Um es noch ein Mal klar zu stellen: Mir geht es nicht um eine allgemein gültige Beschreibung von Beziehungen. Sondern darum, was unter Anderem bei der Übersiedelung des Themas verloren gegangen ist:
Stabil hat geschrieben: ↑31 Jul 2018 18:33Ich spreche jetzt von einer auf Dauer angelegten erotisch sexuellen Beziehung, wie ich sie leben will.
Im Rahmen einer Forumsdiskussion etwas Umfassendes und allgemein Gültiges schreiben zu wollen, ist einfach unrealistisch.
Damit der Zusammenhang besser nachvollziehbar ist, hier nochmals der Ausgangspunkt:
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Stabil hat geschrieben: ↑31 Jul 2018 18:33
BartS hat geschrieben: ↑31 Jul 2018 11:38
Nicht umsonst sagen einige Paarpsychologen, dass nicht Liebe (oder Verliebtheit) die Basis einer Beziehung bildet, sondern eine tiefe Freundschaft.
Freundschaft ist nicht DIE Basis einer Beziehung, sondern ein TEIL der Basis einer guten Beziehung kann als Freundschaft beschrieben werden. Dieser Teil ist wohl unverzichtbar, aber weitere Teile sind genau so erforderlich.
Ich spreche jetzt von einer auf Dauer angelegten erotisch sexuellen Beziehung, wie ich sie leben will.
Beziehung ist weit mehr als Freundschaft. Eine Beziehung schliesst mit ein, dass man sich existentiell auf einander einlässt. Das heisst, die Beziehung verändert uns weit mehr, als das eine Freundschaft tut.
Beziehung schliesst ein starkes sexuelles Begehren ein. Wenn das nicht vorhanden ist, geht die Beziehung ebenso auseinander, nur aus anderen Gründen.
Für eine dauerhafte Beziehung ist es erforderlich, dass das Bedürfnis nach Sex bei beiden Partnern sehr ähnlich stark ausgeprägt ist.
Andere Bedürfnisse sollten wohl auch ähnlich ausgeprägt sein, aber da ist viel mehr Spielraum für Kompromisse vorhanden.
BartS hat geschrieben: ↑31 Jul 2018 11:59
Auch wenn alle Welt sagt, das Herz soll bei der Partnerwahl die Oberhand haben, die Praxen von Paar- und Psychotherapeuten sind dann wieder voll von Leuten, die so gehandelt haben oder ihre Vernunft nicht in ihre Entscheidungen eingebunden haben.
Das ist nur ein Teil der Wirklichkeit. Die Paare die vernünftig zusammen gefunden haben, ohne dass das Herz und das Begehren beteiligt war, suchen aus anderen Gründen die erwähnten Praxen auf.
Die Grundfrage war hier schon falsch gestellt.
Es geht nicht darum, ob das Herz oder die Vernunft die Oberhand hat.
Es geht darum, einen EINKLANG zwischen Herz und Vernunft zu finden und zu leben. Wenn der Einklang nicht vorhanden ist, sollte keine Seite die Oberhand gewinnen. Ein Kompromisspartner ist eine schlechte Wahl. Es ist besser einen Partner zu suchen, mit dem alles passt: Herz, Sex, Freundschaft, Vernunft, ... .
Damit ist aber auch nicht gemeint, man sollte einen idealen Partner suchen. Den gibt es nicht.
Ein paar Missverständnisse konnten geklärt werden. In der Zwischenzeit sind viele interessante Punkte angesprochen werden. Diesen Punkten möchte ich weder zustimmen, noch ihnen widersprechen. Jede(r) schreibt ja für sich. Ich will aber erwähnen, wo ich übereinstimme und wo ich einen anderen anderen Standpunkt einnehme.
Schneeleopard hat geschrieben: ↑01 Aug 2018 22:14
Wichtig ist der Sex aber in beiden Phasen, da er die Paarbindung, die Nähe und die Gesprächsbe-
reitschaft immer wieder fördert.
Für mich ist der Sex kein Mittel, "die Nähe und die Gesprächsbereitschaft immer wieder zu fördern".
Gesprächsbereitschaft ist für mich unabhängig vom Sex vorhanden - auch bei meiner Partnerin. Und Sex IST schon die grösste erotische Nähe zur geliebten Partnerin. Das ist etwas völlig Anderes, als in dem zitierten Satz ausgedrückt wird. Andere Arten der Nähe sind auch vorhanden, aber die brauchen wieder nicht den Sex für ihre Förderung.
Tania hat geschrieben: ↑02 Aug 2018 04:47
Ich glaube, dass für beide Seiten befriedigender Paarsex sehr wichtig und auch nicht durch (einvernehmliche oder heimliche) Seitensprünge zu kompensieren ist. Wenn es da Probleme gibt, wären für mich eher Kompensationsmechanismen nötig, die mehr Nähe herstellen - Gespräche, Gemeinsamzeit, Arbeit an gemeinsamen Projekten ... was auch immer. Rein körperlicher Sex kann das nicht leisten. ...
Mir hat die Erfahrung gezeigt, dass zu wenig Sex mit einer früheren Partnerin für mich nicht kompensierbar war. Das funktionierte weder duch Affären, noch durch Ausgleich innerhalb der Beziehung. Ich habe viel versucht, viel reflektiert und das Kapitel ist abgeschlossen. Ich würde es nicht mehr versuchen.
"Gespräche, Gemeinsamzeit, Arbeit an gemeinsamen Projekten" Das ist immens wichtig. Die ersten zwei Punkte würde ich dem mit Freundschaft bezeichneten Teil der Beziehungsbasis zugehörig sehen.
Der dritte Punkt ist etwas Besonderes und ein eigener ebenfalls unentbehrlicher Teil der Beziehungsbasis: Gemeinsam fruchtbar sein. Gemeinsam Kinder haben ist wörtlich dieses fruchtbar Sein. Aber auch im übertragenen Sinn braucht man das. Vor Allem, wenn man keine Kinder hat, die Kinder schon aus dem Haus sind ... . Das wird oft übersehen und die Beziehung geht dann in die Brüche, wenn die Kinder selbständig werden.
So wichtig mir diese drei Punkte als Beziehungsbasis sind, so untauglich halte ich sie, wenn es darum geht, eine Kompensation für mangelndes intensives Begehren oder für ein schmerzlich unterschiedliches Sexbedürfnis zu suchen. Das wäre ein Kompromiss, der eine unzverlässige Basis für die Beziehung darstellt.
Schneeleopard hat geschrieben: ↑02 Aug 2018 09:13
Wenn ich verliebt bin, begehre ich auch nur eine ganz konkrete Person .. eben die, in die ich verliebt bin. Wenn nach der Verliebtheit wieder Alltag und Normalität in der Beziehung eingezogen sind, sieht dies etwas anders aus
Was hier als Alltag und Normalität unter Augenzwinkern bezeichnet wird, ist mir nicht bekannt. Es kann nicht vorausgesetzt werden, dass Alltag und Normalität bei allen Paaren gleich sind.
Während ich mit meiner Partnerin gemeinsam UNSEREN Alltag und UNSERE Normalität entwickelt habe, wurde die Verliebtheit durch gelebte Liebe ersetzt. Das ist langsam und fast unmerklich geschehen.
Das Begehren ist stärker geworden und die Häufigkeit, mit der wir uns lieben, mit der wir Sex geniessen, ist ungefähr gleich hoch geblieben. Fast 10 Jahre sind wir zusammen.
soukous hat geschrieben: ↑02 Aug 2018 14:15
Ich finde es interessant, dass sich diese Ausführungen mit den vorsichtigen Vermutungen von BartS decken - und dass sie ganz deutlich den Ansichten Schneeleopard und Stabil widersprechen, die behaupten, dass Sexualität unabdingbar für den Beginn und das Fortdauern
jeder Beziehung ist. Offenbar gibt es da draußen tatsächlich Menschen, die erfolgreich nach Normen leben, die andere für komplett undenkbar halten.
Da konstruierst du völlig unnötiger Weise einen Widerspruch. Lesen kann helfen.
Erstens wurden hier nirgends Normen aufgestellt, sondern subjektives Erleben dargestellt. Oben ist nochmals das Ursprungsposting zitiert, um es leichter zu machen.
Zweitens ist Demisexualität nicht durch das Fehlen von Sexualität charakterisiert, sondern durch eine ander Gewichtung der Teile in der Basis für eine Beziehung. Weiters ist die Reihenfolge, mit der die verschiedenen Aspekte einer Beziehung entwickelt werden zum Teil anders. Und die Dauer der Beziehungsentwicklung beansprucht mehr Zeit.
Eine demisexuell empfindende Person begehrt auch ihren Partner, das tritt nur etwas später im auf einander zu Gehen auf, als bei Anderen. Aber auch hier, ist es gut, wenn diese Person darauf achtet, dass die ein subjektiv (, das heisst nach ihren persönlichen Massstäben) starkes Begehren empfindet, um nicht in einer Kompromiss Beziehung zu landen. Auch hier würde ein Kompromiss die Beziehung auf Dauer belasten.
Da kann ich keinen grundlegenden Unterschied erkennen.
Jetzt will ich zusammen fassen, damit die Zusammenhänge wieder leichter erkennbar sind:
Ich spreche jetzt von einer auf Dauer angelegten erotisch sexuellen Beziehung, wie ich sie leben will.
Die Beziehung benötigt eine solide Basis, die aus einigen unverzichtbaren Teilen besteht. Jeder der im Folgenden angeführten Teile ist unverzichtbar. Individuell ist die Gewichtung der Teile unterschiedlich, aber "Kompensationsgeschäfte" würde ich nicht versuchen. Kompromisse würde ich vermeiden. Jeder Teil muss in einem ausreichenden Ausmass vorhanden sein. (Das gut-genug Prinzip, nicht das Idealpartner Prinzip steht da dahinter. Das wende ich für jeden Teil der Beziehungsbasis an, nicht erst bei der Summe.)
Ein Teil der Beziehung kann als Freundschaft beschrieben werden.
Eine Beziehung schliesst mit ein, dass man sich existentiell auf einander einlässt. Das heisst, die Beziehung verändert uns weit mehr, als das eine Freundschaft tut.
Zur Beziehung gehört ein gemeinsames fruchtbar Sein, sei es im Wortsinn oder im übertragenen Sinn.
Beziehung schliesst ein starkes sexuelles Begehren ein. Damit ist subjektiv stark gemeint. Objektive Normen sind hier untauglich.
Für eine dauerhafte Beziehung ist es erforderlich, dass das Bedürfnis nach Sex bei beiden Partnern sehr ähnlich stark ausgeprägt ist. Auch das ist subjektiv gemeint. Das Paar muss sich miteinander auch mit seinen Unterschieden auf Dauer wohl fühlen.
Andere Bedürfnisse, die die Lebensgestaltung betreffen, sollten wohl auch ähnlich ausgeprägt sein, aber da ist viel mehr Spielraum für Kompromisse vorhanden.
Ebenfalls zu Basis gehört eine gemeinsame Beziehungsdefinition.