Essis einsame Gedanken

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Der Essi
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Re: Essis einsame Gedanken

Beitrag von Der Essi »

Sternschnuppen

Ich habe schon an ihrer Existenz gezweifelt. Doch nun weiß ich, es gibt sie wirklich.

Wenn die Erwachsenen sagten: „Da, eine Sternschnuppe!“ und ich rief: „Wo?“, kam es mir vor, als wollten sie mich, das Kind, verschaukeln wie mit dem Osterhasen oder dem Weihnachtsmann. Wenn ich hinsah, war sie nämlich immer schon weg. Als Jugendlicher liebte ich den Sternenhimmel, aber irgendwie war es wie mit den Mädchen: Es gab nie ein Erfolgserlebnis. Wolken, Nebel, Straßenlaternen, Unaufmerksamkeit und fehlendes Glück verhinderten über Jahre, dass ich etwas mit eigenen Augen sah, über das andere völlig selbstverständlich erzählten. Klar gab es Gelegenheiten. Aber waren die Lichtscheine im Augenwinkel nun Sternschnuppen oder bloß Einbildungen oder zufällige Reflexe auf meinen Brillengläsern?
Nie konnte ich mir sicher sein, dass ich eine gesehen hatte. Perseiden, Leoniden, Geminiden? Alle Fehlanzeige. Ich fing scherzhaft an zu glauben, es gebe sie gar nicht. Jedenfalls nicht für mich...

Bis gestern. Ich lag im Bett, sah gedankenverloren von meiner Abendlektüre durchs Fenster auf in den klaren Nordhimmel – ein seltenes Bild Anfang November –, als ein goldfarbener Strich mitten hindurch huschte. Es dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde, aber ich war mir völlig sicher, nicht fantasiert zu haben. Ich starrte auf den Punkt, wo der Strich erschienen war, bis mir bewusst wurde, dass ich eine Sternschnuppe gesehen hatte. Dann fing ich an, mich zu freuen.

Übrigens sind Sternschnuppen Meteore, die einen Durchmesser von nur 1 bis 10 mm haben und nicht einmal 2 g wiegen (keine Ahnung, wie man das gemessen hat). Die meisten verglühen als Meteoroiden in der Erdatmosphäre. Die Leoniden erreichen ihr Aktivitätsmaximum angeblich Mitte November. Vor Jahrhunderten waren sie sogar der aktivste der bekannten Meteorströme. Durch den Einfluss eines Kometen kann es alle 33/34 Jahre zu einem sog. Meteorsturm kommen, bei dem pro Stunde mehrere tausend Sternschnuppen niedergehen. 1799 wurde Alexander von Humboldt in Venezuela Zeuge dieses Ereignisses: „Kein Teil des Himmels war nicht mit ständig aufleuchtenden Meteoren erfüllt.“ (Link)

Solltest du als Naturforscher ein derartiges Ereignis einmal in Zweisamkeit erleben, ist es allerdings ratsam, dieses Hintergrundwissen für dich zu behalten, denn sonst endet das gemeinsame Sternenhimmelgucken womöglich so. ;)
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Der Essi
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Re: Essis einsame Gedanken

Beitrag von Der Essi »

Assoziation in Blau

Heute Morgen verfasst...

Auf meiner Schulter im Morgenblauen
Sah ich einen blinden Papagei
Er gab mir einen blassen Schimmer
Was an diesem Tag zu tun sei.


Auf Englisch klingt es auch nicht schlecht:

On my shoulder in the morning blue
I’ve seen a feathered blowaway
He’s given me a fainted clue
Of what I had to do today.
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Der Essi
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Re: Essis einsame Gedanken

Beitrag von Der Essi »

Erster Schritt

Meine Quote an erfüllten Wünschen pro gesehener Sternschnuppe liegt jetzt tatsächlich bei 100 Prozent. Ich habe mir nämlich gewünscht, dass ich eine bezahlte Stelle bekomme, einen Job, von dem ich möglichst dauerhaft leben kann. Drei Tage nach diesem stillen Wunsch habe ich die Bewerbung abgeschickt, wiederum drei Tage später hatte ich die Einladung zum Gespräch, diese Woche nun die Zusage. Vollzeit, befristet - klar, was hatte ich erwartet? Aber besser als von Monat zu Monat zu rechnen, wie lange die Ersparnisse noch reichen...

Es ist eine Chance, ein kleiner Neuanfang, ein erster Schritt in eine ganz neue Richtung. Nun kann er also beginnen, der "Ernst des Lebens"... Vorher back ich aber noch Weihnachtskekse Bild
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Der Essi
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Re: Essis einsame Gedanken

Beitrag von Der Essi »

Kurzer Zwischenbericht

Die ersten Wochen im neuen Job sind rum, die Arbeit macht (noch) Spaß, ist aber auch anstrengend, vor allem wegen der zeitlichen Belastung. In den ersten Tagen sind eine Menge neuer Gesichter und Namen auf mich eingeprasselt, ich war gezwungen, mich sehr vielen Leuten vorzustellen, und ich denke, ich habe mich dabei ganz gut geschlagen. Anschluss an ein paar Leute habe ich auch gefunden und hoffe, das im neuen Jahr zu vertiefen, fürchte aber auch, dass es mir nur schwer gelingen wird, private Kontakte aufzubauen. Mal sehen, wie es sich entwickelt.

Nun sind erst mal Heimaturlaub, Familie und Feiertage dran. Ich bin froh, dass ich sie habe. Und in diesem Jahr freue ich mich auch endlich mal wieder auf Weihnachten. :)
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Der Essi
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Re: Essis einsame Gedanken

Beitrag von Der Essi »

Tagein – tagaus

Da gehst du: Jeden Morgen um acht, wenn die Eltern ihre Schulkinder und die Schulkinder ihre Schultaschen zur Schule bringen und die Schülerlotsen mit ihren leuchtgelben Westen fragend an der kleinen Kreuzung stehen, bis ein Auto anhält und sie auf die Straße lässt, gehst du vorbei und denkst oder denkst vielleicht auch nicht, dass du es auch nicht besser gekonnt hättest

und gehst zur großen Kreuzung und fragst dich, was die Baustelle da soll, oder fragst dich nicht und schaust auf die Uhr und guckst, ob ein Bus kommt, und meistens kommt einer, und läufst hin und fährst mit und siehst überall müde Gesichter und dass da eigentlich keiner mitfahren will, aber muss, weil das eben so ist

und steigst aus und steigst hinab und steigst ein und steigst um und siehst Plakate mit schönen Gesichtern, die dir das Neue versprechen, und siehst für ein paar Momente die Sonne, wie sie leuchtend im Osten über die Dächer steigt, oder siehst sie nicht und gehst noch in den Supermarkt oder an den Backstand fürs zweite Frühstück

und triffst da schon die ersten Kollegen oder auch nicht und schaust auf die Uhr und gehst über die Ampel und steigst hinauf ins Büro und sagst Morgen und machst dir einen Kaffee oder einen Tee und schaust auf die Uhr und guckst, was es zu tun gibt, und dann sitzt du und tust was und der Bildschirm fragt dich, was er noch für dich tun kann

und du fragst was und jemand antwortet oder auch nicht, und dann tust du wieder was und schaust auf die Uhr und machst Pause und sagst Mahlzeit und isst was und fragst die Kollegen, wie es ist, oder auch nicht und schaust auf die Uhr und gehst noch raus und siehst die Sonne, wie sie dir zusieht, oder eben nicht

und gehst wieder rein und setzt dich hin und tust was, bis der Bildschirm meint, dass er nichts mehr für dich tun kann, und schaust auf die Uhr und machst Feierabend, obwohl es nichts zu feiern gibt, und sagst Tschüss und steigst hinab, obwohl du mehr fällst, und gehst über die Ampel und treibst mit müden Augen zur Bahn

und lässt dich ansehen von müden Gesichtern, die schön sind oder auch nicht und an Schultern lehnen oder auch nicht, und setzt die Kopfhörer auf und versinkst in dem, was du hörst, und lässt dich fahren bis zur Endstation, wo die Bahn dich ausspuckt, und wartest auf den Bus und dass er dich nach Hause bringt, obwohl du nicht weißt, ob du dort zu Hause bist

und kommst an der Kreuzung an und trottest an der Baustelle und an den Autos vorbei und kaufst noch was im Supermarkt oder auch nicht und schließt die Tür auf und machst das Licht an und legst deine Sachen ab und fragst dich, wie das wohl wäre, wenn da jetzt jemand wäre, der antwortet oder auch nicht, ein Gesicht, das du siehst, wie es dich sieht

und dann machst du dir Musik an und isst was und schreibst was oder auch nicht und guckst, was es Neues gibt, und meistens gibt es nichts, und dann schaust du noch mal auf die Uhr und schlurfst ins Bad und fällst ins Bett und machst das Licht aus oder auch nicht –
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Der Essi
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Re: Essis einsame Gedanken

Beitrag von Der Essi »

Zurück ins Archiv

Ganz eng sitzen sie beieinander. Es ist nicht zu übersehen, dass sie verliebt sind. Keine Überraschung, schließlich war es nur eine Frage der Zeit. Trotzdem: Was gäbe ich für ein optisches Radiergummi, mit dem ich sie aus meinem Sichtfeld verschwinden lassen könnte. Ach na ja, ich sehe einfach nicht hin. Doch, ich schau mal kurz rüber. Hat sie nicht grad auch...? Unsere Blicke kreuzen sich plötzlich - und biegen eilig in entgegengesetzte Richtungen ab.

Erinnerung, was ist das? Woran erinnert man sich? Vielleicht nur an das letzte Mal, dass man sich erinnert hat. Oder an die Gefühle, die man dabei gehabt hat. Die Bilder, die Worte, die im Kopf lagern wie in einem staubigen Archiv - bleiben sie wirklich immer dieselben?

Es sind Freunde da und Bekannte und befreundete Bekannte und deren Freunde und Bekannte und auch Unbekannte, kurzum: andere, die einen perfekten Schutz bieten, sodass man sich erfolgreich aus dem Weg gehen kann. Ich weiß, dass meine Freunde mit ihr sprechen, ich weiß, dass meine Freunde wissen, dass ich nicht mit ihr sprechen werde und sie nicht mit mir. Ja, das klingt komplizierter als die Sache selbst.

Wie hat das angefangen? Ab wann gab es kein Zurück mehr? Wo hat die Wirklichkeit aufgehört, wirklich zu sein? Wie wurde sie zur Erinnerung? Und was ist dabei mit meinen Gefühlen passiert?

Das Schlimme an der Erinnerung ist, dass sie einen immer wieder einholt. Und dann in die Gegenwart hineinwirkt. Wie sonst ist es zu erklären, dass mich am Tag danach - also heute - Übelkeit und Kopfschmerzen plagen, als hätte ich einen ausgemachten Kater?

Der Moment, in dem man sich erinnert, ist immer Gegenwart. Die Erinnerung selbst weiß nicht, dass das Erinnerte längst Vergangenheit ist. Die Reaktion meines Körpers war eindeutig. Er brauchte diesen Tag, um das Erinnerte aufs Neue zu verarbeiten. Jetzt kann es wieder ins Archiv, zu den Akten. Und morgen ist wieder der Stapel dran, auf dem ganz groß "Gegenwärtiges" steht.
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Re: Essis einsame Gedanken

Beitrag von Der Essi »

Zwei Jahre AB-Forum. Eine Rückschau – Teil 1

Die Halbwertszeit der aktiven Nutzer in diesem Forum ist extrem unterschiedlich. Manche sind schon nach ein paar Tagen wieder weg, andere kennen noch die Gründungsphase des Forums und seine diversen Vorgänger. Ich entdeckte den AB-Treff 2014 und traf als Neuankömmling auf einen bunten Haufen von Alteingesessenen, längst oder jüngst Eingewöhnten und anderen Newbies. Das ist nun auf den Tag genau zwei Jahre her.

Meiner Vorstellung entnehme ich, dass ich durch Maja Roedenbecks Buch hierher fand. Wie ich mich bei meiner Anmeldung fühlte? Das könnte ich, ohne in meine ersten Beiträge zu schauen, gar nicht sagen. Ich war wohl ziemlich erleichtert – enthusiastisch, möchte man meinen, wenn man allein die Anzahl meiner Beiträge in den ersten Wochen und Monaten in Betracht zieht. Ich glaube, ich habe in dieser Anfangszeit unglaublich viel Informationen eingesogen und durchaus einiges dabei gelernt. Trotzdem: An meinem AB-Status hat sich nach wie vor rein gar nichts getan. Zwei Jahre AB-Forum haben mich verändert, aber nicht zu einem anderen Menschen gemacht.

Der Austausch im Forum hat mir schon bald nicht mehr gereicht. Ich wollte endlich andere ABs kennenlernen. Aber in Berlin gab es zu dem Zeitpunkt keine regelmäßigen Treffen. Mir wurde klar, dass ich das selbst in die Hand nehmen musste. Auf diese Weise traf ich viele neue Leute, sympathische vor allem, vor denen ich nicht mehr das Gefühl hatte, mich verstellen zu müssen. Neben den Treffen, die ich organisierte, begann ich, zur neu gegründeten AB-Selbsthilfegruppe zu gehen. Auch das hat mir geholfen, mit dem Thema offener umzugehen.

Natürlich hegte ich bei alledem auch den Gedanken, vielleicht eine Frau kennenzulernen, die an mir interessiert war. Tatsächlich hatte ich durch das Forum wenige Monate nach der Anmeldung mein erstes Date mit einer ABine. Es war ein Blind Date – und genau daran scheiterte es. Die Betreffende zog sich aus dem Forum zurück und hinterließ bei mir für kurze Zeit ein schlechtes Gewissen.

Nach den ersten Treffen mit anderen ABs nahm ich mir vor, mich bei meinen wichtigsten Freunden zu outen. Auch wenn mein Normalo-Kumpel und meine „beste“ Freundin nicht wirklich ein Ohr dafür hatten, verlief die Sache bei zwei anderen Freundinnen überraschend positiv. Mit einer führte ich ein längeres, sehr befreiendes Gespräch darüber – und traf wie durch ein Wunder noch am selben Tag eine Frau, bei der es mich voll erwischte. Das Ganze stellte sich in den Tagen danach jedoch als großes Missverständnis heraus. Sie hatte einen Freund.


Die Fortsetzung folgt ...
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Re: Essis einsame Gedanken

Beitrag von Der Essi »

Zwei Jahre AB-Forum. Eine Rückschau – Teil 2

In der zweiten Jahreshälfte tat sich nicht viel Neues. Ich hatte mich vollends an das Forum und seine Eigentümlichkeiten gewöhnt, war mit einigen Leuten in PN-Kontakt. Meine Aktivität blieb weiterhin hoch, ich hatte auch Zeit genug. Abseits des Forums pflegte ich meine neuen Bekanntschaften und ging regelmäßig zur Selbsthilfegruppe. Besonders schön war, dass ich Silvester mit anderen ABs feiern konnte.

Anfang 2015 stand ich jedoch wieder ohne Arbeit da. Das Forum war zu einem gewaltigen Zeitfresser geworden und stand mir jetzt, da ich mich auf Wesentlicheres konzentrieren musste, unnötig im Weg. Darum legte ich eine freiwillige Forumspause ein. Ich machte mich selbstständig, trat in einen Kommunikationsclub ein und begann eine Psychotherapie. Als ich nach etwa drei Monaten zurückkam, blickte ich anders auf den AB-Treff. Irgendwie distanzierter.

Interessant wurde es erst wieder, als jemand auftauchte, mit dem ich einiges gemeinsam zu haben schien. Dazu kam, dass sie (denn es war eine ABine) einen Ton traf, der mich auf besondere Weise erreichte. Meine Wellenlänge sozusagen. Ohne Großartiges zu erwarten, schrieb ich ihr. Daraus wurde etwas ganz und gar Erstaunliches. Ich denke, fast jeder hat eine ungefähre Vorstellung davon, wie so etwas abläuft: Eines führt zum andern, traumwandlerisch nimmt die Kommunikation jede Klippe und überall gäbe es noch so viel mehr zu sagen und zu fragen. Es war nicht das erste Mal, dass ich etwas dergleichen erlebte, aber wahrscheinlich war es das erste Mal, dass es so offensichtlich auf eine Anbahnungsphase hinauslief. Ich bin ein gebranntes Kind, was Missverständnisse solcher Art angeht, aber hier gab es nichts misszuverstehen: Das beiderseitige Interesse war ebenso eindeutig wie der Wille, den Kontakt mit Spannung und Leben zu erfüllen. Das Problem, das allzu bekannt ist: Die gesamte Kommunikation verlief schriftlich. Ansätze, das zu ändern, kamen entweder gar nicht oder eher unglücklich zur Umsetzung. Immerhin tauschten wir Fotos. Und bald wurden auch die Planungen für ein Treffen immer konkreter.

Wahrscheinlich verabreden sich über das Forum immerzu irgendwelche Leute zu irgendwelchen privaten Treffen, ob das nun Dates sind oder Freizeitaktivitäten oder was auch immer. Die wenigsten davon werden an die Forumsöffentlichkeit dringen, erst recht nicht die erfolglosen. Ich selbst hatte dummerweise ein zu großes Mitteilungsbedürfnis. Ich war mir der Sache einfach zu sicher. Auch wenn ich es nur im geschützten Rahmen verriet – dieser Leichtsinn war der Anfang vom Ende. Es gab danach zu viele, die Bescheid wussten.

Wir trafen uns auf halbem Weg, sozusagen auf neutralem Boden. Als ich zurückfuhr, war die Frage offen, wie es weitergehen würde mit uns. Ich wusste, dass ich sie wiedersehen wollte, und teilte ihr das auch mit. Ihre Antwort fiel verhalten aus. Ein paar Tage später war sie sich dann sicher, dass aus uns nicht mehr als eine Freundschaft werden würde. Es hätte dabei bleiben können – wenn nicht das Forum gewesen wäre. Ich hatte mich zu einem unbedachten Scherz hinreißen lassen und wurde nun verraten. Die Worte, mit denen ich meine Enttäuschung verarbeitete, trieben den Keil immer tiefer.

Vom Forum erwarte ich seitdem nichts mehr. Meine Aktivität hat sich deutlich reduziert, erst recht seit ich Vollzeit arbeite. Im Prinzip ist meine Halbwertszeit als Nutzer dieses Forums längst überschritten. Doch würde ich mich abmelden, würde ich früher oder später wie viele andere zurückkommen – ich fühle mich dem AB-Treff einfach zu sehr verbunden.

In diesem Sinne: to be continued ... :singen:

[+] Um nicht missverstanden zu werden
Es sollte jedem klar sein, dass ich hier keinem Vorwürfe machen und auch niemanden bloßstellen möchte. Ich dachte nur, es wäre einmal an der Zeit, diese Geschichte im Zusammenhang zu erzählen und einen vorläufigen Schlussstrich zu ziehen.
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Re: Essis einsame Gedanken

Beitrag von Der Essi »

Die Sache mit dem "jemanden kennenlernen"

Seit März ist viel passiert. Ich wünschte, es wäre mehr passiert. Das Hauptereignis in dieser Zeit war mein Urlaub – eine Woche Kroatien mit einer Singlegruppe. Gewissermaßen vorbereitet wurde das aber durch ein Wochenende im Mai. Ein sportliches Wochenende. Ein enttäuschendes obendrein. Nicht nur, dass unser Team nichts gewann – auch meine Bemühungen abseits des Spielfelds, nämlich bei einer Mitspielerin, blieben völlig erfolglos. Ich denke, ich bin da für meine Verhältnisse schon recht deutlich geworden, aber von ihr kam einfach mal gar nichts zurück. Null Reaktion. Zum Schluss hab ich sie nach einem Treffen gefragt, und spätestens nach ihrer ausweichenden Antwort war mir alles klar. Passend dazu dieser Post:
Der Essi hat geschrieben:So sehen Verlierer aus :sadman:
Ja, und dann Kroatien. Singleurlaub. Die typische Reaktion, als ich im Vorhinein davon erzählte: "Na, vielleicht lernste da ja eine kennen." Mein Problem: Es gehört eben auch noch eine gehörige Portion Glück dazu. Denn ich habe tatsächlich "eine kennengelernt" (irgendwie ist halt immer eine dabei). Wir haben uns auf Anhieb gut verstanden und während dieser Woche so einiges gemeinsam erlebt. Mein erster konkreter Annäherungsversuch war eine zaghafte, aber unzweideutige Handberührung – da hat sie gelacht. Ein verlegenes Lachen. Eines, das Distanz schafft, Sicherheitsabstand.

Mit diesem Abstand ließ sie meine Nähe zu, mehr nicht. Wir gingen unsere eigenen Wege, in unserem eigenen Tempo, wir trennten uns und trafen uns wieder, erzählten, was uns einfiel, und teilten, was wir sahen. Sie zog sich zurück, einen Abend sogar gänzlich, indem sie auf ihr Zimmer verschwand. Am vorletzten Tag legte ich meine Hand auf ihren Rücken - sie fragte mich, was ich da tue. Dann erklärte sie mir, dass sie ein paar Wochen zuvor "jemanden kennengelernt" habe, also schon vergeben sei...

Der Trost für mich: Sie hat mein Interesse bemerkt und ist mit Absicht nicht darauf eingegangen. Außerdem fand sie auch, dass wir uns gut verstehen; den letzten Tag haben wir sogar zum großen Teil nur zu zweit verbracht - so verkehrt kann ich also gar nicht sein. :)

Trotzdem hab ich im Flugzeug geheult wie ein verlorener Junge.

Die Tränen haben gut getan. Als ich wieder in Berlin ankam, waren sie längst getrocknet. Also erneut nur Erinnerung, Vergangenheit. Sie hat sich gemeldet, spät, aber immerhin. Allerdings mit kaum mehr als Floskeln. Sehr unwahrscheinlich, dass sich daraus ein länger anhaltender Kontakt ergibt.


Doch Essi trifft wieder neue Leute. Schaut nach vorn, um endlich mal zu sagen: "Ich hab da jemanden kennengelernt ..."
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Re: Essis einsame Gedanken

Beitrag von Der Essi »

Ich muss mir mich selbst als glücklichen Menschen vorstellen

Bin ich glücklich? Ich habe doch ein Ziel erreicht, werde wieder mit etwas anfangen, mich weiterentwickeln. Ich hatte auch ein paar schöne Erlebnisse in der letzten Zeit, fröhliche Tage, Momente, an die ich mich gern erinnere. Es gibt so viel Gutes in meinem Leben, und dennoch frage ich mich, ob ich glücklich bin. Da ich es offensichtlich nicht bin.

Wer glücklich ist, fragt nicht mehr danach, er weiß, dass er glücklich ist. Doch was ist dieses Glück wert, wenn es von einem Moment zum nächsten davonrinnt und einfach so zwischen den Stunden, Tagen und Wochen versickert? Ist es nicht erstaunlich, wie abhängig das eigene Glück ist von der Hoffnung, die sich auf einen oder ein paar wenige andere Menschen richtet? Manchmal denke ich, es wäre schön, nur noch mit Tieren zu leben, denn sie haben viel weniger das Potenzial, uns zu enttäuschen. Und dann weiß ich aber, dass wir andere Menschen brauchen. Auch zu unserem Glück.

Doch wenn diese Menschen, selbst ohne es zu wollen, uns weh tun und die dünnen Fäden unserer Träume zerreißen, dann erscheint alles andere matt und unbedeutend. Denn ohne Hoffnung ist alles so sinnlos. Die Zukunft, die sich gerade noch in lebendigen Bildern zeigte, ist nun wieder eine öde, leere Landschaft. Die Vergangenheit, die eben noch so zahm und beherrschbar schien, ist nun wieder eine raue See. Und die Gegenwart, die eine Zeit lang so wegsam aussah, ist nun wieder ein Kampf gegen Gipfel.

Sisyphos und der Stein. Ich muss mir mich selbst als einen glücklichen Menschen vorstellen. Momentan bin ich weit davon entfernt.
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Re: Essis einsame Gedanken

Beitrag von Der Essi »

Ein Wagnis

Vorsichtig lasse ich die Balustrade los, gleite langsam ein, zwei Meter, vielleicht mehr, dann drehe ich mich unfreiwillig entgegen der Laufrichtung. Um wieder in die Spur zu kommen, muss ich mich an J. festhalten. Dann wieder ein paar Meter, wieder das Gleiche, ich halte mich an J.s Schulter. So will ich noch ein Stück weiter, strauchle, halte noch das Gleichgewicht, aber dann stürze ich der Länge nach aufs Hinterteil. Das macht nichts, J. hilft mir wieder auf, aber jetzt muss ich wieder zurück zur Balustrade und verschnaufen.

Es ist die erste halbe Stunde meines Lebens auf Schlittschuhen. Als ich im Eisstadion ankam, drehten J. und N. bereits entspannt ihre Runden und unterhielten sich dabei. Dann stürzte J. völlig überraschend, gar nicht weit von wo ich stand, und N. half ihr wieder auf. Ein paar Minuten später hatte ich auch Schlittschuhe an, rote, und wagte mich zaghaft aufs Eis. Es wurde unheimlich anstrengend, die Füße taten mir schnell weh (vielleicht waren die Schuhe auch etwas zu eng), aber ich lache dabei, nehme es mit Humor, dass Kinder unbeschwert an mir vorbeigleiten; außerdem ist J. in der Nähe und gibt mir Tipps, und wenn es nötig ist, hält sie mich fest.

Im Nachhinein kommt es mir vor wie ein Sinnbild: Der blutige Anfänger klammert sich an seine große Liebe. Ab Januar ist sie weg, für ein Dreivierteljahr außer Landes. Woran hält sich der Anfänger dann fest, wenn es keine Balustrade gibt? Ich weiß, ich werde sie mehr vermissen als sie mich; doch ich werde auch etwas freier, unabhängiger sein. Vielleicht, hoffentlich die ersten Schritte wagen auf jenem Eis, das für mich so glatt und unbeherrschbar scheint. Mich an anderen festhalten, wenn das nötig sein sollte. Wahrscheinlich werde ich niemals Pirouetten drehen, aber etwas auf die Reihe zu bekommen, was die meisten schaffen, das muss doch zu erreichen sein, oder?
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Re: Essis einsame Gedanken

Beitrag von Der Essi »

Sackgasse, die x-te

Da bin ich also mal wieder auf dem Boden der Tatsachen angekommen. Besser gesagt: auf die Schnauze gefallen, gegen die Wand gefahren – oder was man sonst für theatralische Bilder dafür finden mag. Aber solange ich nicht anfange, darüber nachzudenken, was hätte sein können, ist es gar nicht so dramatisch. Für eine kurze Zeit war ich glücklich – jedenfalls glücklicher als gewöhnlich –, jetzt bin ich es nicht mehr. Es tut weniger weh, wenn man die Sache nüchtern betrachtet.

Dass auch sie nicht offen ist für mehr als Freundschaft.

Ich muss sagen, ich fühle mich betrogen. Ja, ich bin auch wütend. Den Anzeichen nach sah es eigentlich ganz gut aus. Nicht super, kein Rosarot oder Smaragdgrün, sondern ein Hoffnungsschimmer. Zweifel waren da, keine Frage. Aber wie soll man handeln, wenn man sie nicht zum Verstummen bringt? Also wieder was gewagt, mich geöffnet und mich davon überzeugt, dass ich interessant genug für sie bin.

Um dann doch nur wieder alles zu zerstören.

Ich verstehe solche Frauen nicht. Ich verstehe nicht, wann es ihnen zu schnell geht und wann ich ihnen zu langsam bin. Fest steht: Ich kann mich schnell in eine Frau vergucken. Ich erkenne intuitiv, wenn sie etwas mit mir gemeinsam hat, es eine gleiche Ebene gibt, eine gewisse Verbindung. Dieses Gespür hat mich auch diesmal nicht getäuscht. Aber ich habe keine Ahnung, wann ich konkreter werden kann oder muss. Ich versuche, einfach meinem Gefühl zu folgen und auf meine Bedürfnisse zu hören.

Doch es führt jedes Mal zu dem gleichen Ergebnis.

Ich habe Angst, dass es immer schwieriger wird. Dass ich immer misstrauischer werde. Dass eine Frau, die mich erreichen will, irgendwann Mauern überwinden muss. Nach Erfahrungen wie diesen möchte ich meine Gefühle töten – aus Selbstschutz. Wo soll das hinführen? Ich könnte eine Karikatur werden, ein armer Teufel, ein Irrer, ein Menschenfeind, ein alter Kauz. Das will ich nicht. Aber habe ich wirklich die Wahl? Ich fühle mich machtlos gegenüber dem, was mir immerzu widerfährt. Als sei ich irgendwie verflucht.

Es gibt einen Blues-Song, der meine Situation ziemlich gut auf den Punkt bringt.
"Every woman got a license to break my heart
And every love affair is over before it gets a chance to start"
Text: Doc Pomus


Es muss doch einen anderen Weg geben. Aber wo?