber nicht, dass die SED Frauen zur arbeit genötigt hätte. Eher waren soziale- und finanzielle Belange vorrangig, ob eine Frau berufstätig war oder nicht.
Wie bitte?
Es gab eine Arbeitspflicht in der DDR. Die war sogar in der Verfassung verankert. Wer der Arbeitspflicht nicht nachkam, wurde drangsaliert und ggf. bestraft.
Damit das Mögliche entsteht, muss immer wieder das Unmögliche versucht werden.
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Re: DDR und Wendezeit Erinnerungen

Beitrag von Swenja »

Ich denke, Du beziehst Dich auf Artikel 24 - Recht und Pflicht auf/zur Arbeit. Aber es gab auch da scheinbar nicht nur schwarz und weiß -
oder waren die Hausfrauen, die ich durch Schule und Beruf kennengelernt habe, Widerstandskämpferinnen ... ? ;)

Übrigens habe ich die DDR sehr bewußt erlebt, mit ihren guten und weniger guten Seiten, Du mußt mich also nicht auf eine Zeitreise mitnehmen.
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Re: DDR und Wendezeit Erinnerungen

Beitrag von Gilbert »

Swenja hat geschrieben: 10 Sep 2020 10:50 Ich denke, Du beziehst Dich auf Artikel 24 - Recht und Pflicht auf/zur Arbeit. Aber es gab auch da scheinbar nicht nur schwarz und weiß -
oder waren die Hausfrauen, die ich durch Schule und Beruf kennengelernt habe, Widerstandskämpferinnen ... ? ;)
Nahezu 90 Prozent der Frauen waren in der DDR berufstätig. Natürlich gab es immer Mittel und Wege, sich irgendwo (zeitweise) herauszunehmen bzw. auszuklinken. Sei es die Kindererziehung, körperliche oder mentale Einschränkungen etc.



Swenja hat geschrieben: 10 Sep 2020 10:50 Übrigens habe ich die DDR sehr bewußt erlebt, mit ihren guten und weniger guten Seiten, Du mußt mich also nicht auf eine Zeitreise mitnehmen.
Das ist mir schon klar, daß ich Dich auf dieser Reise nicht mitnehmen muß. In diesem Sinne warst Du auch gar nicht gemeint...... ;)
Damit das Mögliche entsteht, muss immer wieder das Unmögliche versucht werden.
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Re: DDR und Wendezeit Erinnerungen

Beitrag von Axolotl »

Gilbert hat geschrieben: 10 Sep 2020 10:20
Wie bitte?
Es gab eine Arbeitspflicht in der DDR. Die war sogar in der Verfassung verankert. Wer der Arbeitspflicht nicht nachkam, wurde drangsaliert und ggf. bestraft.
Wie Svenja anschaulich belegt hat und wie ich aus erster und zweiter Hand bestätigen kann, wurde man nicht sofort drangsaliert ;) Ist schon ein starkes Stück Zeitzeugen und Tatsachenberichte von Leuten die in der DDR aufgewachsen sind einfach mal so abzutun.
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