Wie ein Tagebuch: Wie ich (besser) flirten möchte

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Jocas

Wie ein Tagebuch: Wie ich (besser) flirten möchte

Beitrag von Jocas »

Annähern oder abweisen?

Ich träumte von Swenja, seit ich in der 8. Klasse war. Miteinander gesprochen haben wir fast nie, weil ich mich davor fürchtete, mich wie gebannt zu fühlen, vor ihr hinwegzufließen, ich fühlte mich viel zu klein und hilflos. Sie wollte es zu wenig, ich fiel ihr nicht auf. In der 12. Klasse machten wir eine Klassenfahrt. Einerseits träumte ich davon, dass wir uns dabei unterhalten, vielleicht sogar irgendwie anfassen. Andererseits war ich mir sicher, so etwas wird nicht passieren.

Am dritten von vier Tagen fuhren wir mit Paddelbooten. Im Boot saß auch Daniela, ich finde sie recht hübsch und angenehm, aber wir haben nie miteinander gesprochen – freilich habe ich mit fast keinem meiner Mitschüler*innen gesprochen. Sie ist mir aufgefallen, aber irgendwie kam ich nie darauf, sie kennenzulernen. Sie saß so hinter mir, dass ihre Beine wie eine Lehne sein könnten.
Sie sagt: „Willst du dich bei mir anlehnen?“
Ich war völlig überrascht, sagte Nein, so vor meinen Mitschüler*innen – das wäre peinlich, sie waren mir ja fast alle fremd.

Daniela war wahrscheinlich verletzt und meinte, sie gefalle mir nicht. Ich vermute, sie war nicht in mich verliebt, aber konnte sich vorstellen, ein bisschen zu kuscheln, uns kennenzulernen. Ich war zu unsicher und verschlossen, aber vielleicht wollte sie mich auftauen. Ihr gefiel wohl, dass ich so ernst war. Sie hat sich durchgerungen und ich habe sie abgewiesen.
Ich weiß nicht, warum ich sie nicht später, auf der Klassenfahrt oder danach, angesprochen habe. Verliebt war ich zwar nicht, aber ich hätte schon Nähe probieren, flirten können.

Was würde ich aus heutiger Sicht gern machen? Mich umdrehen, sie anlächeln, mich anlehnen, etwas sagen wie „Das finde ich ja nett„ oder „Hey, das finde ich schön, mich so anzulehnen“ oder ohne Bezug zum Anlehnen lächelnd sagen „Schön hier. Wie findest du es?“
Schweigen? Daniela ansehen, anlächeln? Fragen, wie es ihr geht? Wir haben nie miteinander gesprochen! Angelehnt bleiben, bis sie etwas anderes sagt oder ich aufstehen muss? Was bedeutet dieses Anlehnen? Ihr und mir? Versuchte sie, ob und wie wir uns miteinander wohlfühlen?
Wenn wir aufgestanden wären, wäre ich befangen und unsicher gewesen: Möchte ich oft neben ihr laufen? ihre Hand nehmen?

Was könnten Mitschüler*innen sagen? „Oh… Andreas...wow...“, „Na, geht heute die Post ab?“, spöttisch, neugierig, anerkennend oder ermutigend. Oder nur so grinsen oder eben gutmütig lächeln All das wäre mir furchtbar peinlich gewesen, ich wäre puterrot geworden und hätte nicht gewusst, was tun. Freilich ist das alles nur meine Vorstellung, vielleicht wäre es anders gekommen. Vielleicht hätte eine/r was Fieses gesagt und ein/e Mitschüler/in hätte mir schlagfertig und angenehm geholfen. Meine Mitschüler*innen schienen mir fremd bis feindlich: Wenn sie Daniela und mich zusammen sähen...ich hatte Angst davor.

Ich probierte es nicht, ich war versteift und leer, ich fühlte mich insgesamt zu klein. Ich las viel und war in meiner Gedankenwelt, weitgehend ein Träumer.

25 Jahre später denke ich immer wieder darüber nach, warum es trotz einiger Flirtgelegenheiten fast nie weitergegangen ist. Die meisten Menschen finden spätestens in ihren 20-er Jahren doch Partner*innen; ein paar wenige Menschen wie ich finden keine/n, mit der/dem eine Partnerschaft entsteht.

Einerseits sehne ich mich danach, eine Frau zu streicheln, mit ihr zu schlafen, mit ihr zusammen zu gehen. Andererseits ist noch stärker meine Angst, es tatsächlich zu machen, das Fremde, Neue zu wagen, das wenig steuern zu können, überwältigt zu werden, etwas mit Leidenschaft zu machen, wobei Peinliches passieren kann.
Inzwischen weiß ich mehr und fühle mich sicherer, aber bin daran gewöhnt, dass Flirten nicht klappt.
Vielleicht fürchte ich mich davor, dass eine Partnerschaft oder Affäre gleich wieder aufhört, weil ich zu wenig habe oder kann, was sie erwartet: Komplimente, Streicheln… .

Ich würde vielleicht etwas besprechen, aushandeln müssen, über unterschiedliche Hoffnungen und Gefühle reden, über verschieden starke Zuneigung vielleicht.
Etwas aushandeln wie in der Serie Türkisch für Anfänger:
Er läuft ihr nach, sie versteckt sich, er hinterher. Sie fragt, was er für sie empfinde, er antwortet, er wolle Spaß haben. Sie legt ihm die Worte in den Mund, die sie hören will, fragt ihn, ob er „Ich ... dich“ sagen kann. Er antwortet ungünstig und sie läuft weg. Später sagt er ihr doch, dass er sie liebhat.
Ich will vertrauen, dass auch ich so etwas aushandeln kann: probieren, weglaufen, annähern, verärgert sein, vertragen, missverstehen, sich verständigen. Bei Freunden und im Beruf schaffe ich es.

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Himbeere
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Ich bin ...: nur an Männern interessiert.

Re: Wie ein Tagebuch: Wie ich (besser) flirten möchte

Beitrag von Himbeere »

Jocas hat geschrieben: 29 Mär 2020 18:37 Annähern oder abweisen?

Ich träumte von Swenja, seit ich in der 8. Klasse war. Miteinander gesprochen haben wir fast nie, weil ich mich davor fürchtete, mich wie gebannt zu fühlen, vor ihr hinwegzufließen, ich fühlte mich viel zu klein und hilflos.
So also da hast du es doch. Das Problem hat sich fortgesetzt bis zum heutigen Tag. Es hat sich rein gar nichts verändert, oder?
Das Leben ist kein Ponyschlecken.
Jocas

Re: Wie ein Tagebuch: Wie ich (besser) flirten möchte

Beitrag von Jocas »

Gut, dass ihr es lest, euch damit auseinandersetzt und mir direkt antwortet.

Himbeere, doch ich bin seit 15 Jahren nicht mehr so gebannt von Frauen wie die Figur in der Geschichte, spreche seit 10 Jahren Frauen an, mache Komplimente und habe seit 5 Jahren erotische Kontakte. Freilich will ich eine Freundin und Liebe.

Ich wünsche mir Kommentare dazu, welche Stellen euch spannend oder langweilig vorkommen, welche ihr lustig, glaubwürdig oder zum Nachdenken anregend findet, welche Wortwahl oder Formulierungen ihr mir vorschlagt.