1. der persönlichen Identitätsfindung und der Möglichkeit, intime Beziehungen eingehen zu können.
2. der Ablösung von den Eltern und der Fähigkeit, sich als interessanten, liebenswerten Menschen zu sehen.
Ich habe einige Kürzungen vorgenommen, um die Hauptgedanken deutlicher hervortreten zu lassen. Die meiner Meinung nach wichtigsten Sätze habe ich markiert.
Erik H. Erikson: Identität und Lebenszyklus, S. 114-115Erik H. Erikson hat geschrieben:Kindheit und Jugend sind vorüber; jetzt beginnt, wie man so sagt, das Leben, womit im allgemeinen die Arbeit oder das Studium für einen bestimmten Beruf, das Zusammentreffen mit dem anderen Geschlecht und im Laufe der Zeit Heirat und die Gründung einer eigenen Familie gemeint sind. Aber erst nachdem ein einigermaßen sicheres Gefühl der Identität erreicht ist, ist eine wirkliche Intimität mit dem anderen Geschlecht […] möglich. Der geschlechtliche Verkehr ist nur ein Teil dessen, was ich meine, denn natürlich wartet die geschlechtliche Intimität nicht immer auf die die Fähigkeit, eine wechselseitige psychologische Intimität mit einem anderen Menschen zu entwickeln. Der Jugendliche, der sich seiner Identität noch nicht sicher ist, scheut vor der Intimität mit anderen Menschen zurück; aber je sicherer er seiner selbst wird, um so mehr sucht er sie in Form von Freundschaft, Wettstreit, Gefolgschaft, Liebe und Inspiration. Es gibt eine Art jugendlichen Zusammenhaltes zwischen Jungen und Mädchen, das oft fälschlich entweder für sexuelle Anziehung oder für Liebe gehalten wird. […] [E]ine solche Freundschaft [entspringt] oft dem Streben, zu einer Definition seiner eigenen Identität zu gelangen, indem man endlose Gespräche miteinander führt, einander bekennt, als was man sich selber fühlt und als was einem der andere erscheint, und indem man Pläne, Wünsche und Hoffnungen diskutiert. Wenn ein junger Mensch eine solche intime Beziehung zu anderen […] in der späteren Jugendzeit oder frühen Erwachsenenzeit nicht fertigbringt, wird er sich entweder isolieren oder bestenfalls nur sehr stereotype und formale zwischenmenschliche Beziehungen aufnehmen können (formal in dem Sinne, daß diesen Beziehungen das Spontane, Warme und wirklich Kameradschaftliche fehlt), oder er muß sie in wiederholten Anläufen und häufigen Mißerfolgen immer neu suchen. Leider heiraten viele junge Leute unter solchen Umständen, in der Hoffnung, sie könnten im Partner sich selbst finden; aber die vorzeitige Pflicht, in einer festgelegten Weise als Gatten und Eltern zu fungieren, stört sie in der Vollendung der Arbeit an sich selbst. Auch häufiger Partnerwechsel ist kaum die richtige Lösung, ehe man nicht – etwa durch weise Leitung – zu der Einsicht gekommen ist, daß es keine wahre Zweiheit gibt, bevor man nicht selber eine Einheit ist.
Verena Kast: Vater-Töchter, Mutter-Söhne, S. 14-15, 38Verena Kast hat geschrieben:Wenn ich von ursprüngliche positiven Komplexen spreche, dann heißt das, dass diese Komplexe ursprünglich einen positiven Einfluss auf das Lebensgefühl und damit auch den die Entwicklung der Identität des betreffenden Menschen gehabt haben und diese auch noch weiter hätten, wäre eine altersgemäße Ablösung erfolgt.
Der ursprünglich positive Mutterkomplex gibt einem Kind das Gefühl einer fraglosen Daseinsberechtigung, das Gefühl, interessant zu sein und Anteil zu haben an einer Welt, die alles gibt, was man braucht – und noch ein wenig mehr. Daher kann sich dieses Ich auch vertrauensvoll in Kontakt setzen zu einem „andern“. Es besteht eine selbstverständliche Freude am Körper, an der Vitalität, am Essen, an der Sexualität. […]
Spätestens in der Adoleszenz (Pubertät und Nachpubertät, bis zum zwanzigsten Lebensjahr) müsste die Idealisierung der Elternfiguren aufgegeben werden. Denn die Idealisierung der Elternposition bedeutet immer implizit eine Entwertung der Kindposition. Die Ablösung findet im Wesentlichen von den Eltern als Personen statt; die Komplexe spielen dabei aber eine nicht zu unterschätzende Rolle, denn jede Komplexprägung erlaubt gewisse Ablösungsschritte und untersagt andere. War das Weggehen schon immer untersagt, oder war es schon immer verboten, anders zu denken als der Vater denkt, dann werden diese speziellen Aspekte der Komplexe deutlich miterlebt, und die Jugendlichen müssen dagegen anarbeiten […].
Ablösung ist ein Kompromiss zwischen dem, was das eigene Leben von einem Menschen will, und dem, was die Umwelt will, letztliche Vater und Mutter, die Lehrer, die Gesellschaftsschicht, in der wir leben. Deutliche Ablösephasen, wie die Adoleszenz, sind verbunden mit einer Aufbruchsstimmung, sind Umbruchphasen. Der Ich-Komplex strukturiert sich um[…].
[Wenn die Ablösung von den Eltern nicht vollzogen und der Komplex nicht umstrukturiert wird:]
So kann ein Komplexsatz die Offenheit der Zukunft zunichte machen und neue Erfahrungen verstellen. Ein solcher Komplexsatz einer meiner Analysandinnen hieß: „Es hat keinen Sinn, sich einzusetzen, in wichtigen Situationen versage ich doch.“ Erwartungen, Sehnsüchte, Utopien bewegen sich unter dem Diktat der Komplexe nur in den Bahnen einer verfestigten Vergangenheit, wenn sie überhaupt auftreten. Das heißt aber, dass man nicht zum eigenen Leben finden kann. Man lebt dann zwischen der Vergangenheit, die belastet, und der Zukunft, die Angst einflößt.
Ist an diesen Theorien etwas dran? Findet ihr in den Beschreibungen etwas von euch wieder?
Inwieweit treffen die Aussagen über die Jugendzeit/das frühe Erwachsenenalter auf euch zu:
Habt ihr das in eurer Jugendzeit gehabt, diese stundenlangen Gespräche mit anderen darüber, was ihr vom Leben wollt, diesen persönlichen Austausch darüber, wer ihr seid und wie die anderen euch sehen?
Habt ihr euch in der Pubertät gegen eure Eltern gestellt, habt ihr Auseinandersetzungen mit ihnen gehabt über das Weggehen abends, über Mode oder allgemein über moralische Fragen und Lebensentwürfe und schließlich euren eigenen Weg gefunden?
Ich müsste auf beide Fragen mit nein antworten. Das kam alles erst später, während meiner Universitätszeit.