Eltern

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Mannanna
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Eltern

Beitrag von Mannanna »

Man liest hier ja hin und wieder Sachen ala "Ich habe diese oder jene Eigenschaft, weil ich als Kind... da haben meine Eltern / mein Umfeld mich SO behandelt und darum bin ich heute immer noch..."

Wir sind doch jetzt erwachsen. Kann man da wirklich noch den Eltern/dem Umfeld Schuld geben, weil die vor 15, 25, 35... Jahren mal nicht nett (oder so) waren? Oder ist sowas nicht eher eine Ausrede dafür, nicht selber etwas tun zu müssen, weil man ja bequemer mit dem Finger auf die Vergangenheit zeigen kann? Wenn es sich z.B. um Gewalt, sexuellen Mißbrauch o.ä. handelt; also etwas, das ein echtes Trauma auslöst; ist das ja verständlich und berechtigt, aber bei Sachen der Kategorie "Früher gab es bei uns oft Konserven und darum gehe ich heute immer noch zu McDonalds" ?
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TheRealDeal
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Re: Eltern

Beitrag von TheRealDeal »

Also ich stehe ganz klar auf dem Standpunkt, dass jeder Mensch irgendwann Verantwortung für sein Leben übernehmen muss. Ob das jetzt mit 20 oder mit 35 Jahren passiert, ist für mich nebensächlich. Ich denke, dass man mit ein wenig Einsatz "Prägungen" des Elternhauses ablegen kann, wenn es um Verhaltensweisen geht. Was mich persönlich belastet hat war ein frühkindliches Trauma, ausgelöst durch die Geburt bzw. meine Zeit im Brutkasten. Dies hat mich gehemmt und immer wieder in depressive Episoden gestürzt. Problematisch für mich war dies insofern, dass ich bis vor 2,5 Jahren etwa, nichts von meinem Trauma gewusst habe.

Also mit der "Schuldfrage" tue ich mich heute schwer. Ich weiß, dass Eltern im Rahmen ihrer Konditionierung ihr Bestes geben. Anders ausgedrückt: Wenn ein Vater nichts weiter kennt als Gewalt, wird er seinem Sohn in den allermeisten Fällen auch Gewalt antun. Deshalb trägt er keine Schuld, er gibt halt nur das weiter, was er empfangen hat. Also es fehlt der Vorsatz, weil dieser Mensch im Grunde keine Wahl hat. Hoffnung macht aber, dass man auch als Erwachsener die Möglichkeit hat, z. B. Dinge aus der Kindheit zu korrigieren. Das Alter in dem man damit anfängt spielt dabei keine wesentliche Rolle.

edit: Mit "Verhaltensweisen" meine ich profane Dinge wie ungesunde Ernährung etc.
Zuletzt geändert von TheRealDeal am 25 Jul 2013 12:50, insgesamt 1-mal geändert.
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Eric

Re: Eltern

Beitrag von Eric »

Mannanna hat geschrieben:Wir sind doch jetzt erwachsen.
Ja. Allerdings werden die meisten irreversiblen Grundprägungen in den ersten paar Lebensjahren gelegt. Als Erwachsener kannst du bei Vielem "nur" noch bisschen Kosmetik betreiben. Die Prägung an sich bleibt bis ins Grab.
Malone

Re: Eltern

Beitrag von Malone »

Das Elternhaus ist eine Erklärung, keine Rechtfertigung. Man wird nachhaltig durch die Eltern geprägt und lernt die Verhaltensweisen als natürlich kennen und die Wahrscheinlichkeit, dass man im Leben so wird wie die Eltern, ist recht hoch.
Spliff

Re: Eltern

Beitrag von Spliff »

Die Sache ist die, auch wenn wir jetzt erwachsen sind, werden wir immer noch durch unsere Umwelt geprägt und prägen zurück.
Das sollten wir bei allem Gerede von Selbstverantwortung nicht vergessen.
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TheRealDeal
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Re: Eltern

Beitrag von TheRealDeal »

Spliff hat geschrieben:Die Sache ist die, auch wenn wir jetzt erwachsen sind, werden wir immer noch durch unsere Umwelt geprägt und prägen zurück.
Das sollten wir bei allem Gerede von Selbstverantwortung nicht vergessen.
Der bessere Ausdruck wäre in diesem Zusammenhang, dass wir in Resonanz mit unserer Umwelt gehen (sollten).
Das ist nicht so "statisch" und lässt Raum für die Eigenverantwortlichkeit.
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Tosko

Re: Eltern

Beitrag von Tosko »

Was ich dazu sagen möchte, weist in eine etwas andere Richtung, aber ich denke, dass es in diesem Thread nicht ganz off-topic ist.

Über ein Buch von Steven Pinker bin ich auf die Bücher von Judith Rich Harris gekommen, und ich finde, dass sie auf sehr überzeugende Weise die Vorstellung von einer starken Prägung durch Kindheitserlebnisse in den ersten Lebensjahren kritisiert. Der entscheidende Punkt ist, dass bei Persönlichkeitsmerkmalen ein gewisser Teil genetisch bedingt ist (nicht unbedingt ein so großer Teil, bei den Merkmalen, die Judith Rich Harris vor allem interessieren, ist der Anteil der Gene an der beobachteten Variation deutlich unter 50%), und ein bedeutender Teil der Gemeinsamkeiten zwischen Kindern und leiblichen Eltern geht auf genetische Gemeinsamkeiten zurück. Wenn das berücksichtigt wird, bleibt bei statistischen Untersuchungen für die Auswirkungen des Verhaltens der Eltern auf die Persönlichkeit der Kinder nicht mehr viel übrig (was natürlich nicht heißt, dass es in Extremfällen nicht doch einen bedeutenden Einfluss haben könnte). Nicht verwandte Adoptivkinder, die bei den gleichen Eltern aufgewachsen sind, nicht bedeutend ähnlicher als nicht verwandte Kinder, die in einem ähnlichen soziokulturellen Umfeld bei verschiedenen Eltern aufgewachsen sind (Ähnliches zeigen auch Zwillingsstudien). Daraus kann man dann schließen, dass in vielen psychologischen Theorien und Erziehungsratgebern die Rolle der Eltern und der frühen Kindheit stark übertrieben wurde.

Da man aber (unter anderem aufgrund von Zwillingsstudien) weiß, dass der Einfluss der Gene beschränkt ist, müssen andere Umweltfaktoren relevant sein. Judith Rich Harris kommt zum Schluss, dass peer groups von Gleichaltrigen eine größere Rolle für die Sozialisierung und Persönlichkeitsentwicklung und das Jugendalter eine größere Rolle als die frühe Kindheit.
Tosko

Re: Eltern

Beitrag von Tosko »

Die Thesen von Judith Rich Harris sind durchaus umstritten, ich habe sie jetzt stark verkürzt dargestellt, und um sie richtig diskutieren zu können, müsste man wohl die Bücher gelesen haben und sich ziemlich viel mit Entwicklungsstudien und Statistik beschäftigen. Ich habe die Bücher von Judith Rich Harris mit großem Interesse gelesen und finde sie sehr überzeugend.

Wenn man bei den Eltern gewisse - günstige oder ungünstige - Verhaltensweisen, Stärken, Schwächen oder Neigungen beobachtet und bei sich Ähnliches feststellt, heißt das nicht unbedingt, dass sie es durch ihr Verhalten gegenüber dem Kind duch eine "Prägung" in den ersten Lebensjahren weitergegeben haben; eine plausible Erklärung ist , dass die Gemeinsamkeit auf eine genetische Gemeinsamkeit zurückzuführen ist. Judith Rich Harris vertritt keinen biologischen Determinismus und betrachtet Umwelteinflüsse als sehr wichtig, nur scheint es eben so zu sein, dass der Einfluss der Eltern vor allem über die Gene geht, während peer groups eine zentrale Rolle bei den Umwelteinflüssen spielen.
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Einsamer Igel
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Re: Eltern

Beitrag von Einsamer Igel »

Zum Thema Essgewohnheiten seit Kindheit las ich kürzlich das: http://www.presseportal.de/pm/77852/151 ... n-mit-bild

Also es spielt schon eine Rolle, womit man aufwächst. Kinder, die nahezu täglich mit Karottenbrei gefüttert werden, bekommen die Liebe für Süßes beigebracht (was ja für die gezuckerten Babybreie und Tees schon lang bekannt ist) und gemäß dem o.g. Artikel auch eine Abneigung gegen Experimentierfreude mit anderen Gemüsesorten. Sie ernähren sich dann später lieber einseitig mit Tendenz zu Süßem.

Zum Thema Einfluss der Gene auf das Verhalten: Gene legen oft Anfälligkeiten fest, die erst durch weitere Umstände eine Ausprägung bekommen. Ein bestimmtes "Krankheits-Gen" heißt nicht, dass man die Krankheit bekommen muss. Aber eventuell kann man durch Hinzufügen äußerer Umstände das Risiko zu erkranken erhöhen.
Tosko

Re: Eltern

Beitrag von Tosko »

Doch für die eigentliche Überlegung, was wir als Erwachsene tun solle, ist es vielleicht gar nicht so wichtig, was genetisch bedingt ist und was durch Umwelteinflüsse.

Ich halte die Vorstellung, dass der Einfluss von traumatisierenden Erlebnissen in der Kindheit und im Jugendalter einfach so weggewischt werden kann, nur weil es lange her ist und man inzwischen erwachsen ist, für illusorisch. Ebenso wie genetisch bedingte Neigungen können auch traumatische Erlebnisse noch lange Zeit einen Einfluss haben, viele wirken wohl auch für immer. Aber es sind im Allgemeinen nur Einflüsse, Neigungen, und wir können als Erwachsene sehr wohl versuchen, sowohl Hürden, die es entweder aufgrund genetisch bedingter Neigungen als auch diejenigen, die es wegen traumatischer Erlebnisse in der Vergangenheit gibt, zu überwinden. Die wenigsten dieser Hürden sind wirklich unüberwindbar, und Menschen haben oft viel mehr Handlungs- und Entwicklungsoptionen als es auf den ersten Blick scheint, einiges an neuerer Forschung scheint zu zeigen, dass es auch im Erwachsenenalter noch viele Entwicklungsmöglichkeiten gibt. Andererseits glaube ich nicht, dass schwierige Hürden leichter überwunden werden, wenn man so tut, als ob sie nicht existieren (je nach dem mag eine solche Strategie funktionieren, aber es ist kein Allheilmittel, oft ist es wohl besser, wenn man sich der Schwierigkeiten bewusst wird).

Ich hatte in der Pubertät unter schwerem Mobbing zu leiden, und Mädchen taten so, als ob es ekelerregend sei, wenn ich nur schon weniger als zwei Meter von ihnen entfernt an ihnen vorbeigehe oder meine Jacke in der Nähe von ihrer an einem Haken hängt. Ich finde es verständlich, dass ich so große Schwierigkeiten im Umgang mit Frauen und meinen Bedürfnissen nach körperlicher Nähe und Sexualität bekam, und solche Probleme gehen auch nicht einfach weg, nur weil es lange her ist (unter anderem weil es schwieriger wird, neue Erfahrungen zu machen). Andererseits fände ich es auch nicht sinnvoll, wenn ich meine Energie darauf verwenden würde, Personen von damals zu beschuldigen. Vielmehr versuche ich meine Probleme, die zum Teil von den Erlebnissen in jenen schlimmen Jahren in der Schulzeit herrühren, zu verstehen, sie zu überwinden, mehr Handlungsoptionen zu gewinnen und neue Erfahrungen zu machen, auch wenn das oft nur schrittweise möglich ist.
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TheRealDeal
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Re: Eltern

Beitrag von TheRealDeal »

@Tosko: Bei der Eltern-Kind Beziehung spielen einige Faktoren eine Rolle. Interessanter als Vererbung auf der Gensequenz finde ich den Bereich der Epigenetik, also Zelleigenschaften, die auf Tochterzellen vererbt werden (können), ohne dass diese auf der Gensequenz festgelegt sind. Thema Pubertät: Was passiert da, bzw. ist die erstrebte Abgrenzung zu den Eltern eher förderlich, oder hinderlich im Bereich der Prägung? Außerdem macht natürlich jeder Mensch individuelle Erfahrung im Bereich der Interaktion mit anderen Menschen und seiner Umwelt. Diese Eindrücke nimmt jeder Mensch anders wahr, sind also subjektiver Natur. Weiterhin sind die Eltern ja nicht die einzigen Bezugspersonen von Kindern. Onkel, Tanten und Großeltern haben auch einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf ihre Neffen/Nichten bzw. Enkel. Dazu Freunde. Also im Grunde entscheiden über die Entwicklung die Gesamtumstände bzw. das Familiensystem.
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Mondstaub

Re: Eltern

Beitrag von Mondstaub »

Eric hat geschrieben:Ja. Allerdings werden die meisten irreversiblen Grundprägungen in den ersten paar Lebensjahren gelegt. Als Erwachsener kannst du bei Vielem "nur" noch bisschen Kosmetik betreiben. Die Prägung an sich bleibt bis ins Grab.
Leider... ich kann meine emotionale Schüchternheit jedenfalls nicht mit rationalem Verstand wegtrainieren.

Ich war als Kind extrem still, vor allem bei Fremden. Sogar auf Fotos sieht man mir das an.

Wenn ich jetzt öfter mal sehe, wie rotzfrech andere, kleine Kinder sind... die zappeln die ganze Zeit herum und können nicht still sitzen (mir tun jedes mal die Lehrer leid, die die 6 Stunden am Tag vor sich haben), reden ständig dazwischen und wollen ständig Aufmerksamkeit (ich sehe das auf der Arbeit, wenn ich mich beruflich mit den Eltern beschäftige).
Aber ehrlich gesagt finde ich das dann auch nervig und unsympathisch. Aber für die Kinder ist das ja kein Problem, die kommen sicher mal gut zurecht. *seufz*
Tosko

Re: Eltern

Beitrag von Tosko »

Eben, früher gab es ja viele psychologische Theorien und Erziehungsratgeber, in denen so getan wurde, als ob die Eltern der eine, alles bestimmende Umweltfaktor seien, und das wird durch die Daten, die ich kenne, nicht gestützt, sie sind einer von vielen Umweltfaktoren, und peer groups, mit denen sich Kinder und Jugendliche identifizieren, spielen eine sehr große Rolle.

Ein wichtiger Punkt, auf den Judith Rich Harris hinweist, ist, dass Kinder sich in verschiedenen Situationen unterschiedlich, jeweils an die Umstände angepasst, verhalten. Das Verhalten der Eltern hat einen gewissen Einfluss auf das Verhalten der Kinder zu Hause, aber es scheint nur einen kleinen Einfluss auf das Verhalten der Kinder in der Schule und der Freizeit mit Gleichaltrigen zu haben. Dann gibt es wiederum Studien, die zeigen, dass das Verhalten von Erwachsenen stärker mit ihrem Verhalten als Jugendliche in der Schule und Freizeit mit Gleichaltrigen korreliert als mit dem Verhalten als Jugendliche gegenüber den Eltern. Somit scheint der Einfluss des Verhaltens der Eltern gegenüber jemandem als Kind auf Persönlichkeitsmerkmale von jemandem als Erwachsener typischerweise eher gering zu sein (was nicht heißt, dass er in Einzelfällen nicht auch größer sein kann).

Ein Punkt, bei dem man das oft gut beobachten kann, ist die Sprache und Dialekte und Soziolekte. Jugendliche orientieren sich im Allgemeinen viel stärker an den Sprachvarianten der Gleichaltrigen als an denjenigen der Eltern. Auch ich wäre ein Beispiel dafür; obwohl ich in der Jugend Außenseiter war, ist meine jetzige Variante des Schweizer Dialektes viel ähnlicher wie die anderer Kinder am Ort, wo ich aufwuchs, als diejenigen meiner Eltern. Das kann man oft gut beobachten. Natürlich beweist es nicht, dass der Einfluss der Eltern generell kleiner ist als der Einfluss der Gleichaltrigen, aber es trägt schon dazu bei, die Vorstellung von den Eltern als dem entscheidenden Umweltfaktor in Frage zu stellen.

Die Vererbung von Gensequenzen von Eltern zu Kindern ist möglicherweise tatsächlich ein eher "langweiliges" Thema, aber es gibt sehr starke Evidenz dafür, dass die beobachteten Unterschiede bei Persönlichkeitsmerkmalen zu einem bedeutenden Teil auf die Gene zurückgehen, und ein Kind hat nun einmal mit jedem Elternteil 50% der Gene hemeinsam. Wenn diese Gemeinsamkeit ignoriert wird, kommt es dazu, dass man den Einfluss der Gene fälschlicherweise für Umwelteinflüsse hält und dann zum Schluss kommt, die Gemeinsamkeiten seien durch eine "frühkindliche Prägung" durch das Verhalten der Eltern bedingt. Normalerweise, wenn Kinder bei ihren biologischen Eltern aufwachsen, hat man keine Möglichkeit, diese zwei Dinge auseinanderzuhalten, und viele Studien ziehen unzulässige Schlussfolgerungen. Nur mit speziellen Methoden wie dem Vergleich der Ähnlichkeit von eineiigen und nicht eineiigen Geschwistern oder adoptierten Kindern hat man eine Chance, den Einfluss von Umweltfaktoren und Genen auseinanderzuhalten. Generell scheint das Resultat solcher Studien zu sein, dass der Einfluss der Eltern bei den Umwelteinflüssen eher gering ist und andere Einflüsse wie peer groups und Lehrer eine große Rolle spielen, während andererseits auch die Gene eine bedeutende Rolle spielen und Personen mit bedeutenden genetischen Gemeinsamkeiten auch bedeutende Gemeinsamkeiten bei Persönlichkeitsmerkmalen haben.
Optimist
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Re: Eltern

Beitrag von Optimist »

Mondstaub hat geschrieben:
Eric hat geschrieben:Ja. Allerdings werden die meisten irreversiblen Grundprägungen in den ersten paar Lebensjahren gelegt. Als Erwachsener kannst du bei Vielem "nur" noch bisschen Kosmetik betreiben. Die Prägung an sich bleibt bis ins Grab.
Leider... ich kann meine emotionale Schüchternheit jedenfalls nicht mit rationalem Verstand wegtrainieren.

Ich war als Kind extrem still, vor allem bei Fremden. Sogar auf Fotos sieht man mir das an.

Wenn ich jetzt öfter mal sehe, wie rotzfrech andere, kleine Kinder sind... die zappeln die ganze Zeit herum und können nicht still sitzen (mir tun jedes mal die Lehrer leid, die die 6 Stunden am Tag vor sich haben), reden ständig dazwischen und wollen ständig Aufmerksamkeit (ich sehe das auf der Arbeit, wenn ich mich beruflich mit den Eltern beschäftige).
Aber ehrlich gesagt finde ich das dann auch nervig und unsympathisch. Aber für die Kinder ist das ja kein Problem, die kommen sicher mal gut zurecht. *seufz*
Geht mir auch so. Aber ich glaub da sind eher die Gene dran Schuld, als die Erziehung der Eltern. Mein Bruder ist nämlich das komplette Gegenteil von mir und quasselt ohne Unterbrechung. :mrgreen:
"The whole problem with the world is that fools and fanatics are always so certain of themselves, but wiser people so full of doubts."
schmog

Re: Eltern

Beitrag von schmog »

Die Grundeinstellung prägt und wird früh übernommen!
Ich verhalte mich (in gewissen Ansichten und Gewohnheiten) noch heute wie ein 10 jähriger. :sadman:
Tosko

Re: Eltern

Beitrag von Tosko »

Eric hat geschrieben:Ja. Allerdings werden die meisten irreversiblen Grundprägungen in den ersten paar Lebensjahren gelegt. Als Erwachsener kannst du bei Vielem "nur" noch bisschen Kosmetik betreiben. Die Prägung an sich bleibt bis ins Grab.
Ich habe nicht Psychologie studiert, aber ich lese häufig Texte zur Psychologie, und mein Eindruck ist, dass man immer mehr von dieser Vorstellung einer "frühkindlichen Prägung" wegkommt, auch wenn einige wie an einem Dogma daran festhalten. Aber aktuelle Daten aus Studien stützen eine solche Vorstellung meines Erachtens einfach nicht mehr.

1. Wie ich oben dargelegt habe, scheint die Vorstellung von einer frühkindlichen Prägung durch das Verhalten der Eltern sehr oft darauf zurückzugehen, dass man die genetischen Gemeinsamkeiten ignorierte und die Einflüsse der Gene fälschlicherweise als eine frühkindliche Prägung durch das Verhalten der Eltern interpretierte (der Effekt wäre im Allgemeinen der selbe, nur mit Methoden wie Zwillingsstudien kann man den Irrtum bemerken).

2. Die Vorstellung, die Persönlichkeit von Erwachsenen sei weitgehend festgelegt und man könne nur noch kleine Details beeinflussen, wird immer mehr als ein Vorurteil entlarvt. In der neusten Ausgabe von Psychologie Heute war ein längerer Text diesem Thema gewidmet. Sicher haben wir als Erwachsene bestimmte Neigungen und typische Verhaltensweisen - teilweise genetisch bedingt, teilweise aufgrund von Erlebnissen in der Vergangenheit. Diese beeinflussen uns und verschwinden auch nicht einfach so, aber mit etwas Übung können wir auch als Erwachsene Verhaltensweisen entwickeln, die von den für uns typischen Verhaltensweisen abweichen und so unser Verhaltensrepertoire ausweiten und weiterentwickeln. Die Vorstellung, die Persönlichkeitsentwicklung geschehe vor allem in der frühen Kindheit mit einer "Prägung", und die Persönlichkeit habe danach nur noch ein geringes Entwicklungspotenzial ist meines Erachtens für die Spezies homo sapiens eindeutig überholt (bei einigen anderen Tierarten scheint es eher etwas zu geben, was mit frühkindlicher "Prägung" adäquat beschrieben werden kann, während Menschen bis ins hohe Alter ein großes Entwicklungspotenzial haben, auch wenn natürlich tatsächlich auch ererbte und auf frühere Erfahrungen zurückgehende Neigungen gleichzeitig eine große Rolle spielen).
Mondstaub

Re: Eltern

Beitrag von Mondstaub »

Optimist hat geschrieben: Geht mir auch so. Aber ich glaub da sind eher die Gene dran Schuld, als die Erziehung der Eltern. Mein Bruder ist nämlich das komplette Gegenteil von mir und quasselt ohne Unterbrechung. :mrgreen:
Glaube ich auch.. ich bin als Kind nie von anderen gemobbt oder schlecht behandelt worden (leider kam das dann im Erwachsenenalter im Beruf :shock:)... ich glaube auch eher, dass die Gene der Hauptverursacher sind.
Mein Vater war als Kind ja auch sehr still und meine Mutter auch schüchtern... auch wenn die heute als Erwachsene alle zuquatscht ohne Pause, hat sie kein großes Selbstbewusstsein, glaube ich. Sie hat nur Angst vor Sprechpausen, weil sie das mit Ablehnung gleichsetzt. Für sie bedeutet Sprechen = Zuneigung: Leider... ich wünsche keinem eine Mutter, die immer redet und das Kind nie was erzählen lässt (okay, das ist dazu natürlich auch noch der Umweltfaktor... also kommt bei mir beides zusammen). Auch, wenn sie ansonsten in Ordnung ist. Aber still ist sie nur (wie erholsam), wenn man sich gestritten hat.

Okay - sie kann auch zuhören. Aber das mündet dann in Ausfragen und Ratschläge geben.. sie kann nie nur zuhören, sondern muss dann "der große Held und Ratgeber" sein, der manipuliert und für den tollen Rat gelobt wird. Da habe ich dann auch lieber gar nichts mehr erzählt und wurde noch verschlossener.
Sparrenburger

Re: Eltern

Beitrag von Sparrenburger »

Es gibt keinen Hauptverursacher!!
Die Gründe fürs AB-Tum sind individuell komplett verschieden.

Beim einen liegts vielleicht daran, dass er immer gemobbt wurde und deshalb Ängste entwickelt hat, die ihn lähmten.
Beim anderen liegts an strengen religiösen Erziehungsmthoden.
Bei noch jemand anderem liegts vielleicht daran, dass er rein physisch nicht sehr sexuell ist, Stichwort Asexualität.

Und es gibt eine Milliarde und noch mehr andere Gründe fürs AB-Tum.
Bitte nicht verallgemeinern. Dadurch kann man Leute, die nach Lösungsmöglichkeiten suchen evtl auf den komplett falschen Pfas bringen. Jeder muss sich selbst individuell durchleuchten und analysieren woran es liegt um Methoden zur Verbesserung AUF SICH SELBST zugeschnitten zu erarbeiten.
Mondstaub

Re: Eltern

Beitrag von Mondstaub »

Sparrenburger hat geschrieben:Es gibt keinen Hauptverursacher!!
Die Gründe fürs AB-Tum sind individuell komplett verschieden.
Ja ja, schon recht... wie gesagt, ich glaube, bei mir kommen Gene und das Verhalten meiner Mutter zusammen. Ich arbeite gerade daran, mich endlich mal selbstbewusster zu fühlen. Leider nicht so einfach.
Tosko

Re: Eltern

Beitrag von Tosko »

Optimist hat geschrieben:

Geht mir auch so. Aber ich glaub da sind eher die Gene dran Schuld, als die Erziehung der Eltern. Mein Bruder ist nämlich das komplette Gegenteil von mir und quasselt ohne Unterbrechung. :mrgreen:
Ja, das erscheint mir auch sehr plausibel. Wenn dein Bruder kein eineiiger Zwilling ist, stimmen ja nur 50% der Gene verwandtschaftsbedingt überein, da ist sicher Platz für große Unterschiede, die auch Konsequenzen im Leben haben können.


Dass sich die Eltern gegenüber den zwei Kindern so völlig unterschiedlich verhielten, dass eine ganz andere "Prägung" resultierte, halte ich dagegen für wenig plausibel. Dagegen können andere Umwelteinflüsse wie Kollegen, Freunde und Bekannte bei zwei Geschwistern sicher unterschiedlich sein, was sicher auch Konsequenzen haben kann.

Überhaupt zeigt sich, dass Geschwister, die bei den gleichen Eltern aufwachsen, viel weniger ähnlich sind als man mit veralteten psychologischen Modellen, die den Verhalten der Eltern den zentralen Platz einräumen, erwarten würde. Sogar eineiige Zwillinge, die zusammen bei den gleichen Eltern aufwachsen, sind zwar ziemlich ähnlich, aber es gibt bei vielen Persönlichkeitsmerkmalen typischerweise bedeutende Unterschiede zwischen ihnen. Die plausibelste Erklärung scheint zu sein, dass individuelle Erfahrungen außerhalb des Elternhauses eine größere Rolle spielen als in älteren psychologischen Theorien angenommen wurde.